Ein Leben – zwei Berufe – zwei Namen

„Farbe ist Medizin für die Seele“, so sieht der Arzt und Künstler Dr. Hans-Georg Siebert sein Wirken. Unter dem Künstlernamen „john seabird“ widmet er sich außerhalb des Klinikalltags der Malerei und bedient sich dabei an Motiven aus der Medizin, Impressionen aus dem Zeitgeschehen, der Mythologie oder Objekten, die er sprichwörtlich von der Straße aufliest.

Schon als sehr junger Mensch habe er davon geträumt, Künstler zu werden, berichtet john seabird während des Gesprächs. Die Vernunft habe ihm jedoch geraten, „etwas Anständiges“ zu lernen. So habe er sich für ein Medizinstudium entschieden – die Liebe zur Malerei sei jedoch immer geblieben. Neben seinem Chirurgenberuf am Klinikum Bremen-Ost sieht er seine Profession des Künstlers als eine ebenbürtige Aufgabe und nicht als Hobbymalerei an.
john seabird stammt aus Amberg in der Oberpfalz und hat fast 20 Jahre lang in Würzburg gelebt und gearbeitet. Die Schulzeit hat er in Nürnberg verbracht. Am dortigen Labenwolf-Gymnasium wurde ihm eine frühe Förderung und Unterstützung durch seinen Kunsterzieher zuteil, der ihn in seinem künstlerischen Vorankommen stark unterstützt hat. Dennoch wurde die Medizin zu seinem Beruf – die Kunst bleibt seine Berufung.
Warum begeistert sich ein Arzt für die schaffende Kunst? „Man könnte meinen, dass der Mediziner einen stressigen Beruf hat und die künstlerische Betätigung zum Ausgleich braucht“, antwortet der 54-Jährige. „Aber ich glaube, dass mehr dahintersteckt. Sowohl in der Medizin als auch in der Malerei versucht man, sich ‚dem Mysterium des Lebens‘ zu nähern, allerdings auf völlig unterschiedliche Weise. Zudem haben die Kunst als auch die Chirurgie etwas sehr Handwerkliches. Etwas mit meinen Händen zu erschaffen ist für mich von essenzieller Bedeutung.“
Die künstlerische Prägung seiner Arbeiten sieht er in der klassischen Moderne, im Surrealismus und in der Pop Art. Inspirationen findet er bei Malern wie Gerhard Richter, David Hockney, Jackson Pollock oder Alex Katz, aber auch bei Alberto Giacometti. Den Techniken sind praktisch keine Grenzen gesetzt, wobei Acryl- und Aquarellfarben häufig Verwendung finden. Eine Besonderheit stellen die bearbeiteten „Fundstücke“ dar: Radkappen – am Straßenrand aufgesammelte Verluste der mobilen Gesellschaft, die als Bildträger mit eigenen Motiven ausgestattet zu individuellen Einzelstücken werden.
Bei den Farben ist es vor allem ein ganz bestimmter Blauton, den john seabird immer wieder einsetzt: das „Yves-Klein-Blau“. Yves Klein gilt als der erste Performance-Künstler und Vorläufer der Pop Art. Der Künstler ist vor allem für diesen ganz bestimmten Blauton bekannt, den er selbst einmal mit folgenden Worten beschrieb: „Zuerst gibt es ein Nichts, dann ein tiefes Nichts, und schließlich eine blaue Tiefe.“
Bei dieser blauen Tiefe wird zwangsläufig auch die Assoziation zur Tiefe des Meeres freigesetzt. Wasser, Wogen, Gestade, Meerestiere und natürlich Meeresvögel gehören zu den immer wiederkehrenden Motiven des Künstlers. john seabird konzentriert alle schöpferische Kraft auf den Akt des Malens selbst. Die Bilder und Objekte sind prall gefüllt mit Inhalt – ohne versteckte Botschaften – stattdessen werden Form, Farbe und Temperament artikuliert.
Mitte 2019 zog es den Chirurgen und Künstler gemeinsam mit seiner Partnerin von Würzburg nach Bremen. „Wir suchten beide eine persönliche wie auch berufliche Veränderung. Der sogenannte Zufall, an den ich im Übrigen nicht glaube, hat uns nach Oberneuland geführt. Hier fühlen wir uns angekommen und haben die besten Voraussetzungen gefunden, schnell in der Natur bzw. an den Stränden der Nord- oder Ostsee sein zu können“, so john seabird.

Text und Foto: Meike Müller

https://johnseabird.de