Kaffee

Mittwochs trifft man zwar keine Menschenschlangen, die sich auf den Weg in die Oberneulander Heerstraße machen. Aber Einzelnen kann man ansehen, dass sie ein Ziel vor Augen haben: eine gute Tasse Kaffee.

Seit sechs Jahren verbindet sich mit dem Namen Ingrid Grau die gute Tasse mit „my-own-coffee“. Damals machte sie sich nach vielen Arbeitsjahren in Bremer Kaffeeunternehmen selbstständig und versorgt seitdem Genießer mit ihren sortenreinen Kaffees. Es begann als reiner Online-Handel, was ihr in diesen Zeiten natürlich entgegenkommt. Aber schon schnell wurden Wünsche nach Tastings und Seminaren laut, die Ingrid Grau gern für ihre Kunden durchführt. Auch der Ruf nach einer festen Öffnungszeit, damit man analog frischen Kaffee kaufen könne, wurde lauter. Wegen der aktuellen Situation und den damit verbundenen Regeln ist ein Besuch in der Kaffeemanufaktur zurzeit nur nach telefonischer Anmeldung möglich.
In der Oberneulander Heerstraße 83a erwartet die Kunden das geballte Wissen einer Kaffee-Expertin. Etwas, was Ingrid Grau zuvor auf dem Markt für die normalen Verbraucher vermisst hat. „Da gab es eigentlich nur die Adjektive kräftig, mild, harmonisch, elegant. Aber was soll das bedeuten?“ Das liegt natürlich daran, dass die meisten Kaffees Mischungen sind und sich das Marketing mit der Beschreibung befasst. Ingrid Grau ist Kaffee-Sommelière. Das bedeutet, wenn ihr der Kaffee über die Zunge rollt, schmeckt sie viel feinere Aromen. So kann sie die Sorten wesentlich detaillierter kategorisieren. „Wer es vereinfacht wissen möchte, der kann sich merken, dass südamerikanischer Kaffee etwas nussig und schokoladig schmeckt und afrikanischer wesentlich fruchtiger.“ Dieses Wissen gibt sie auch gern durch Proben und durch Verkostungen weiter.
Für die Qualität des Kaffees ist auch die Höhe seines Anbaugebietes wichtig. Hinter dem Kürzel SHG verbirgt es sich: Strictly High Grown. Das bedeutet, dass der Kaffee oberhalb von 1.300 Metern wächst. „Je höher, je besser“, lautet die Faustformel. Für die Kaffeekennerin ist es selbstverständlich, dass sie nur ökologisch angebauten, handgepflückten und überwiegend fair gehandelten Kaffee kauft.
Ihre Bohnen bezieht Ingrid Grau über die Kaffeebörse. Mit diesen zieht sie dann als zu Kollegen und kitzelt durch ihre eigene Röstung das für sie perfekte Aroma aus den Bohnen. Durch eine langsame Trommelröstung vermindert sie den Säuregehalt. Sie hat zwei Betriebe, in denen sie ihre Bohnen rösten darf. Dabei hat jeder Röster seine eigene Handschrift. „Bei Kaffee ist es wie bei Wein, Lagen und Jahrgänge sind immer unterschiedlich, keine Ernte schmeckt wie die vorherige“, erklärt die Expertin. Prinzipiell lassen sich die Anbaugebiete dennoch geschmacklich beschreiben. So ist der Kaffee aus Honduras schokoladig mit einer Orangen-Fruchtnote, Costa Rica leicht fruchtig und dennoch würzig, Peru erdig und schokoladig, Brasilien süßlich mit Karamell-Note und der Kaffee aus Kenia kräftig mit einer Johannisbeer-Note. Je nach Geschmack kann man den Kaffee also sortenrein oder als Mischung trinken. Was die Oberneulander bevorzugen? „Da kann ich gar keine Aussage treffen“, meint Ingrid Grau, „eigentlich kommt es immer darauf an, wie der Kaffee getrunken und zubereitet wird.“ Dennoch denkt sie über eine Special-Oberneuland-Mischung nach. Vielleicht gibt es den dann ja nicht nur direkt bei ihr, sondern auch in Oberneulander Geschäften zu kaufen.
Fazit nach sechs Jahren: Insgesamt 19 sortenreine Kaffees und sechs Sommelière-Mischungen hat my-own-coffee im Angebot, zusätzlich gibt es die Möglichkeit, sich mit dem Kaffeekonfigurator im Webshop individuell Kaffee mischen zu lassen. Nicht nur Privatkunden nutzen diese Möglichkeit. Verschiedene Firmen haben sich bereits ihren Kaffee mit eigenem Firmenlogo als Hausmarke zusammenstellen lassen. Interessierte Neulinge nutzen zumeist die „Kleine Weltreise“ als Einstieg und die Oberneulander machen sich einfach auf den Weg in die Kaffeemanufaktur oder rufen an.

Text: Antje Scheinert, Foto: privat