Das Haus Ichon-Park – mittendrin statt nur dabei

STIFTUNGEN IN OBERNEULAND

Die Bremer Heimstiftung als größter Altenhilfe-Träger Bremens setzt auf flexible Vielfalt: Menschen, die Wohn- bzw. Pflegeangebote der Stiftung nutzen, sollen am alltäglichen Leben nach wie vor teilnehmen können. Rund 30 Standorte der
Bremer Heimstiftung befinden sich in Form von Stiftungsdörfern, Stadtteilhäusern und Stiftungsresidenzen in den Zentren einzelner Stadtteile. Eine dieser Stiftungsresidenz der Bremer Heimstiftung befindet sich mit einer denkmalgeschützten Villa mitten im grünen Herz von Oberneuland: das Haus Ichon-Park.

Die Zentren sind deshalb so wichtig, weil sie pulsieren. Sie ermöglichen dadurch und aufgrund von zahlreichen Kooperationen ein lebendiges Teilnehmen am sozialen Miteinander – ganz individuell. Denn was für einige funktioniert, muss deshalb nicht zwangsläufig für andere eine zufriedenstellende, glückliche Wahl sein. Älter- und Altwerden bedeutet schließlich nicht weniger individuell zu sein.
Wenn ein Mensch in seinem jüngeren Leben ein vielseitig sozial gestaltetes Leben führte, könnte es gut sein, dass er genau das auch im Alter tun möchte. Um die Bedürfnisse individuell herauszufinden und abzustimmen, bedarf es für die Mitarbeiter Fingerspitzengefühl und oft vielleicht auch Geduld. „Wir reagieren mehr, als dass wir agieren“, sagt Ulrike Scheer, Hausleiterin der Stiftungsresidenz Ichon-Park. Weniger Aktion – mag auf den ersten Blick eventuell träge erscheinen. Aktiv sein, immer in Bewegung, mit Aktionen zugeschüttet werden – etwas überspitzt dargestellt klingt das im Gegensatz zu „träge“ nach „zu viel“. Die Masse und die Qualität geben hier den Ton an: Weniger Aktion heißt schließlich nicht keine Aktion und mehr Reaktion eben nicht nur Reaktion. Mehr Reaktion und weniger Aktion können für ein würdevolles, individuelles Leben im Alter sehr entscheidend sein. Zeit fürs Zuhören und Raum für Feedback schaffen. Zwischenmenschlich und auf einer Augenhöhe. Für genau dieses Zusammenarbeiten mit Menschen liebt Scheer ihre Arbeit: „Meine Tätigkeit macht mir unheimlich viel Spaß. In erster Linie, weil ich sehr gern mit Menschen zusammen bin. Hinzu kommt, dass ich frei und selbstständig agieren kann. Das schätze ich sehr. Nun bin ich schon seit über 30 Jahren in verschiedenen Stiftungsinstitutionen der Bremer Heimstiftung tätig – eine lange Zeit. Selbstständig arbeiten zu können ist einfach ein riesiges Pro. Dass ich die Einrichtung (mit)prägen kann, ist etwas ganz Besonderes.“
Scheer studierte Sozialpädagogik und fing direkt nach dem Studium im Sozialdienst der Bremer Heimstiftung an. So gestaltete Scheer u. a. die Stiftungsdörfer in Rablinghausen und Hemelingen. Seit acht Jahren arbeitet sie nun im Ichon-Park und ist für die Menschen, die hier leben, zuständig. „Natürlich nicht allein“, betont die Hausleiterin. „Ich werde von Mitarbeitern, Ehrenamtlichen und Kooperationspartnern sowie -partnerinnen unterstützt. Es gibt viele Teilbereichsleitungen wie die Hauswirtschaftsleitung, die Küchenleitung, die Bereichsleitung, die Pflegeleitung etc. Die Freiheit, selbstständig in eigener Funktion agieren zu können, heißt nicht, dass ich – bzw. wir – allein gelassen werden. Natürlich gibt es einen Überbau zu meiner und unseren Leitungsstellen, z. B. die Personalleitung, wenn wir Rat oder Hilfe benötigen“.
Den „Alltag gemeinsam gestalten“ gehört zu den Grundsätzen der Bremer Heimstiftung. Antje Sörensen ist Leiterin des KundenCentrums in Horn-Lehe und erklärt, dass sich die Stiftung dem „Einheitslook“ in der Altenhilfe widersetzen möchte bzw. Alternativen aufzeigen will. Alt werden fernab vom städtischen Leben passe nicht zu jedem Menschen und seiner Lebensplanung. Deshalb passe es auch nicht zu den Leitsätzen, der Philosophie der Bremer Heimstiftung. Mit rund 3.000 Bewohnern und Bewohnerinnen an 30 Standorten und ca. 2.700 Beschäftigten setzt die 1953 gegründete Stiftung auf Vielfalt, Teilhabe und Normalität. Dazu gehören die lebendigen Stadtteilkerne als „Knotenpunkte eines sozialen Miteinanders im Quartier“, so Sörensen und auch die Zusammenarbeit für das Ziel eines „gemeinsam gestalteten“ Alltags: „Ob ein Kindergarten oder Grundschulklassen auf dem Grundstück, Künstler unter dem Dach, ein Bistro oder eine Bibliothek im Haus, Babyschwimmen oder Kurse der Volkshochschule und mehr – jedes der Häuser initiiert und pflegt zahlreiche Kooperationen im Stadtteil und holt damit Leben ins Haus, immer wieder anders und individuell. So gleicht kein Standort dem anderen; facettenreiche Beziehungen entstehen und die Bewohner und Bewohnerinnen sind ganz natürlich mittendrin statt nur dabei. Gleiches gilt für die Angehörigen, für die Freunde oder Nachbarn aus dem Stadtteil und die etwa 600 Ehrenamtlichen, die sich unter den Dächern der Bremer Heimstiftung täglich engagieren. Neben den Menschen, die hier wohnen, sind sie es, die das Stiftungsleben zu großen Teilen aktiv gestalten. Wir handeln getreu dem Grundsatz ‚so wenig Pflege-Institution wie nötig, so viel alternative Wohn- und Versorgungsform wie möglich.‘“
Weg von Isolation und Starre, stattdessen lieber ein Mix aus ambulanter bzw. stationärer Versorgung für die pflegebedürftigen Menschen und Teilhabe durch Angehörige sowie Bürgerbeteiligung. Ulrike Scheer beschreibt die Einrichtungen wie kleine Dörfer: „Meine Aufgaben umfassen das Regeln der Abläufe, Sorgen und Nöte entgegennehmen, Gespräche mit Angehörigen führen, Beschwerden bearbeiten, Pflegegrad-Einstufungen vornehmen und anpassen. Auch ein Teil der Pressearbeit gehört dazu. Zusammen im Team gestalten wir ein Veranstaltungsprogramm, arbeiten mit den Kooperationspartnern und sehr eng mit dem Freundeskreis vom Ichon-Park zusammen. Man muss aber auch schauen, dass die Menschen hier im Zusammenleben miteinander klarkommen, und das erfordert Fingerspitzengefühl für das Zwischenmenschliche.
Trotzdem die aktuelle Situation gravierende Einschränkungen wie den obligatorischen Abstand im alltäglichen Leben erfordert, bemüht sich die Stiftungsresidenz Ichon-Park, ihren Bewohnern und Bewohnerinnen soziale Teilhabe zu ermöglichen. Während des Frühjahrs und der Sommerzeit stellte dies keine „allzu großen“ Herausforderung dar – die Residenz befindet sich schließlich inmitten eines großen Parks. Mit Platz und unter freiem Himmel konnten Konzerte, Gottesdienste u.v.m. draußen stattfinden. Der Pompeji-Saal in der Villa sei zwar groß, so Scheer, allerdings nicht groß genug für den Laufverkehr und die Abstandsregeln. Für die beginnende kalte Jahreszeit will das Team das Restaurant der Residenz nutzen. „Beispielsweise soll jetzt hier der Gottesdienst stattfinden. Wir haben abgesprochen, dass der Pastor in der Terrassentür steht und die Bläser sich auf der Terrasse platzieren. Allerdings müssen wir immer abwägen und deshalb eventuell z. B. auf die Bläser verzichten, aufgrund des Aerosol-Austauschs. Wir planen einen Frühschoppen, einen Bingo-Nachmittag und bieten Kinoabende o. Ä. im Restaurant an. Auch wenn wir momentan weniger Rücksicht auf den Gedanken eines offenen Hauses – das Restaurant beispielsweise ist normalerweise nicht ‚nur’ für unsere Bewohnerinnen und Bewohner geöffnet – nehmen können, nutzen wir die vorhandenen Optionen, um auch in Corona-Zeiten ein sozial-interaktives Leben zu ermöglichen.“
Absolute Isolation ohne den Blick darauf zu lenken, was das für einen Menschen bedeuten kann, stand in den letzten Monaten hier so nicht auf dem Programm. Da sich Hausleiterin Scheer und ihr Team streng an die Hygiene-Regeln halten und sich der eigentlich bietende Spielraum dadurch stark verkleinert, funktioniert das Zwischenspiel von Corona-Regeln und Mensch-bleiben-dürfen nur deshalb, weil sich Mitarbeiterinnen, Kooperierende und Ehrenamtliche viel Mühe geben und kreativ nach Lösungen suchen: „Wir haben generell schon mal das Glück des schönen Parks“, freut sich Scheer. „Wir haben hier z. B. unsere Wohnungsbereichs-Bewohner, die überwiegend völlig eigenständig leben und nur manchmal bzw. irgendwann unsere Hilfspakete nutzen. Diese Bewohner konnten eigenständig raus, einkaufen gehen etc. Für die Menschen in der Wohnpflege gehen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gemeinsam mit ihnen nach draußen. Wenn jemand seine Angehörigen stark vermisst, haben wir draußen Treffen mit Abstand vereinbart. Auch Treffen am Fenster oder gemeinsame Skype-Anrufe sind eine Lösung.“ Digitale Kontaktaufnahme sowie digitaler Austausch boomen seit dem Frühjahr 2020. Die sich daraus ergebenden Chancen und diese auch entsprechend nutzen zu können, ist Teil des sozialen Lebens. So weist Scheer u. a. auf Ehrenamtliche hin, die mit der Einrichtung von Tablets helfen und für Rückfragen zur Verfügung stehen. „Konzeptionell gehen wir sehr rein in die Stadtteile, öffnen und vernetzen uns“, erklärt Scheer und fügt hinzu: „Die Bremer Heimstiftung hat generell sehr offene Häuser. Wir veranstalten im Haus Ichon-Park meist ein bis zwei Tage der offenen Tür pro Jahr. Das ist eine schwierige Situation für uns, dass die Häuser ‚abgeschlossen‘ sind, weil wir nicht kontrollieren können, wer ein- und ausgeht.“ Diese Umstände erschweren auch den Zugang für interessierte, künftige Bewohnerinnen. „Interessenten melden sich direkt bei uns oder im KundenCentrum der Stiftung. Dann gehen wir in die Beratung und natürlich sollen sich die Menschen vor Ort auch umsehen können. Das alles kann momentan so nicht stattfinden“, erläutert Scheer.
Zu den umfangreichen Angeboten der Bremer Heimstiftung gehören ambulante Pflege, Wohnen mit Service, Tagespflege, Kurzzeit- sowie Urlaubspflege, Pflege-Wohngemeinschaften und Langzeitpflege – möglichst lebendig, stilvoll und mit jeder Menge Raum für Normalität. Im Unterschied zu privaten Trägern arbeiten die Bremer Heimstiftung und ihre Tochterunternehmen oder Beteiligungen nicht gewinnorientiert, so Sörensen: „Diese Möglichkeit nutzen wir, um in die Entwicklung zukunftsweisender Projekte und Konzepte der Altenhilfe zu investieren. Dazu gehören etwa die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Universitäten, der Einsatz von Gesundheitsberatern oder speziellen Sportprogrammen für Hochaltrige in den Häusern der Stiftung. Dazu gehören aber auch die Bremer Initiative ‚Lebensfreude ist unvergesslich – Aktiv mit Demenz‘ oder der Verein ‚Familienbündnis e. V.‘“ Außerdem setze die Stiftung mit der Alten Rembertischule – Bildungszentrum der Bremer Heimstiftung auf die Ausbildung eigener Nachwuchskräfte in der Altenpflege. Ebenfalls biete die Stiftung ihren Fach- und Führungskräften regelmäßige Fort- und Weiterbildungen an.
Ehrenamt- oder anderweitig Interessierte können über das KundenCentrum der Bremer Heimstiftung Kontakt aufnehmen. Weitere Infos zu Leistungen und Angeboten sowie den einzelnen Stiftungseinrichtungen sind auf der Homepage der Bremer Heimstiftung zu finden: https://www.bremer-heimstiftung.de/kundencentrum/
Altwerden geht alle etwas an, da wir alle älter werden. Selbstbestimmt und sozial vernetzt im hohen Alter leben – dies sollte kein Privileg sein. Älter werden bedeutet älter werden. Ganz normal halt. Warum also nicht individuell und mittendrin.

Text: Susanne Wokurka, Foto: Bremer Heimstiftung / Fotograf: Rainer Geue