Einst Restaurant, jetzt Tonstudio

Vergleicht man beide Bilder – die alte Postkarte aus dem Jahr 1912 und das aktuelle Foto – so hat sich dort in der Mühlenfeldstraße nur wenig geändert. Erstaunlich, jedoch auch erfreulich nach fast 110 Jahren. Selbst die Formen des Eingangs und der Fenster sind gleichgeblieben. Obendrein sind die Nebengebäude praktisch noch die gleichen.
Man sieht es dem alten Foto an, dass sich die Gäste im Kaffeehaus Niedersachsen, wie es auch gern genannt wurde, recht wohl gefühlt haben. Fünfzig Jahre später wurde das Fernsehen populär, es kamen nicht mehr viele Leute in die Gastwirtschaft, die Betreiber gaben auf.
Ende der 1969er Jahre aber entdeckte Wolfgang Roloff das Gebäude für sich. Wolfgang Roloff muss man den älteren Oberneulandern nicht vorstellen. Nur zu gern erinnern sie sich an den Schlagersänger, der mit „Kleine Annabell“ einen Hit landete, und der Heintje entdeckt hatte. Er errichtete in dem Haus ein Tonstudio, dessen Aufnahmequalität sich in kurzer Zeit einen internationalen Ruf eroberte. Der alte Konzert- und Tanzsaal mit seiner bemerkenswerten Akustik war Mittelpunkt des Unternehmens. Um ihn herum gruppierte sich die Technik.
Vor nunmehr zehn Jahren war es freilich wieder still im Haus. Wolfgang Roloff war gestorben, und Bernd Steinwedel erlag einem Krebsleiden. Doch dieser Zustand währte nicht lange. Seit 2012 ist das Tonstudio Nord Bremen eine beliebte Anlaufstelle für Musiker kleiner Gruppierungen, für Einzelinterpreten und Jazzbands. Oliver Sroweleit hatte das Studio wiederentdeckt. Er ist ein Verfechter digitaler, aber eben auch noch analoger Technik. Mit Gregor Hennig, Pascal El Sauaf und Gunnar Maatz betreibt er gemeinsam als Team das Unternehmen. Ein Hauch von Nostalgie weht durch die im Inneren kaum veränderten Räume, steht man zum Beispiel vor der Kaffeemaschine von 1950, den Bildern aus den Anfängen des Studios oder neben den Bandmaschinen aus den 40er und 50er Jahren …

EM, Repro: Thomas Rosema