Der Bürger-Eid

Heimatgeschichte

Mitte des 14. Jahrhunderts (1365) kam es zu einem Aufstand gegen die Patrizier der Stadt Bremen. Bürger der Unterschicht und Handwerker protestierten gegen den Bremer Rat und gegen die Oberschicht. Daraufhin wurde der Bürger-Eid eingeführt, für alle Personen, die das Bürgerrecht erwerben wollten. Ohne diesen Eid war es nicht möglich, als Bürger anerkannt zu werden oder gar ein Amt in der Stadt zu erlangen. Das Ablegen des Eides wurde mit einer Urkunde bestätigt. Durch einen Vermerk im Bürgerbuch schrieb man den Hergang zusätzlich in den Akten fest.
Dieter-Heinrich Wischhusen aus Borgfeld weiß zu berichten, dass man ohne diesen Eid zum Beispiel keinen Meierbrief erwerben konnte. Er besitzt vier Urkunden dieser Art von seinen Vorfahren. Anfangs legten die Bürger sogar einen Huldigungs-Eid ab. Eine Huldigung war ein rituelles Treue-Versprechen gegenüber herrschenden Fürsten. Ein Lehnsmann verpflichtete sich dabei, seinem Lehnsherrn Gefolgschaft und Treue zu bewahren. Im Gegenzug sicherte der Lehnsherr seinem Vasallen ebenfalls Treue zu und darüber hinaus Schutz und Wahrung seiner Rechte. Der „hochedle“ und „hochweise“ Rat der Kaiserlichen Freien Reichsstadt Bremen sah sich anfangs wohl in einer ähnlichen Position. Arend Wischhusen huldigte im Jahr 1760 bei Gott, der Stadt treu, hold und gehorsam zu sein, ihr Bestes und Nutzen nach äußerstem Vermögen zu befördern, Schaden und Nachteil, soweit es an ihm ist, zu kehren, zu wenden und (davor) zu warnen. Und weiter: „Auch in Rath und That nicht seyn, darin wider wohlgemeldete Stadt, der Hochweisen Rath und Bürgerschaft gehandelt, gerathen oder gethan werden wollte, sollte oder könnte : sondern in allen Stücken mich dergestalt betragen und halten, wie es frommen und treuen Unterthanen eignet und gebühret.“
Auch Hinrich Wischhusen legte am November 1828 noch einen Huldigungs-Eid ab. Er verpflichtete sich zusätzlich, seinen öffentlichen Abgaben gewissenhaft nachzukommen und seine Pflichten als Wehrmann, so er denn der Bürgerwehr angehöre, getreulich zu erfüllen und Wehr und Waffen gut zu bewahren und zu erhalten. Dessen Sohn Johannes Wischhusen leistete 1851 einen Staatsbürger-Eid. Neben den nicht näher bezeichneten öffentlichen Abgaben verpflichtete er sich zur gewissenhaften Bezahlung von Schoss, Akzise und Consumtions-Abgabe. Der Schoss war eine Art von Vermögenssteuer (man findet das Wort heute noch unter „Vorschuss“ und „Zuschuss“ wieder), die Akzise eine Verbrauchs- und Binnenzollsteuer auf Getreide, Lebensmittel, Genussmittel, auch auf Vieh. Schließlich leistete auch Johann Hinrich Wischhusen am 4. Mai 1883 seinen Staatsbürger-Eid gegenüber der Freien Hanse-stadt Bremen als „Sohn des bremischen Staatsgenossen“ Johannes Wischhusen. Statt von einer Akzise ist hier bereits von einer Umsatzsteuer die Rede. Auf diesen drei Urkunden findet sich zusätzlich ein Vermerk über den Eintrag in das Bürgerbuch.
Anfangs wurde der „Gemeene Borger-Eed“ in Plattdeutsch geleistet. Das belegt eine andere Urkunde aus dem Jahr 1805: “Ick will dem Rahde gehorsam syn und nummermehr jegen den Rahd dohn, ock in allen Nöhden und Gefahr, so düsser goden Stadt nu und inkünfftig, vorstahn und begegnen mögen, dem Rahde, ock gemeener Stadt und Borgerschup, trouw und holdt syn; Ick will ock tho nehmen Uprohr Ohrsake geven, noch my dartho versellschoppen; Sondern wohr ick Uprohr, oder sonst einige Practiken ofte heimlike Anschläge, jegen düsse gode Stadt erfahre, will Ick dem Rahde trouwliken vermelden, und holden Tafeln und Boeck, mit der Nyen upgerichteden Eendracht, alse de de Rahd und gantze Meenheit beschwaren hebben; Ick will recht ziesen und schatten, ock recht consumeren, so lange solke Consumption, mit Belevung Eenes Ehrenvesten Rahds und der Borgerschup, im Gebruke blifft; Minem Hövetmanne und Rottmeister, ock anderen des Rahdes Befehlhebbern, geböhrliken Gehorsam leisten; und will also des Rahdes, und gemeener Stadt Beste wehren und befördern, dargegen öhren Schaden und Nahdehl wehren und affkehren, nah allem mynen Vermögen. Dit Gewehr, darmede Ick vor Enem Ehrenvesten Rahde erschiene, dat is mien egen, datsülve will Ick nicht verringern, sondern bestes mines Vermögens verbetern: So wahr helpe my Gott!”
Die Verpflichtung, den Bürger-Eid zu leisten, hielt sich recht lange. Sie wurde zwar am 26. Februar 1904 aufgehoben. Wer jedoch in die Bürgerschaft gewählt werden wollte oder einfach nur das Wahlrecht begehrte, musste ihn weiterhin ablegen. Das Gleiche galt für Beamte, Prediger, Rechtsanwälte und Notare. Erst am 18. Mai 1920 wurden die Bürger-Eide endgültig abgeschafft.

Text und Repro: Eberhard Matzke