Vom Tannenbaum zum Weihnachtsbaum

Bis aus einer Tanne ein wohlproportionierter Weihnachtsbaum wird, braucht es viele Jahre Pflege und Aufmerksamkeit. Seit 1995 bewirtschaftet der Diplomforstwirt Hanno Dehlwes erst im Nebenerwerb, seit 2004 im Vollerwerb die Hofstelle „Orthhof“ in Lilienthal-Feldhausen. Eines seiner Standbeine ist die Produktion von Weihnachtsbäumen.

Anfangs pflanzte er hofnah 7.000 Tannen, davon 1.000 Nordmanntannen. Das reichte, um Fehler zu machen, die man machen kann, sagt er heute mit seiner mehr als 20-jährigen Erfahrung. Weihnachtsbäume seien Zierpflanzen, im Forst aber, so der diplomierte Forstwirt, wolle man Holz produzieren. Aus diesen zwei unterschiedlichen Ansprüchen ergeben sich sehr unterschiedliche Anforderungen, die an einen Baum gestellt werden.
Heute baut Dehlwes zu 90 Prozent Nordmanntannen an, den nachgefragtesten Weihnachtsbaum Deutschlands. Die Vorteile der Nordmanntanne seien ihre gefälligste Form und Farbe und die Tatsache, dass sie nicht pikse. Zudem sei diese Tanne für den Boden pfleglicher als eine Fichte. Mit ihrer Pfahlwurzel wurzelt sie sehr tief und kann sich auch in trockenen Jahren noch gut mit Wasser versorgen. Ihre Nadelstreu geht zudem schneller in den Prozess der Bodenbildung ein. In Dehlwes‘ Schonung wurden bereits Blaukehlchen, Fitis, Goldammer sowie Braun- und Schwarzkehlchen gesichtet, insgesamt leben hier 20 Brutvogelarten. „Es ist ein lebendiger Lebensraum.“
Im Alter von drei Jahren kauft Hanno Dehlwes kleine acht bis zwölf Zentimeter hohe Bäume mit drei Trieben und pflanzt sie per Hand exakt in Reihe, größere Neukulturen werden vom Lohnunternehmen maschinell gesetzt. Sie brauchen dann vier Jahre, um eine Höhe von einem Meter zu erreichen. Im April, bevor die Knospen anfangen zu quellen und im Juli/August wird gedüngt. Die Frühjahrsdüngung fördert den Austrieb, die Sommerdüngung das Wurzelwachstum. Dehlwes düngt die Kulturen größerer Bäume mit einem Schleuderstreuer, die jungen Bäume versorgt er per Hand mit Dünger. Einsparungen im Bereich der Düngung führten zu Nährstoffmangel, sagt er. „Ich baue fast biomäßig an“, so der Forstwirt, „komme aber ganz ohne Pflanzenschutz nicht aus.“ Er habe Kulturen, die seit Jahren nicht gespritzt worden seien. Überwiegend entfernt er das Unkraut mechanisch. Das aber sei ein Kampf gegen Windmühlen. Zur Humusbildung lässt er den Mulch auf der Fläche verrotten. Ein weiter Pflanzverband und regelmäßige Kulturpflege lassen viel Licht in die Kulturen, sodass die Bäume gesund und kräftig heranwachsen können. Gleichzeitig fördert die umweltfreundliche Kulturpflege eine reichhaltige Insekten- und Vogelwelt.
Im Alter von fünf Jahren werden die ersten Tannen verkauft, eine Höhe von zwei Metern erreichen sie aber mit zehn Jahren. Bis dahin brauchen Tannenbäume viel Pflege und Aufmerksamkeit. Mehrmals im Jahr geht Hanno Dehlwes an jeden Baum. Mit dem Zweigregler zieht er Zweige in eine bestimmte Position, um Symmetrie zu erzeugen und dem Baum ein gefälliges, harmonisches Äußeres zu verleihen. Dreimal pro Jahr setzt er kreuzförmig an den Bäumen eine Top-Stop-Zange an, um chemiefrei den Neutrieb zu bremsen. Die durch die Zangeneinwirkung erzeugte Verletzung bremst den Saftstrom zum Neutrieb, dadurch fällt die Trieblänge kürzer aus und der Baum wächst fülliger. Auch bei der Bildung von zwei Spitzen greift er regulierend ein. Wird das Höhenwachstum gebremst, wird auch das Wachstum in die Breite durch Auskneifen der Knospen korrigiert. Mit den von ihm angewendeten Korrekturmaßnahmen versucht der Landwirt die Natur zu formen. „Ich fühle mich wie ein Bildhauer am lebenden Objekt.“ Regelmäßig kontrolliert Dehlwes seine Tannenbäume auf den Befall von Läusen. Stellt er den Befall mit der Tannentrieblaus fest, entfernt er sofort den Baum aus der Schonung. „Ein Tannenbaum ist keine Blume, die im Gewächshaus sechs Wochen wächst“, macht der Forstwirt deutlich, „in den mehr als zehn Jahren, die der Weihnachtsbaum in der Natur wächst, kann viel passieren wie Schädlingsbefall, Spätfröste, Trockenheit, Hagelschäden, durch Vögel abgebrochene Triebspitzen und vieles mehr.“
Daraus generiert sich auch der Preis. In diesem Jahr kostet der Meter Nordmanntanne 20 Euro. Nicht geeignet sei die Nordmanntanne, um sie im Topf zur Weihnachtszeit in das warme Wohnzimmer zu holen. Aufgrund ihrer Pfahlwurzel müssen beim Ausgraben zu viele Wurzelstränge gekappt werden. Seit Mitte November liefert Hanno Dehlwes die ersten Weihnachtsbäume aus. Der Ab-Hof-Verkauf mit Erlebnisfaktor beginnt ab dem ersten Advent und endet am 24. Dezember.

Text: Sabine v.d. Decken