Vogelschutz in Oberneuland

Gemeinsam für die Oberneulander Kiebitze

Naturschützer und Landwirt Heiner Lindemann kümmern sich um Nester und Küken der Wiesenvögel.

Für den Oberneulander Landwirt Heiner Lindemann ist kein Jahr wie das andere. In diesem Winter zeigten sich der Januar und Februar als sehr nasse Monate – im Gegensatz zum Vorjahr waren dann kalte Nächte und eine ausgeprägte Trockenheit im April bestimmend für die Vegetation seines Grünlands. Aufgrund der anhaltend guten Witterung hätte die erste Mahd in diesem Jahr bereits Anfang Mai angestanden … wären da nicht die zahlreichen schützenswerten Kiebitz-Gelege auf seinen Wiesen.
Ein erfolgreiches Projekt in Bremen und dem niedersächsischen Umland zeigt, dass Vogelschutz möglich ist, wenn Naturschützer und Landwirte zusammenarbeiten. Auf den Wiesen und Weiden, die die Stadt Bremen umgeben, haben Ökologen, Naturschützer und Landwirte es mit einem Wiesenvogel-Schutz-programm geschafft, die Zahl der Brutpaare in den letzten Jahren nicht nur zu stabilisieren, sondern sogar zu verdoppeln.
Innerhalb des Schutzprogramms kommen vielfältige, im Laufe der Jahre mit den Landwirten entwickelte Methoden zur Anwendung. Was genau gemacht wird, hängt von den Möglichkeiten der Landwirte und deren Bewirtschaftungsplänen, den jeweiligen Vogelarten und oftmals auch vom Wetter ab. Dabei stehen zunächst die Brutplätze im Vordergrund, denn diese müssen eine knapp vierwöchige Phase im Frühjahr unbeschadet überstehen. In genau dieser Periode wird jedoch auch eine intensive Wiesenpflege und die Düngung erledigt. Oftmals gibt es auf einer Wiese im April, also mitten in der Gelegephase, drei maschinelle Arbeitsgänge – Walzen, Striegeln, Düngen – von denen jeder einzelne den Verlust der vorhandenen Nester verursachen kann. Landwirte zerstören die Gelege natürlich nicht mutwillig. Die Brutplätze sind aber derart gut im Gras versteckt, dass sie vom Traktor aus nicht erkennbar sind.
Im Frühjahr herrscht deshalb Hochbetrieb auf den Acker- und Wiesenflächen in Oberneuland, Borgfeld und dem Blockland, denn nun sucht Projektleiter Arno Schoppenhorst mit seinem Team das Grünland sorgfältig nach Nestern ab. Wird ein Gelege gefunden, wird es mit hohen Bambusstöcken markiert. „Die Zusammenarbeit mit den Landwirten ist konstruktiv und für uns alle eine Herzensangelegenheit“, sagt Landschaftsökologe Schoppenhorst, der das Projekt zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und den Bauern entwickelt hat. Unterstützung erhält er zudem durch Rebekka Lemb von der Stiftung NordWest Natur. Für die Landwirte ist die Mitarbeit freiwillig und wenn sie für den Vogelschutz erst später mähen oder beweiden, wird ihnen dies vergütet. Das Projekt wird von der Europäischen Union finanziert, aber auch das Land Bremen und Spender leisten ihren Beitrag.
Erhebliche Schwierigkeiten bereitet zudem die stark zunehmende Trockenheit der Wiesen aufgrund des Klimawandels. Da die Kiebitze Nestflüchter sind und im Umfeld der Gelege aufgezogen werden, ist entscheidend, dass zum Schlüpfzeitpunkt günstige Nahrungsflächen mit feuchten Stellen und mit niedriger bis lückiger Vegetation vorhanden sind. Die Nahrung der Kiebitze besteht aus bodenbewohnenden Wirbellosen, v.a. Insektenlarven und Regenwürmern. Die sind besonders in feuchten bis nassen Böden anzutreffen.
So haben vor allem nicht flügge Jungvögel bei Trockenheit Probleme, genügend Nahrung zu finden und können verhungern, weil sich die Wirbellosen in tiefere Bodenschichten zurückziehen. Sowohl die Altvögel als auch die Brut benötigen unbedingt Wasserstellen. Im Gegensatz zu anderen Vögeln muss der Kiebitz regelmäßig Flüssigkeit aufnehmen, da er seine Nahrung sonst nicht verdauen kann.
Für Heiner Lindemann daher eine Selbstverständlichkeit, „seinen“ frisch geschlüpften Kiebitzen die besten Voraussetzungen für den Start in ein gesundes Wiesenvogelleben zu ermöglichen. Zweimal 14.000 Liter Wasser sind Mitte Mai nötig, um für die Vögel eine ausreichende Schlamm- und Wasserfläche zu schaffen. Etwa 35 Tage brauchen die Küken nun, bis sie flügge sind und die gefährlichste Zeit überstanden haben. Heiner Lindemann kann dann sein Grünland wie gewohnt und ohne Gefahr für die Kiebitze bestellen, die höchstwahrscheinlich im kommenden Jahr wieder an gleicher Stelle brüten werden, da sie ihrem Nistplatz sehr treu sind.

Text: Meike Müller, Foto: M. Joost