Spaziergang mit Kalb

Handzahmes Kalb auf Hof Lindemann

Kälber seien eigentlich nicht handzahm, sondern eher scheu und zurückhaltend, erklärte der Oberneulander Landwirt Heiner Lindemann.
Rubina, die letztes Jahr kurz vor Weihnachten in seinem Stall geboren wurde, hatte im Alter von einer Woche eine sehr starke Durchfallerkrankung und musste intensiv tierärztlich betreut werden.
Zehn Tage lang kümmerte sich die praktische Tierärztin Julia Schibilla um die „Holsteiner Rotbunte“. Sie wusch und föhnte das durch starken Durchfall geschwächte Tier in der Milchkammer von Heiner Lindemanns Stall, fütterte es mit der Flasche und verabreichte ihm manchmal zweimal pro Tag eine Infusion. Für Kälber sei es wichtig, dass sie in solch einem Zustand nicht nur von dem Muttertier betreut werden, so der Oberneulander Landwirt. „Als Mensch hätte Rubina auf der Intensivstation gelegen“, verdeutlichte er die ganze Tragweite des Zustands zwischen Leben und Tod, in dem das dreifarbige Kalb in der Zeit schwebte.
Für Julia Schibilla, die einen ganzheitlichen Ansatz in ihrer tierärztlichen Behandlung verfolgt, war es wichtig, das Kalb bei der Mutter zu belassen. Obwohl Rubina diese intensive Sonderbehandlung erfahren hat, bleibe sie trotzdem ein Nutztier, so der Landwirt. Für die junge Tierärztin haben Kühe aber zudem noch einen anderen Stellenwert und seien Tiere, um die man sich intensiv kümmern muss. Was möglich ist, werde für die Kühe getan. Das ist auch ganz in Heiner Lindemanns Sinne.
„Es ist mir ein Anliegen, dass sie nicht nur wie ein Wirtschaftsfaktor behandelt werden“, machte die mobile Tierärztin deutlich, die seit vielen Jahren die Tiere auf Lindemanns Hof behandelt. Daher ist Rubina auch nicht das einzige Kalb beziehungsweise Kuh, die handzahm ist. Die halbe Herde von Heiner Lindemann sei fast zahm, so die Tierärztin. Ihr macht es Freude, Tieren eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken und Respekt entgegenzubringen.
Im Frühjahr startete Julia Schibilla am Deich ihre Spaziergänge mit Kalb Rubina. In einem Alter von elf Monaten aber ist nun „klein und niedlich“ langsam vorbei. Das Kalb hat ihre Schulterhöhe erreicht und bringt mittlerweile 500 Kilogramm und viel Zutraulichkeit auf die Waage, die für die Tierärztin nur zu handeln sind, weil sie Auftrensen und Spaziergänge von klein auf mit Rubina geübt hat. Julia Schibilla startete die Spaziergänge mit Kalb, um zu zeigen, was mit einem Rind möglich ist. Sie brachte ihm bei, auf Handzeichen zu reagieren. Ganz klar aber in ihrer Beziehung ist die Rangordnung, die Tierärztin ist Chef. Trotzdem funktioniere diese Art von Dressur nicht mit jedem Kalb. Einen großen Anteil an der Zutraulichkeit Rubinas habe auch das Muttertier.
Spaziergänger, Fahrradfahrer und Reiter reagieren sehr erstaunt auf das ungewöhnliche Paar. Rubina hat mit Pferden ein geringeres Problem als umgekehrt. Auch vorbeifahrende Autos und Fahrräder wie auch Hunde nimmt sie gelassen.

Text und Fotos: Sabine v.d. Decken