Mühlenfeld: „Wir kämpfen gegen Windmühlen“

Anhörung vor dem Petitionsausschuss in der bremischen Bürgerschaft

Neben der eigentlichen Petition der Bürgerinitiative Pro Mühlenfeld e.V. stand im Zuge der Anhörung der Petenten, zu denen auch der Bürgerverein Oberneulands gehört, die Frage nach dem Umgang der Politiker mit den Bürgern im Fokus. Lars Hendrik Vogel fasste in seinem Schlussstatement die Situation so zusammen: „Wir kämpfen gegen Windmühlen – das Verhalten ist null demokratisch“.

Aber von Beginn an. Im Rahmen der Anhörung zu der öffentlichen Petition stellte Lars Hendrik Vogel als Vorsitzender der Bürgerinitiative in einer Präsentation vor, was der geplante Bebauungsplan für die beiden Felder vor der Oberneulander Mühle bedeuten würde. Mittels sehr eindrücklicher Skizzen wurden sowohl die geplanten Bauhöhen, als auch die Dimension der großen Gebäude dargestellt. Unterstützt wurde Vogel dabei von Dr. Christian Söhner, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins. Dieser stellte viele der „Knackpunkte“, wie die Entwässerung des Gebietes vor. Neben den Themen des stark anwachsenden Verkehrs und der fehlenden Infrastruktur wurde auch die zu erwartende Fällung von zahlreichen Bäumen wegen der Baumaßnahme oder als Folge des Ausbaus der Straßen erläutert.


Keine Reaktion der Behörde auf Einwände
In der Schlussfolie zeigten die beiden dann aber auf, dass sie nicht grundsätzlich gegen eine Bebauung votierten, jedoch in wesentlich vermindertem Maße – statt der geplanten 200 Wohneinheiten maximal 140. Außerdem bedauerten sie, dass der Bebauungsplan jetzt noch vor dem Ende der Legislaturperiode „durchgeboxt“ werden solle, auch gegen den Bürgerwillen. Im Laufe der Auslegungsfrist waren etwa 400 qualifizierte Einwände der Bürgerinnen und Bürger bei der senatorischen Dienststelle eingegangen. Auf alle diese hat die Behörde bisher nicht reagiert – auch dies wurde dargestellt und deutlich kritisiert.
In der streng festgelegten Redereihenfolge schloss sich die Beiratssprecherin Tamina Kreyenhop an. Sie beschrieb sachlich den Werdegang dieses Bauvorhabens. Begonnen habe ihrem Bericht zufolge alles mal mit 70 Wohneinheiten, dann ist die Zahl auf 200 angewachsen, beim nächsten Entwurf waren es sogar 300, um jetzt mit 200 beschlossen zu werden. Nach ihren Worten habe sich ein Fachbereich Stadtentwicklung bei den Planungen auch an die Umgebungsbebauung zu halten. Da sie wisse, dass in Bremen Wohnraum gebraucht werde und man sich in Oberneuland dem Wunsch danach nicht verschließen wolle, könnte man die 60 Wohneinheiten Differenz zwischen dem ausgelegten Plan und dem Wunsch der Bürgerinitiative auf dem bald zur Verfügung stehenden roha-Gelände bauen. Dessen Verfügbarkeit war zu dem Zeitpunkt, als der aktuelle Plan aufgelegt wurde, noch nicht bekannt. Insgesamt sollen in Oberneuland nach Planung der Behörde bis 2030 770 zusätzliche Wohneinheiten entstehen (lt. STEP Wohnbauplanung).
Bevor der Abteilungsleiter für Stadtplanung und Bauordnung Arend Bewernitz mit seinen Ausführungen beginnen konnte, musste er erst noch die Fragen des Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Claas Rohmeyer beantworten. Bereits im Jahr 2007 beim Aufstellungsbeschluss für das Gebiet seien Auflagen wie beispielsweise der Umgang mit Abwasser oder auch die Anbindung an den ÖPNV formuliert worden. Wie sei das Ressort damit umgegangen und auch die Frage, warum bisher keine Antwort auf die etwa 400 Einwände der Bürgerinnen und Bürger erfolgt seien, die im Zuge der Auslegung dieses aktuellen Bebauungsplanes abgegeben wurden.
Arend Bewernitz beschrieb in der Folge den gesamten formalen Ablauf eines solchen Bebauungsplanes und versicherte, dass die Beantwortung der Einwände so lange gedauert habe, weil man sich intensiv mit jedem einzelnen beschäftigt habe. Diese und auch andere Nachbesserungen (neues Verkehrsgutachten) seien jetzt in eine „Abwägungstabelle“ eingeflossen, die als Vorlage für die politische Entscheidung diene. Jedoch sei inzwischen klar, dass alle vorbereitenden Maßnahmen für eine Entscheidung in der Deputation, dem Senat und anschließend in der Bürgerschaft abgearbeitet worden seien und demnach einer Entschließung in der letzten Bürgerschaftssitzung dieser Legislatur im April nichts mehr im Wege stünde. Gefragt, ob dies „normal“ sei, entgegnete Bewernitz, dass der Vorgang ja bereits lange – seit 2007 in Bearbeitung sei – aber eine solche Beschleunigung der Entscheidungsfindung eher nicht dem Standard entspräche.
Professor Georg Skalecki als oberster Denkmalpfleger und -schützer Bremens schilderte nochmals die sehr späte Einbeziehung seines Amtes und die Probleme, die er mit den ersten vorliegenden Planungen gehabt habe. Inzwischen aber, nachdem die Pläne geändert worden waren als Ergebnis vieler langer Sitzungen, sei ein Kompromiss erzielt, den er zähneknirschend mitgehen könne. Sein Ziel sei es, die Umgebung von Denkmälern zu erhalten, wohlwissend, dass sich die Stadt verändern muss. Er würde es aber im konkreten Fall sehr begrüßen, wenn nachgebessert würde.
Danach war „Feuer frei“ für die Fragen der Mitglieder des Petitionsausschusses. Als erstes drückte Birgit Bergmann sehr deutlich ihr Missfallen gegenüber den Handlungen der Abteilung Stadtentwicklung aus. „400 fachliche Eingaben verschwinden im Nirvana. Da erkennt man, wie ernst die Bürger genommen werden,“ kommentierte Bergmann.
Auf die Rückfrage von Anja Schiemann, wie und wann der Beirat in die Planungen und Überlegungen der Behörde beteiligt wurde, beschrieb Tamina Kreyenhop nochmals deutlich die fortwährende Ignoranz auch den Einwendungen des Beirates gegenüber, oder auch die Tatsache, dass der Beirat entweder zu spät oder nicht offiziell informiert worden war.
Mustafa Öztürk lobte die Tatsache, dass sich die Petenten nicht grundsätzlich gegen eine Bebauung wehren würden, hob aber deutlich sein Unverständnis gegenüber dem Umgang mit den Bürgern hervor. Seiner Ansicht nach müsse der Bebauungsplan nach Auswertung und Eingabe aller Änderungen – aus dem neuen Verkehrsgutachten und den Eingaben der Bürger – neu im Beirat entschieden werden. „Wozu stimmt man denn sonst ab?“ war Öztürks Abschlussfrage. Noch eine Schippe oben drauf legte Olaf Zimmer – für ihn sei es gerade „irre“, was passiere und wie mit den Bürgerinitiativen umgegangen werde.


Ein Funken Hoffnung
Zum Abschluss der Anhörung im Petitionsausschuss, der nach interner Diskussion eine Empfehlung an die Bürgerschaft geben wird, hatten die Petenten Vogel und Dr. Söhner als Vertreter der Bürgerinitiative Pro Mühlenfeld e.V. die letzten Worte. Dr. Söhner drückte seine Freude darüber aus, dass man wieder ins Gespräch kommen könne, sei aber auch enttäuscht, dass keiner der Einwände Berücksichtigung gefunden habe.
Solange man die Abwägungstabelle nicht kenne – das Instrument der Stadtplanung zur Bewertung der Eingaben durch die Bürger – könne man nicht zufrieden sein. Lars Hendrik Vogel dankte dem Ausschuss für die Intensität der Befassung mit der Petition und den Funken Hoffnung, den er jetzt mitnehmen würde. Jedoch sei eine Entscheidung der Bürgerschaft Ende April für ihn der Beleg der „Null-Demokratie“.

Text und Foto: Christine Bornkeßel

Zum Foto:
Gespannte Atmosphäre herrschte vor der Anhörung im Petitionsausschuss im Wartebereich des Raums 2 in der Bremischen Bürgerschaft. In der Bildmitte Tamina Kreyenhop, die in ihrer Funktion als Beiratssprecherin Rederecht hatte, ebenso wie Lars Hendrik Vogel (links neben Kreyenhop) als Petent.