Katja Zerbst

Musik für Oberneuland

Seit 25 Jahren sorgt Katja Zerbst für den guten Ton in der Oberneulander Kirche – und sie hat das Glück, ihr Hobby zur Profession zu machen. Das spürt man.

Wenn Katja Zerbst von Musik spricht, ist sie in ihrem Element. Ganz besonders, wenn es um das weite Meer der Kirchenmusik geht. Ihre Stimme wird weich, ihre Augen leuchten und ganz fokussiert erzählt sie, wie Musik sie durch das Leben trägt. Schon als 16-Jährige hatte sie ihr erstes „Engagement“: eine halbe nebenamtliche Organistenstelle in der Nachbargemeinde ihres Wohnorts. Es war ihr Klavierlehrer, der als Kirchenmusiker die Orgel in der Kirchengemeinde von Bargteheide spielte und ihr Potenzial früh erkannte. Er nahm sie mit zu den Proben in der Kirche und hatte schnell einen Schatten an seiner Seite. „Ich war begeisterte Seitenumblätterin und später durfte ich die Register ziehen“, sagt sie lachend. Bei ihm sang sie auch erst im Kinder-, dann im Jugendchor und schließlich in der Kantorei. Mit der Orgel freundete sie sich schon mit 14 Jahren an und fast gleichzeitig reifte ihr Plan, ihrem Lehrer nachzueifern und selbst Kirchenmusikerin zu werden. Evangelische Kirchenmusik studierte sie dann auch in Hamburg und setzte das Konzertdiplom in Basel als i-Tüpfelchen auf die Ausbildung. In der Schweiz, das gibt sie gern zu, hätte sie auch bleiben können. Aber dort wäre sie im Repertoire ihres Könnens eingeschränkt gewesen.Nebenher arbeitete sie immer für eine Gemeinde, arbeitete an Opernprojekten mit und ließ sich immer weiter auf das Thema ein.

Als sie sich vor 25 Jahren in Oberneuland bewarb, wusste sie schon, dass sie hier ihre Leidenschaften besser ausleben können würde. „Ich besetze sehr gern Nischen, kombiniere Altes und Neues, Meditatives und Groovendes. Es ist unglaublich, was man mit zwölf Tönen alles machen kann“, vermittelt sie ihre Faszination. „Ich habe schnell verstanden, dass die Oberneulander mehr haben wollten, als eine Organistin, die die Gottesdienste begleitet“, sagt Katja Zerbst. „Hier gibt es schon in den Räumen eine ganze Menge Musik: eine tolle Orgel in der Kirche, der Flügel in der Kirche, ein Flügel im Gemeindesaal, einer im Chorraum und noch die Orgel aus den 60er Jahren in der Kapelle.“ Nicht zu vergessen all die Sänger der unterschiedlichen Chöre und die beiden Bläserensembles. „Einen Bläserchor habe ich sechs Jahre geleitet“, erinnert sie sich. In der Zeit habe sie viel über Bläserarbeit gelernt, besonders als Dirigentin. Als sie ihre Grenzen erkannte – als Nicht-Bläserin Nachwuchsarbeit anzuleiten – machte sie sich auf die Suche nach einem adäquaten Leiter des Ensembles.

Katja Zerbst gehört mit ihrer asymmetrischen Frisur zum Dorfbild von Oberneuland – zügigen Schrittes oder auf dem Fahrrad pendelt sie zwischen Zuhause, Bahnhof und Kirche. Ihre Arbeitswoche hat sechs Tage und rund ein Viertel der Arbeitszeit widmet sie der Ausbildung von nebenamtlichen Kirchenmusikern für die Bremer Landeskirche. „Sie ist eine unheimlich tolle Chorleiterin“, sagt eine Mutter, die in der Konfirmandenzeit ihres Sohnes zum Projektchor gestoßen ist. „Nach den Proben bin ich zufrieden und etwas selbstbewusster nach Hause gegangen.“ Heaven Bound – unter diesem Titel agiert dieser Projektchor, der sich derzeit freitags trifft und vielleicht am zweiten und vierten Advent im Gottesdienst auftritt. „Damit spreche ich die Gemeindemitglieder an, die zwar gern singen, aber nicht die Zeit finden, um sich regelmäßig zu verpflichten“, erklärt die Musikerin. Ganz anders das Vokalensemble terra nova. Da sind Sänger gefragt, die Chorerfahrung und eine geschulte Stimme haben. Mit ihnen lud sie in diesem Jahr zum Brahms-Requiem ein. Und die Kantorei leitet sie natürlich auch noch. Als Sopranisten, Dirigentin, Organistin bestreitet Katja Zerbst seit 25 Jahren viel mehr als „nur“ die musikalische Begleitung der Gottesdienste. „Kirchenmusik ist so ein weites Feld und ich möchte diese Bandbreite gern zeigen“, erklärt Katja Zerbst. In ihren Oberneuland-Konzerten zeigt sie genau das, mischt Literatur und Musik, lädt Solisten in die Kirche ein und schnürt so ein ausgewogenes Kultur-Paket für den Stadtteil.

Jetzt im Advent gibt es sonntags Musik im Kerzenschein, einen Fontane-Abend und unter dem Titel „Jauchzet Gott in allen Landen“ kommen die Sopranistin Hanna Thyssen und Stefan Ruf mit seiner Trompete. Wer sich diese Vielfalt anschaut, dem wird schnell klar, dass Katja Zerbst dieses Programm gar nicht in einer 38,5-Stunden-Woche bestreiten kann. „Stimmt“, sagt sie lachend – wenn Konzerte vorbereitet werden, parallel Proben laufen, hat die Stechuhr Schwierigkeiten. Auch nach 25 Jahren zeigt Katja Zerbst dennoch keine Abnutzungserscheinungen. Im Gegenteil: „Das kommende Jahr steht unter dem Begriff Wassermusik“, verrät sie und verspricht für die Gemeinde, den ein oder anderen Schatz aus dem Meer der Kirchenmusik zu heben.

Text: Antje Scheinert, Foto: Ev. Kirchengemeinde Oberneuland