Spalierbäume – Gut erzogen

Bäume im eigenen Garten sind eine feine Sache: grüne Kulisse, natürlicher Schattenspender, Symbol für das Wurzeln schlagen und so weiter. Allerdings werden die meisten auch von Natur aus irgendwann ganz schön groß, die Gärten aber tendenziell immer kleiner. Die Lösung: Spalierbäume. Doch die machen tatsächlich nicht nur auf Mikroneubaugrundstücken eine gute Figur, sind sie doch mehr als die platzsparende Version des begehrten Hausbaums. Ihren vielfältigen Einsatz im Garten erklärt Gartengestalter Torsten Koplin.

Wer über Spalierbäume spricht, muss über Erziehung sprechen. Konsequente Erziehung. Denn die ist es, die in jahrelanger Arbeit in der Baumschule aus einem „normalen“ Baum einen Spalierbaum macht. Dabei spielt der Einsatz von Rohrstöcken eine wesentliche Rolle. Oder wahlweise von Drähten, Holzlatten, Metallstangen. Jedenfalls braucht es ein stabiles Gerüst, um aus einer frei wachsenden Baumkrone ein in geordnete Bahnen gelenktes Spalier zu machen. Es gibt die Form vor, die die Baumkrone einmal haben soll, an seinen Streben werden die Leittriebe befestigt. „Während bei Formgehölzen die Baumkrone lediglich in die gewünschte Form geschnitten wird, greift der Gärtner bei der Entwicklung eines Spaliers konsequent in die Baumkrone ein, zwingt Triebe in die gewünschte Richtung und entfernt andere“, erklärt Gartengestalter Torsten Koplin.
In den hiesigen Gärten halten Spaliere seit einiger Zeit immer öfter Einzug, weil sie sowohl ästhetisch als auch funktional viele Vorteile haben.

Französische Erfindung
Ihren Ursprung hat diese Art der Pflanzengestaltung im Frankreich des 16. Jahrhunderts, und in dieser Zeit waren es immer Obstgehölze, deren Kronen dergestalt in Form gebracht wurden – kunstvoll vor Mauern aufgespannt ebenso wie frei stehend. Im Laufe der Zeit entwickelten sich die unterschiedlichsten Formen von Spalieren: gespreizt wie ein Handteller, Schirm oder Fächer, als rechteckiges breites Band, in einem oder auch mehreren U-Bögen oder wie ein Kerzenleuchter mit zwei senkrecht aufragenden Haupttrieben.
Heute sind es vor allem mehr oder weniger regelmäßige Rechtecke und Schirme und eher selten Obstgehölze, die Gartengestalter wie Torsten Koplin gern in Gärten einsetzen. Dafür gibt es vielfältige Gründe: „Der wichtigste ist sicherlich, dass die Grundstücke heute oft eher klein sind und damit für Bäume mit frei wachsender Krone keinen Platz bieten.“

Sichtblende
Doch Spalierbäume stillen nicht nur die Sehnsucht des Besitzers eines Gartens nach einem Hausbaum. Sie sind auch oft die Lösung eines seiner gravierendsten Probleme, das da heißt: mangelnde Privatsphäre. Schließlich liegen einige Gärten auch in dicht bebauten Gegenden, und das heißt: Die Nachbarschaft ist zahlreich und vor allem nah. Da reicht meist ein Gang in die erste Etage, um Nachbars Garten in voller Ausdehnung betrachten zu können. Rückzugsort? Fehlanzeige! „Spalierbäume können wir quasi als schwebende Hecke einsetzen“, beschreibt der Gartenexperte. „Wir verlängern also den Sichtschutz nach oben, sodass der Garten auch gegen Einblicke aus oberen Etagen abgeschirmt ist.“ Übrigens wirkt diese Art von Sichtschutz natürlich auch in umgekehrter Richtung, sorgt er doch dafür, dass Dinge aus der Umgebung, die einen Zaun überragen, hinter dieser grünen Sichtblende verschwinden.
Spalierbäume sind – back to the roots – im Übrigen ebenfalls eine charmante Möglichkeit, sich auch in seinem kleinen Garten eine eigene Apfel- oder Birnenernte zu sichern. Denn natürlich gibt es auch weiterhin Obstspaliere. Und noch ein Tipp vom Experten: „Im Moment gibt es vielversprechende Versuche, auch Beerensträucher als Spaliere zu erziehen, sodass sich die Fruchtauswahl demnächst deutlich erweitern könnte.“

Gliedern und begrenzen
Doch auch Gartenbesitzern mit mehr als ein paar Quadratmetern Grund können Spalierbäume eine Menge Freude bereiten. „Auf größeren Grundstücken gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten“, erklärt der Gartengestalter. „Natürlich ist auch hier Sichtschutz ein Thema. Außerdem kann man mit Spalierbäumen wunderbar Flächen gliedern, einzelne Gartenbereiche voneinander abgrenzen.“ Und hat man es mit schon parkähnlichen Anlagen zu tun, dann lassen sich mit Spalierbäumen wunderbare Effekte erzielen, wie sie schon die französischen Barockgärtner geliebt haben: In langen Reihen gepflanzt Sichtachsen schaffen, eine Art Tunneleffekt erzielen, der Blicke und Besucher quasi einsaugt.

Horizontal oder vertikal
Als schwebende Hecke und zur Gliederung kommen in der Regel Spalierbäume mit vertikal erzogener Krone zum Einsatz. Aber natürlich lässt sich mit den gleichen Methoden eine Baumkrone auch horizontal formen. Dann entsteht eine Schirmform, und die setzen Gestalter wie Torsten Koplin gern als natürlichen Schattenspender über Sitzplätzen ein: „Dadurch entsteht eine ganz besondere Atmosphäre. Die erreicht man mit keinem Sonnenschirm oder Segel.“
Genauso vielfältig wie ihre Einsatzmöglichkeiten sind auch die Gartenstile, in die sich Spalierbäume eingliedern lassen: Durch ihre von Menschenhand geformte Krone können sie wie grüne Skulpturen wirken, sind oft auch in geometrische Formen geschnitten. Das empfiehlt sie für moderne, geradlinige, architektonisch geprägte Gärten.
Lässt man der Baumkrone etwas mehr Spielraum, verändert sich auch der Charakter des Spalierbaums. Er wirkt weniger streng, weicher, naturnäher. Ein Sonnenschutz aus Schirmplatanen macht sich dann auch besonders gut über einem gekiesten Sitzplatz mit gemütlichen Holzmöbeln und damit in von Naturnähe und Genießertum geprägten Gärten. Und natürlich gibt es sie auch heute noch, die wunderbaren Obstspaliere, die sich oft vor wärmespendenden Wänden aufspannen und dort Bauerngartenatmosphäre verbreiten.

Bäume der Wahl
Natürlich hat nicht jeder Baum Talent zum Spalierbaum, aber doch erstaunlich viele. Neben den klassischen Obstgehölzen wie Apfel und Birne, aber auch Kirsche und Pfirsich, macht sich etwa auch die Felsenbirne mit ihren dekorativen kleinen Früchten gut als Spalier. Unter den Nicht-Obstgehölzen zählen Platanen und Linden zu den Klassikern der Spalierbäume, Hain- oder Rotbuche bringen ebenfalls spannende Akzente in den Garten, und Parrotia Persica (Persischer Eisenholzbaum) besticht mit fantastischer Herbstfärbung.
„Wichtig bei der Auswahl ist wie bei jeder Gartenpflanze, dass die Bedingungen vor Ort und die Ansprüche der Pflanzen zusammenpassen, also das, was der Fachmann eine standortgerechte Pflanzung nennt“, erinnert Torsten Koplin.

Nicht ohne Pflege
Spalierbäume brauchen regelmäßig Besuch vom Gärtner. Je nach gewünschter Anmutung sollte die Krone zwei-, bei sehr formeller Gestaltung auch dreimal jährlich geschnitten werden. Außerdem muss der Fachmann regelmäßig Triebe kappen beziehungsweise umleiten, damit die Krone die gewünschte Form behält. Doch das unterscheidet sie eigentlich nicht von anderen Bäumen oder auch Hecken: Sie alle brauchen regelmäßig fachkundige Zuwendung, damit sie auf Dauer schön bleiben.