Oberneulands Parks und Landsitze

Ende des 18. Jahrhunderts kommen Parkanlagen und Landsitze in Mode
Historische Parkanlagen und großzügige Landhäuser prägen bis heute Oberneuland als grünen Stadtteil. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts bauen wohlhabende Bremer Kaufleute großzügige Wohnsitze, die von kunstvoll gestalteten Gartenanlagen umgeben sind. Sie genossen die Vorzüge eines repräsentativen Landsitzes vor den Toren der Stadt.
Die flache Landschaft um das heutige Oberneuland und Bremen ist damals wie heute großräumig von Marschland, Moor und Geest umgeben und oft von Hochwasser bedroht. Dank der Hollerkolonisation und nach Jahrhunderten der Bestellung und Viehhaltung im historischen Goh Hollerland liegen Felder und Weiden oberhalb der Fleete, sie sind „oberes neues Land“. Wie sich zeigen wird: Auf den lang gezogenen Feldern entlang der Entwässerungsgräben lassen sich nicht nur befestigte Wohnsitze errichten, sondern auch Spazierwege, Parks und Seen anlegen.
Aus Äckern werden Landschaftsgärten
Im 18. Jahrhundert gehören die Ansiedlungen im heutigen Oberneuland und Rockwinkel noch lange nicht zu Bremen. Bauernhäuser und Nutzgebäude prägen die Dörfer. Das Gebäude des heutigen Klatte Hoffs hat seinen Ursprung im Jahr 1709. Wenig jünger ist das Gebäude der Gaststätte Meyer am Boom, an einer der beiden großen Straßen in der Gegend verkehrsgünstig gelegen, nahe der Kirche und so später auch nah am Bahnhof.
Der Lür-Kropp-Hof hat ebenfalls frühe Wurzeln aus dieser Zeit am heutigen Standort. Schon im 17. Jahrhundert kommt der Hof in den Besitz der Familie Kropp. Am Ende des 18. Jahrhunderts entsteht auch das Bauernhaus im Park des Guts Hodenberg.
Viel Fläche für große Häuser und Parks
In der Geschichte des Gartenbaus lösen die Englischen Landschaftsgärten die barocke Mode ab. Die Natur wird nicht länger mithilfe von perfekter und exakter Formkunst in zierliche kleine Ornamente eingeteilt. Im Landschaftsgarten darf die Natur wachsen, wenn auch kontrolliert. Der Landschaftsgarten braucht Fläche und Weite. Diese finden die reichen Bremer außerhalb der Stadtgrenzen im Nordosten ihrer trubeligen Hafenstadt.
Berühmte britische Landsitze wie Castle Howard oder Blenham Palace sind im 18. Jahrhundert Vorbild für die Englischen Landschaftsgärten in Kontinentaleuropa. Das von der Landwirtschaft genutzte Umland wird einbezogen. Hecken, Zäune und von Vieh bestandene Weiden weiten optisch den Blick. Mit dieser Mode entwickelt sich auch die Landschaftsarchitektur. In Anlehnung an die Adelssitze wird zusammen mit Schloss oder Herrenhaus auch das umgebende Parkgelände zur Repräsentation genutzt. Doch an die Stelle barock gestalteter Beete treten weitläufige grüne Gärten, in denen Bäume und Büsche neu arrangiert und idealisiert werden, aber dezenter gestutzt und gepflegt, wie man es heute unter dem Schlagwort „naturnah“ versteht. Zu dieser Zeit erhält die Natur auch in Kunst, Literatur und Musik als Gegenstand und als Vorbild einen viel größeren Raum. Das Reisen kommt in Mode, aus dem Ausland werden exotische Pflanzen und Landschaftsmalereien mitgebracht. Grundlage dieser Mode war selbstredend ein solider Wohlstand, den man dann auch gern nach außen zeigte.
Kaufmannsstolz und Repräsentation
Wohlhabend sind viele Bremer Kaufleute zu dieser Zeit. Seit Jahrhunderten kann die Stadt sich repräsentative Gebäude wie das Rathaus oder den Schütting leisten. Am Ende des 18. Jahrhunderts steigen die Bremer in den Transatlantikhandel mit den Vereinigten Staaten ein. Der wachsende Reichtum wird auch zur Verschönerung der Stadt genutzt. In dieser Zeit wird der Umbau der Wallanlagen in Auftrag gegeben, aus der ehemaligen Stadtbefestigung wird ein Park.
Ende des 18. Jahrhunderts wird Oberneuland von den Bremern neu entdeckt. Die Liste der Baudenkmale in Oberneuland enthält viele Landsitze, die in dieser Zeit ihren Ursprung haben. Viele Gebäude zitieren Elemente der damals modernen Stilrichtung des Klassizismus und Historismus. Weiße Fassaden und schlanke Säulen außen, reichhaltig verzierte Salons im Inneren, das alles ist Ausdruck der Wertschätzung von Kunst und Kultur. Man ist stolz auf die abendländischen Traditionen, in die man sich wie selbstverständlich einreiht.
Das Sommerhaus an der Rockwinkeler Landstraße vereint in seiner Fassade Fachwerk und weiße Säulen im antiken Stil. Das hanseatische Selbstbewusstsein präsentiert sich, indem es traditionelle Stilmittel zitiert und kopiert. Klassizismus und Historismus prägen auch viel später noch die Altbremer Häuser, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts als bürgerliche Baukultur in den wohlhabenden Stadtteilen zwischen Altstadt und Wümme entstehen.
Direkt an der Straße auf der Grenze vom Hodenberger Park steht das achteckige barocke Teehäuschen, ein Gartenpavillon. In der Mitte des 18. Jahrhunderts werden der Park Ichon und Heinekens Park mit dem Landgut Schumacher gebaut. Bis zum Jahr 1800 vervollständigen in Oberneuland das Landhaus mit dem heutigen Namen Caesar-Ichon und das neue Herrenhaus des Landguts Hodenberg die heutige Liste der Baudenkmale. Dazu zählen auch die Orangerie an der Rockwinkeler Landstraße und der Gartenpavillon Hohenkamp. Schließlich darf Hasses Park nicht unerwähnt bleiben, in dem die heutige Tobiasschule liegt und dessen hinten gelegener Teil noch im 18. Jahrhundert angelegt wird.
Heinekens Park und Höpkens Ruh
Der historische Heinekens Park beherbergt seitdem das Hofmeierhaus und drei steinerne Statuen, Nachbildungen dänischer Statuen, weil der damalige Besitzer zeitweise Gesandter in Dänemark war. Bevor er das neue Gutshaus errichten lässt, ist der umgebende Park ein Barockgarten mit Putten und Hecken. Als das Gelände im englischen Stil umgestaltet wird, bleibt das heute noch von der Oberneulander Landstraße aus sichtbare Heckenrondell bestehen.
Der wohl bekannteste Park in Oberneuland ist der Landschaftspark Höpkensruh, angelegt im Stil des Englischen Landschaftsgartens. Das Landesamt für Denkmalpflege nennt es auch Landgut Schultz – nach dem Initiator der Gartenanlage und ersten Besitzer. Mitte des 19. Jahrhunderts kauften die Bremer Brüder Höpken dann das Gut. Weit gezogene Wege eröffnen Blickachsen zwischen hohen alten Bäumen. Besucher haben Ausblicke nach rechts und links auf Wiesen, Felder und Kuhweiden. Nahtlos fügt sich der Park als Passage zwischen Stadt und Umland.
Auch uns modernen Menschen bieten die Parks zuverlässig die Ruhe und Erholung, die offensichtlich auch seine Erbauer und Besitzer an ihnen schätzten. Spaziergänger und Reiter nutzen den Park ebenso wie Freizeitsportler. Und Radfahrer passieren die Wege in Richtung Wümmedeich. Seen und Gräben lockern das ursprünglich ebene Gelände des Flachlands auf. Bänke, weiße Brücken und Erhebungen sorgen für Abwechslung beim Spazierengehen. Ohne Zweifel hat Oberneuland, wenn man aus der Stadt kommt, seinen ländlichen Charme noch nicht verloren.
Text: Frauke Blum, Foto: Jochen Mönch