Wissen um Rares
Wertschätzung von Kunst & Raritäten in Lilienthaler Kunststiftung
Bettina Jachens, Vorsitzende der Lilienthaler Kunststiftung, hatte mit solch einem Interesse an der Werteinschätzung von privater Kunst nicht gerechnet. Im Laufe der Veranstaltung mussten Nummern verteilt werden, ein Prozedere, das für die nächste Kunstexpertise im Truper Museum jetzt schon angedacht ist.
Es war nicht das erste Mal, dass die Lilienthaler Kunststiftung einlud, Kunstwerke gegen einen geringen Obolus von Expertinnen schätzen und einordnen zu lassen. Zum ersten Mal aber erfuhr die Expertise im Kunst-Café der Kunststiftung solch einen ungeahnten Andrang.
Schon lange vor der offiziellen Eröffnung pilgerten die Besitzer von Gemälden, Radierungen, Porzellan, Silber und Skulpturen mit ihren Kunstwerken in Richtung des alten Truper Küsterhauses. Dort standen sie Schlange und warteten darauf, ihre Schätzchen den Kunstexpertinnen Dr. Ulla Siegert und Christa Allen M.A. zeigen zu können. Deren langjährige Erfahrungen im Kunstmarkt und ihre akademische Ausbildung ermöglichten ihnen eine schnelle, fundierte Einschätzung, Einordnung und Datierung der vorgestellten Werke. Im Gegensatz zur bekannten Fernsehsendung aber hatten die beiden Kunsthistorikerinnen nicht die Möglichkeit, im Vorfeld umfassend zu den Kunstwerken zu recherchieren. „Wir springen hier komplett ins kalte Wasser“, sagte Ulla Siegert.
Viele kamen mit Erbstücken oder Dachboden- und Flohmarktfunden. Sie wollten mehr erfahren über Alter, Herkunft und Künstler. Nicht zuletzt interessierte die Besitzer aber auch, ob der Wert ihrer Kunstwerke die rein emotionale Wertschätzung überstieg. Ein Kunstliebhaber hatte 30 Bilder mit dabei, das konnten die beiden Expertinnen aufgrund des großen Andrangs nicht leisten, damit alle in der langen Schlange Wartenden auch zu ihrem Recht kamen.
Mit einem Erbstück und einem Flohmarktschatz kamen auch Monica und Stefan Röhr. „Lohnt es sich, das Bild restaurieren zu lassen?“, war die Frage, die sie vor allem bei dem geerbten kleinen Ölgemälde bewegte. Für die Wertschätzung des Lieblingsbildes von Stefan Röhr bräuchte es mehr Zeit, so Ulla Siegert und riet zum Besuch eines Auktionshauses. In jedem Fall aber lohne eine Restauration. Das großformatige, auf dem Flohmarkt erstandene Bild beschrieb Christa Allen als sehr dekorativ, konnte den Künstler aber nicht feststellen.
„So, dann wollen wir mal“, begrüßte Ulla Siegert den nächsten Kunstfreund, der mit seinem Bild an ihren Tisch trat. Wenig konnte der Besitzer über die Herkunft des Bildes berichten, umso aussichtsloser war es auf die Schnelle, anhand eines Monogramms statt einer Signatur den Namen des Malers ausfindig zu machen. An der Art des Pinselstrichs aber könne man erkennen, dass es sich um Malerei aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts handele. „Diese Art bezeichnet man als Postimpressionismus“, erklärte die Expertin. Sie riet dem Besitzer, sich über den Ort der Erwerbung dem Maler anzunähern und im Internet über Ort und Anfangsbuchstaben eine Verbindung zu finden.
„Wo ist das Schwein?“, fragte Helmut Meier, um darin seine Spende von fünf Euro für jedes begutachtete Kunstwerk zu stecken. Er war nicht mit hohen Erwartungen mit dem Blumenstillleben und einem Seestück in das Museums-Café gekommen, wollte einfach nur wissen, was er an der Wand hängen habe. „Ihr Bild wirft Fragen auf“, sagte Christa Allen. Sie fand nach ausgiebiger Recherche heraus, dass es sich nicht wie gedacht um ein Werk des Künstlers Sandrock aus dem 19., sondern um ein Ölgemälde des 20. Jahrhunderts handelte. Das änderte in der Wertschätzung alles. Um bei dem Verkauf über eBay keine falschen Angaben zu machen, ließ Marion Kühn einen figurativen Druck mit Signatur des französischen Grafikers Victor Vasarely aus dem Familienbesitz begutachten. Ulla Siegert zweifelte nicht an der Echtheit der Signatur. Trotzdem riet sie, Kontakt zu einer Galerie aufzunehmen.
Niemanden der gut 50 Kunstliebhaber hätten sie in die Realität zurückholen müssen, sagte Siegert. Alle seien mit recht realistischen Vorstellungen gekommen. Laut Bettina Jachens wird die Wertschätzung von Kunstgegenständen aufgrund des großen Interesses vermutlich einmal pro Jahr stattfinden.
Text und Foto: Sabine von der Decken