Hof Kaemena: „Das war unsere letzte Erdbeer- und Spargelsaison“

Nun gibt es doch keinen sanften Ausstieg von mehr als 40 Jahren Spargel- und Erdbeeranbau in Oberneuland, wie Hajo und Bea Kaemena es sich noch im Frühjahr vorgestellt hatten. Seit Anfang August ist klar: „Das war die letzte Erdbeer- und Spargelsaison auf Hof Kaemena.“

Ab 2025 gibt es keinen Spargel mehr vom Hof Kaemena und auch keine Verkaufsstände mehr. Die Entscheidung haben sie sich überhaupt nicht leicht gemacht, letztlich bestimmten aber wirtschaftliche Erwägungen ihre Entscheidung. Am Ende war es die Summe aus Wirtschaftlichkeit, Wetter und Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Erntehelfern, die Hajo und Bea Kaemena zu dieser Entscheidung veranlasste und sie die Notbremse ziehen ließ. Zudem sei die Betriebsübernahme durch die jüngere Generation nicht in Sicht.
Mit Abreise der letzten Erntehelfer fiel bei Bea und Hajo Kaemena die Entscheidung, den Anbau von Spargel und Erdbeeren ab sofort einzustellen.
Natalia und Damian, ein Pärchen, das seit sechs Jahren die Erntezeit in Oberneuland verbracht hat, planen den Hausbau in der polnischen Heimat und haben daher für nächstes Jahr abgesagt. Mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen um alle wichtigen Abläufe waren sie in den letzten Jahren die wichtigsten Arbeitskräfte auf dem Hof. Kaemenas freuen sich zumindest, dass die beiden so fair waren und sich frühzeitig gemeldet haben. Eine zuverlässige Ersatzlösung sehen sie allerdings nicht, daher nun das schnelle und auch für die beiden unerwartete Ende.
Erdbeerpflanzen für die neue Saison waren bereits bestellt und sollten Mitte August in die Erde gesetzt werden. Zu Kaemenas Glück konnte er die Bestellung im fünfstelligen Bereich stornieren. Schon in dieser Saison sei es sehr schwierig gewesen, Erntehelfer zu bekommen. Von ursprünglich acht Saisonkräften musste Hajo Kaemena die Feld-, Sortier- und Erntearbeiten mit sechs polnischen Saisonkräften bewältigen. „Es war problematisch, die Ernte zu schaffen“, sagt der 55-jährige Landwirt über die sehr anstrengende Saison. Die Möglichkeit für die Saison 2025, statt polnischer Erntehelfer Kräfte aus Rumänien einzustellen und neu einzuarbeiten, war für Kaemena mit zu vielen Problemen verbunden und daher keine Option. Und dann war da das Wetter, das ihnen in den letzten Jahren Schwierigkeiten machte und den Verdienst trotz einer 70-Stunden-Arbeitswoche kräftig minimierte. „2022 und 2023 war die Ernte wegen Hitze und Dürre katastrophal.“ Das Risiko von wetterbedingten Missernten und fehlenden Saisonarbeitern wollen sie nicht mehr eingehen. Ihren Kindern können sie nicht mit gutem Gewissen raten, ihre gut bezahlten Jobs aufzugeben, den Hof zu übernehmen und in der Landwirtschaft zu arbeiten. „Dazu gehört ganz viel Leidenschaft, Mut und Optimismus.“
„Das hat unser ganzes Leben bestimmt“, sagt der Oberneulander Landwirt mit ein wenig Wehmut. Es sei ein echter Einschnitt, aber sie seien froh, kein Risiko mehr eingehen zu müssen. Er und Ehefrau Bea freuen sich auf die Veränderung, die deutlich ruhiger wird.

So geht es weiter
Die Hände in den Schoß legen aber wird Kaemena nicht. Immer hätten sie sich den aktuellen Gegebenheiten angepasst und immer seien sie kreativ gewesen. Geplant ist, das vor fünf Jahren auf Hof Kaemena ins Leben gerufene Artenschutzprojekt „Kaemena blüht“ weiter auszubauen. Auf drei Hektar legte Hajo Kaemena Biotope für Wildbienen mithilfe von Blühpatenschaften an. Für seine Leistung im Bereich Artenschutz und sein Fachwissen im Bereich Wildbienen, das er sich im Laufe der Jahre aneignete, stellte ihm der Diplom-Biologe und Wildbienenexperte Rolf Witt ein sehr gutes Zeugnis aus und er hat den 1. Platz beim Beebetter-Award für den Wildbienenschutz des Burda-Verlages in der Kategorie Landwirtschaft bekommen. Sein Wissen und Können möchte Kaemena gerne weitergeben und denkt für seine Zukunft in Richtung weiterer Arten- und Umweltschutzprogramme. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) führt zu einer Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen in der EU und wird sukzessive für die meisten Unternehmen verpflichtend. Hierin sieht Kaemena eine Chance für seine bislang landwirtschaftlich genutzten Flächen. Firmen können mit einer richtig angelegten Blühfläche wichtige Pluspunkte für den Nachhaltigkeitsbericht sammeln. Er stehe aber auch beratend für Projekte auf unternehmenseigenen Flächen und für deren Umsetzung zur Verfügung. Als Berater für Artenschutz von Wildbienen könne er das Oberneulander Blühprojekt auch an andere Orte „transportieren“. Ziel seiner Bestrebungen ist es, Arten in der Region zu schützen und ihnen einen Lebensraum zu schaffen, um damit die Nachhaltigkeit von Firmen zu verbessern. „Honigbienen auf Hallendächer zu stellen ist kein Artenschutz, das kann man besser machen.“ Bislang ist Hajo Kaemena noch in der Startphase, führte aber bereits einige interessante Gespräche.
Die Flächenbearbeitung der zehn Blühflächen des Blühprojekts wird Hajo Kaemena zukünftig ohne Unterstützung von Saisonkräften bewältigen. Aufgrund von viel Handarbeit füllt das Wildwiesenprojekt seine Arbeitstage ziemlich aus. Durch die Aufgabe von Erdbeer- und Spargelanbau habe er auch mehr Zeit für Führungen über den Blühpfad.
Auf den aktuell nicht mit Erdbeeren bepflanzten Flächen wird Hajo Kaemena Getreide anbauen. Als kleiner Hof sei das aber kein Betriebszweig, mit dem viel verdient werden könne. Der Spargel, den er noch hat, wird er jetzt nicht mehr düngen, sondern unterpflügen. „Das ist nicht schön, aber auch nicht zu ändern. Versuche von Kollegen, den Spargel von Kunden selbst ernten zu lassen, waren nicht unbedingt erfolgreich.“ Seine Verkaufsstandorte in Oberneuland und Borgfeld sind ein begehrter Markt. Er hofft auf Übernahme durch Hof Wichmann aus Bassum. Wohncontainer, Schälmaschine und Kühltechnik braucht er jetzt nicht mehr und stehen zum Verkauf. In seinem Garten aber wird er ein paar Reihen seiner besonderen Erdbeersorten für den Eigenverbrauch anpflanzen.
2025 können noch einmal und damit zum letzten Mal Erdbeeren direkt auf dem Feld gepflückt werden. Aber danach ist auch damit Schluss und man geht in eine neue Richtung.

Text: Sabine von der Decken, Foto: privat