Blühpatenprojekt: „Kaemena blüht“

Seltene artengeschützte Wildbiene durch Blühwiesenprojekt wieder angesiedelt.

Nachhaltigkeit und bedrohte Wildbienen sind Hajo Kaemena ein besonderes Anliegen. Aus diesem Grund entwickelte der Oberneulander Landwirt das Blühpatenprojekt „Kaemena blüht“, in dem mittlerweile mehr als 400 Paten Verantwortung für Umwelt und Biodiversität übernehmen. Drei Hektar nahm er aus der konventionellen landwirtschaftlichen Nutzung seines Betriebs heraus und wandelte sie mithilfe der wissenschaftlichen Beratung durch den Wildbienenexperten Rolf Witt in Lebensräume für bedrohte Insekten um.
Hajo Kaemenas einziger Antrieb beim Anlegen von Lebensräumen für Wildbienen ist Artenerhalt und der Wunsch, zur Biodiversität beizutragen. Honig erntet er nicht ein Gramm. Denn einzig und allein durch ihre Bestäubungsleistung bestechen Wildbienen.
Für den einen ist es einfach nur eine Hummel oder eine Biene, für Rolf Witt aber ist das Vorkommen der „Gelben Schornsteinwespe“ ein großer Erfolg. Denn mehr als 20 Jahre wurde diese Art nicht mehr in der Region gefunden. „Scheinbar haben wir das richtige Nahrungsangebot gefunden“, freut sich Kaemena über den Erfolg. Mit der Schaffung von Lebensräumen und einem speziell auf die Bedürfnisse der Wildbienen ausgerichteten Nahrungsangebot hat der Oberneulander Landwirt es geschafft, dass sich diese Art hier durchaus wieder wohlfühlen kann.
Artenschutz ist Herzenssache für Hajo Kaemena, aber auf wissenschaftlicher Basis. Aus diesem Grund hat er den Oldenburger Wildbienenexperten Rolf Witt für sein Projekt mit ins Boot geholt. Seit fünf Jahren beobachten Kaemena und Witt genau, welche Wildbienenarten auf Hof Kaemena siedeln und fördern diese mit einem speziellen Nahrungs- und Nisthilfenangebot in ihrer Entwicklung. Teil des „Wildbienen-Wohlfühlprogramms“ ist Regio-Saatgut für das norddeutsche Tiefland mit Hornklee, Schafgarbe, Glockenblume, Habichtskraut, Kuckuckslichtnelke und vielen anderen regionalen Kräutern. Das mit eher unspektakulären Blüten ausgestattete Nahrungsspektrum ist speziell auf den Bedarf der Wildbienen abgestimmt, aber umso unverzichtbarer für diese Insekten. „Bedrohte Wildbienen nutzen keine Sonnenblumen“, sagt Hajo Kaemena und räumt mit dem Irrglauben über üppig blühende Wildblumenwiesen zugunsten von Bienen auf. Herkömmliche Blühmischungen seien für bedrohte Arten praktisch wertlos, so der Landwirt.
„Insekten können ohne den Menschen überleben, der Mensch aber nicht ohne die Insekten“, weiß Hajo Kaemena. Es sei nicht die eine Art, deren Aussterben das Ökosystem bedrohe. Sie sei aber ein Rädchen im Gesamtsystem.
Laut des Forschungsinstituts Biologischer Landbau FiBL zeigen aktuelle Untersuchungen, dass Wildbienen und andere Insekten bei der Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen eine entscheidende Rolle spielen. So übernehmen natürliche Bestäuberinnen wie Wildbienen den Großteil der Bestäubungsleistung; im Gegensatz dazu erbrachte die Honigbienenpopulation in Großbritannien höchstens ein Drittel, der Rest ging auf das Konto der wilden Bestäuberinnen. Ohne Insekten gebe es keine Landwirtschaft, da 75 Prozent aller Nutzpflanzen die Bestäubung von Insekten brauchen.


Nachhaltigkeit zum Anfassen
Infotafeln mit Beschreibung der Arten und deren Ansprüchen säumen den Blühpfad auf dem Hof im Gustav-Brandes-Weg 19 mit Wildwiesen, Totholz und Sanddünen, denn das Blühprojekt hat durchaus Erklärungsbedarf. Im Gegensatz zu Artenschutzprojekten in fernen Ländern aber liegt dieses Projekt direkt vor der Haustür. Hier können die Fortschritte, das Wachsen, Blühen und die herumschwirrenden Arten bei einem Spaziergang oder einer Führung direkt in Augenschein genommen werden. „Das sieht aber wild und ungepflegt aus“, kann da schon mal der Kommentar des einen oder anderen Blühpaten beim Anblick der für die Wildbienen angelegten Flächen lauten. Grund dafür ist, dass sich die Nahrungs-Spezialisierung der Wildbienen auf eher kleine, unscheinbar blühende Kräuter richtet. Und so blüht die ausgesäte Kräutermischung auf den Oberneulander Flächen weder bunt noch üppig, sondern eher hanseatisch zurückhaltend, deshalb aber nicht weniger effektiv.
Im Rahmen der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung bietet Kaemena die Möglichkeit, für Unternehmen bei der Anlage von Wildwiesenflächen auf firmeneigenem Gelände beratend tätig zu sein. Für die Unternehmen, die auf ihren „Golfrasen“ vor dem Haus aber nicht verzichten möchten, biete sich die Option, Artenschutzflächen auf Hof Kaemena für den Nachweis zum Nachhaltigkeitsbericht in Anspruch zu nehmen.
„Man kann unheimlich viel falsch machen“, weiß Kaemena. Sein Wissen verdankt er der wissenschaftlichen Begleitung seines Projekts durch den Wildbienenexperten Rolf Witt. In der Region ist Hajo Kaemena der Einzige, dessen Blühflächen mit fachwissenschaftlicher Begleitung blühen. Finanziert wird das von ihm ins Leben gerufene kostenintensive Projekt „Kaemena blüht“ ausschließlich aus privaten und Firmenblühpatenschaften. Denn eine staatliche Förderung oder Subvention gibt es nicht. Und es ist arbeitsaufwendig. Denn Kaemena lässt Flächen nicht nur brach liegen, sondern bereitet sie mit aufwendiger Bodenbearbeitung auf die Bedürfnisse der Insekten vor. Händisch entfernt er Arten, die überhandnehmen, um aus Ackerflächen wieder Biotope werden zu lassen. Von anderen Projekten unterscheidet sich das Oberneulander Blühprojekt auch durch seine Langfristigkeit.
Die größte Patenschaft hat schon seit Jahren die Bremische Volksbank übernommen und trägt damit zur Langfristigkeit bei. Vier Jahre lang bot Hajo Kaemena von ihm gebaute Lehmsteilwände als Nisthilfe an. Erst jetzt hat die als gefährdet geltende Art der gelben Schornsteinwespe die Nisthilfen für sich entdeckt.
Als einen weiteren Erfolg seiner Bemühungen um den Artenschutz kann Kaemena den Gewinn des Beebetter-Awards, der alljährlich vom Burda Verlag ausgelobt wird, für sich verzeichnen. Dabei war die dauerhafte Beratung durch den Fachmann ausschlaggebend für den Erhalt des Preises.

Tipps
Witt legt nicht nur viel Wert auf die richtige Bepflanzung, sondern auch auf das Vorhandensein von Nisthilfen zur Überwinterung. Denn auch hierbei kann man sehr viel falsch machen. Insektenhotels aus dem Baumarkt oder nach Anleitungen aus dem Internet gebaut erfüllen nicht die Bedürfnisse von Insekten. „Von den 580 existierenden Wildbienen kann keine einzige etwas mit Tannenzapfen anfangen“, sagt Kaemena, der sich im Laufe der Jahre viel Wissen aneignete. Beim Bau von Insektennisthilfen rät er zu Informationen von NABU und BUND. Im Sinne eines insektenfreundlichen Gartens empfiehlt er, erst im Frühjahr Sträucher, Büsche und Stauden zu schneiden.
Text: Sabine von der Decken, Fotos: Sabine von der Decken/Hajo Kaemena

Blühpfad auf dem Kaemena-Hof im Gustav-Brandes-Weg 19, 28355 Bremen
www.kaemena-blueht.de