Steine handgemacht

Klinker im Garten
Fassaden aus Klinker stehen in der allgemeinen Wahrnehmung vor allem für Durchschnittlichkeit. Dabei ist Klinker, wenn man sich einmal mit ihm beschäftigt, ein wirklich faszinierendes Material – auch für den Garten.
Mit Klinkern ist es ein wenig wie mit Bier: Es braucht nur ganz wenige und immer gleiche Zutaten, aus denen dann kundige Menschen ein jeweils einzigartiges Produkt entstehen lassen. Dabei spielt Regionalität immer eine große Rolle: Beim Bier ist es das Brauwasser, beim Klinker der verwendete Ton, der meist aus der Region kommt und dafür sorgt, dass genau diese Sorte nur genau hier hergestellt werden kann. Und die Liste der Parallelen ließe sich noch weiter fortsetzen: von der jahrtausendealten Tradition über die Natürlichkeit bis hin zum Einfluss auf die regionale Kultur. Und doch gibt es auch einen wesentlichen Unterschied: Bier ist – auch dank teurer Marketingumtriebe – ein extrem emotionales Produkt.
Hinschauen lohnt
Und Klinker? Scheint erst einmal nach purer Funktionalität zu klingen! Es sei denn, man unterhält sich mit Menschen, die regelmäßig mit diesem Material arbeiten, wie zum Beispiel Gartengestalter Malte Leucht aus Stuhr. Ihn fasziniert das Material: „Klinker ist unglaublich vielfältig und damit auch breit einsetzbar“, schwärmt der Fachmann. Und doch sollte man ihn im Garten immer wohldosiert einsetzen, denn er ist sehr charakteristisch. Und gerade wenn das Haus schon eine Klinkerfassade hat, ist im Garten Zurückhaltung angesagt, damit sich die Steine optisch nicht in die Quere kommen.
Dabei bringt Klinker lauter gute Eigenschaften mit. Malte Leucht verwendet das Material gern, unter anderem wegen seiner Beständigkeit. So gibt es in Norddeutschland, aber etwa auch in den Niederlanden oder in Dänemark Straßen und Wege, die vor Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten mit Klinkern gepflastert wurden und die bis heute vollkommen intakt sind.
Unzählige Sorten
An ihnen lässt sich dann auch gleich eine weitere Eigenschaft des Klinkers ablesen, die Leucht sehr schätzt: Klinker altern schön, entwickeln über die Jahre und Jahrzehnte Charakter und Patina.
Allerdings ist das nicht bei allen Klinkern gleichermaßen der Fall, und deshalb ist es an dieser Stelle Zeit für ein bisschen Materialkunde: Klinker ist eine spezielle Form des Ziegelsteins, seine Grundzutaten sind Tonerde und Wasser, die vermischt, getrocknet und dann bei 1.100 bis 1.300 Grad Celsius gebrannt werden. Durch die hohen Temperaturen versintern einige der im Ton enthaltenen Mineralien, das heißt, sie verbinden und verfestigen sich, ohne zu schmelzen. Dabei reduziert sich der Porenanteil, sodass ein extrem dichtes und damit haltbares Material entsteht.
Bei dem Wort Klinker denken wohl die meisten Menschen zunächst einmal an Steine in Rottönen, aber der Gartenexperte erläutert: „Es wäre schade, das Material auf dieses Farbspektrum zu reduzieren. Es gibt noch so viel mehr Farben, aber auch bei den Rottönen unendlich viele Nuancen.“ Derzeit sind nach seiner Erfahrung vor allem Klinker in Anthrazit und Dunkelbraun gefragt: „Man sieht das bei Fassaden, aber auch in den Gärten. Diese anthrazitfarbenen Klinker können sehr modern und architektonisch wirken. Da zeigt sich, wie vielfältig und wandlungsfähig dieses Material ist.“
Die unterschiedlichen Farbigkeiten hängen mit von der mineralischen Zusammensetzung des verwendeten Tons ab, können aber auch über sogenannte Zuschläge, also Beimischungen in der Ziegelmasse, und die Art des Brandes beeinflusst werden.
Unikate und Massenware
Zur Klinker-Materialkunde gehört auch, sich die Fertigung der Steine einmal näher anzuschauen. Die Favoriten von Malte Leucht sind eindeutig die nicht industriell gefertigten Exemplare: „Da ist jeder ein Unikat mit kleinen Einschlüssen, Ausblühungen oder winzigen Rillen auf der Oberfläche“, erklärt das Mitglied der Gärtner von Eden. „Diese Steine sind nicht perfekt, und genau das ist es, was sie so gut aussehen lässt.“
Im Gegensatz dazu sehen industriell gefertigte Steine einer wie der andere aus. Auch das kann seinen Reiz haben, gerade wenn man Wert auf klare Strukturen und ein Erscheinungsbild legt, das sich auch nach Jahren nicht großartig verändert. Dank industrieller Fertigung haben sich Klinker auch längst vom regionalen zum überall gleichermaßen verfügbaren Baustoff entwickelt. Kamen Klinker traditionell vor allem dort zum Einsatz, wo es keine regionalen Natursteinvorkommen gibt, findet man sie heute längst in jedem Baustoffhandel.
Zum lebendigen Erscheinungsbild der handgefertigten Klinker trägt auch bei, dass ihre Kanten nicht abgeflacht – also nicht gefast sind, wie das im Fachjargon heißt. Nachteil: Diese Kanten sind recht empfindlich, hier können sich schon einmal kleinere Absplitterungen ergeben. Doch genau das schätzt der Gartenexperte: „Für mich bekommt ein Klinker dadurch noch mehr Charakter.“ Und der Lebensdauer tut dies keinen Abbruch.
Langlebig und zeitlos
Malte Leucht hält außerdem ihre Zeitlosigkeit für eine besonders positive Eigenschaft von Klinkern. „Das ist ein Baumaterial, das schon in der Antike eingesetzt wurde. Das ist, wenn man es stilsicher verwendet, auch heute absolut zeitgemäß.“
Grundsätzlich eignen sich Klinker für alle Verwendungszwecke, für die man auch Natur- oder Betonstein einsetzen würde, also vor allem Wege, Terrassen, Einfahrten oder auch Mauern. Klinker unterscheiden sich aber in einem wesentlichen Punkt von anderen Steinen für den Garten: im Format. Natur- oder auch Betonsteinplatten sind in ihrer Größe nahezu unbegrenzt variierbar. Klinker dagegen ist immer eher kleinteilig. Zwar schwanken die Formate je nach Hersteller und Herkunft, sie bleiben aber immer im Bereich des klassischen Ziegelsteins: um die zehn Zentimeter hoch, zwischen 20 und 25 Zentimeter lang, Sonderanfertigungen kommen schon einmal auf bis zu 60 Zentimeter Länge, ohne aber höher zu werden – ein elegantes, steinernes Band. Diese relative Beschränkung bei den Formaten führt dazu, dass das Fugenbild bei der Arbeit mit Klinker eine wichtige Rolle spielt: Es prägt das Erscheinungsbild der geklinkerten Fläche ähnlich wie der Stein selbst.
Vielfältig einsetzbar Klinker machen sich hervorragend als Wegebelag – gerade in eher naturnahen Gärten wirkt die Kleinteiligkeit attraktiv, und eine gewisse Unebenheit kann hier Teil des ästhetischen Prinzips werden. Wachsen dann von rechts und links noch ein paar vorwitzige Bodendecker in den Weg hinein, ist die Landidylle perfekt.
Doch Klinker muss gar nicht als Solist eingesetzt werden. Der Gartengestalter schätzt ihn vor allem, weil er sich so wunderbar kombinieren lässt – als Einfassung für Natursteinpflaster, beim Sichtschutz mit Holzelementen oder auch beim Bau einer Stützmauer mit einer Bekrönung aus Naturstein. Und auch hier bietet sich wieder der Vergleich mit dem Bier an: Es kann pur ein Genuss sein, macht sich aber auch hervorragend in den unterschiedlichsten Kombinationen.