Trend Feierabendgarten

Späte Gartenfreuden

Ein Garten ist nur etwas für Menschen mit viel Tagesfreizeit? Weit gefehlt. Der Trend geht zum Feierabendgarten. Hier erklärt ein Gartenprofi, wie man auch mit Vollzeitjob ganz entspannt in den Genuss eines Gartens kommen kann.

Blickt man in die Historie, ist der Garten immer ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen vom höfischen Gartenpomp bis zur Arbeitersiedlung mit Nutzgarten. Und im 21. Jahrhundert? Da ist der Garten natürlich längst demokratisiert und globalisiert, erlaubt ist, was gefällt, mach- und finanzierbar ist. Und dennoch: Ein Blick über die Gartenzäune des Landes sagt eine Menge über die Lebenswirklichkeit der Menschen aus. So lassen sich dort sowohl das immer knapper werdende innerstädtische Raumangebot als auch die wiedererwachte Liebe zum selbst Angebauten ablesen. Oder auch, dass die meisten Menschen immer weniger Zeit haben, ihren Garten zu pflegen. Das heißt allerdings nicht, dass es hinter Hecken und Sichtschutzelementen wild vor sich hin wuchert. Vielmehr ist Pflegeleichtigkeit das Gartenwort des Jahrzehnts. Das kann Gartengestalter Torsten Koplin aus Stuhr nur bestätigen und erklärt diesen Wunsch aller Wünsche an den Garten so: „Die Menschen werden in ihrem Job sehr gefordert und wünschen sich als Ausgleich einen Garten, der wenig Ansprüche an sie stellt.“ Der Gartenprofi spricht aus Erfahrung. Mit seinem Betrieb Leucht Gärten hat er sich auf Planung, Anlage und Pflege individueller Privatgärten spezialisiert, weiß also, was Gartenbesitzer bewegt.

Doch geht es dabei, dem Gartenbesitzer von heute sein grünes Refugium auf den Leib zu schneidern, bei Weitem nicht nur um das absolute Zeitbudget, das der in den Garten investieren will und kann, sondern auch um das Wie und vor allem Wann der Gartennutzung. Wer eine (Um)Gestaltung seines Gartens plant, sollte sich also vor allem darüber Gedanken machen, was er jenseits der Terrassentür so alles machen möchte und zu welcher Tageszeit.

Später länger draußen

Gerade letzterer Punkt klingt zunächst ein wenig seltsam, denn wer an Gartenleben denkt, hat wahrscheinlich ganz automatisch von strahlendem Sonnenschein illuminierte Bilder im Kopf. Diese Postkartenidylle siedelt das Gartenleben klischeehaft irgendwo zwischen zehn Uhr morgens und dem späten Nachmittag an. „In der realen Welt ist das aber der Zeitabschnitt, in dem der überwiegende Teil der Gartenbesitzer heutzutage gar nicht zu Hause, sondern am Arbeitsplatz ist“, bringt es der Experte auf den Punkt „Und das bedeutet: Viele Gartenbesitzer kommen zumindest unter der Woche erst ab dem späten Nachmittag dazu, ihren Garten zu nutzen.“ Dieses Später-in-den-Garten-Gehen heißt aber glücklicherweise nicht, dass die absoluten Nutzungszeiten schrumpfen. Vielmehr verlagert sich das Gartenleben zunehmend in die Abend- und Nachtstunden. „Es gibt definitiv eine Entwicklung hin zum Feierabendgarten“, diagnostiziert auch Torsten Koplin. „Wer spät nach Hause kommt, braucht in Sachen Gartengenuss keinerlei Abstriche zu machen. Voraussetzung ist allerdings eine feinfühlige Planung. Und tatsächlich sind die Bereiche, in denen sich ein solcher After-Work-Garten von einem „normalen“ Garten abhebt, vielfältig.“

Weniger gießen, mehr genießen

In Sachen Pflegeaufwand allerdings halten sich die Unterschiede in Grenzen, denn der Wunsch nach einem Garten, der wenig Arbeit macht, ist generell weit verbreitet. Aber natürlich gilt insbesondere für Vollzeit-Berufstätige, dass das Zeit- und Energiekontingent für Gartenarbeiten limitiert ist. Allerdings gibt Torsten Koplin zu bedenken, dass Gartenarbeit ja auch durchaus entspannende Wirkung haben kann: „Dieser direkte Umgang mit der Natur bildet doch einen wunderbaren Gegenpol zur Arbeit im Büro, und am Ende sieht man, was man mit seinen eigenen Händen geschafft hat.“

Bei der Sitzplatzplanung für die Abendstunden gibt es nach Erfahrung des Gartenexperten zweierlei zu beachten: „Zum einen rückt die Hauptterrasse bei einer verstärkten Nutzung in den Abendstunden noch mehr in den Fokus, weil Geselligkeit und gemeinsames Essen auch in großer Runde dann besonders beliebt sind. Zum anderen sollte man, wenn es das Grundstück irgend hergibt, unbedingt einen zweiten Sitzplatz in der Abendsonne anlegen.“ Je nach Größe und individuellen Wünschen lässt sich da zu zweit der Sundowner genießen oder auch der große Freundeskreis nach dem Essen versammeln. Der Gartenprofi empfiehlt, diesen Abendsitzplatz vor einer Mauer zu platzieren, die die Sonnenwärme speichert. Ist er dann noch überdacht, steht einer Gartennutzung bis tief in die Nacht oder sogar bei Regen nichts mehr im Wege.

Eng verknüpft mit speziell auf die Abendnutzung ausgerichteten Sitzplätzen ist auch die Frage nach deren Möblierung. „Wer gern nach Feierabend im Garten sitzt und isst, freut sich in der Regel auch, wenn er die Essenszubereitung in den Garten verlegen kann. Deshalb sind Außenküchen auch gerade einer der Gartentrends schlechthin“, weiß Andreas Leucht, der zusammen mit seinem Sohn Malte und Torsten Koplin das Landschaftsunternehmen Leucht Gärten führt, aus Erfahrung. „Geht es um gesellige Runden zu später Stunde, sind Loungemöbel eine tolle Möglichkeit, die Gemütlichkeit des Wohnzimmers nach draußen zu verlagern. Und wer dann noch einen Kamin oder zumindest eine Feuerschale hat, braucht auch keine Angst mehr zu haben, dass es ihm spätabends im Garten zu kalt wird.“

Nachtaktive Pflanzen

Auch die Bepflanzung eines Gartens lässt sich auf eine überwiegend abendliche Nutzung abstimmen, und das, ohne dass man auf Blütenvielfalt verzichten müsste. „Bei den Farben sollte man allerdings berücksichtigen, dass kräftige Töne in der Dämmerung an Strahlkraft verlieren“, gibt Torsten Koplin zu bedenken. „Pastellige hingegen fangen jetzt an zu leuchten.“ Außerdem gibt es Pflanzen, die ihre Blüten erst bei einsetzender Dunkelheit entfalten. Manche Gewächse haben sich auch auf Nachtfalter als Bestäuber spezialisiert und locken diese nicht nur mit ihren hellen Blüten, sondern auch mit intensivem Duft an. Davon profitiert natürlich auch der Mensch. 

Und noch ein Profitipp: „Bei schwindendem Licht ergeben zum Beispiel auch Gräser ein schönes Bild, da sie nicht so kompakt sind und man lange einzelne Strukturen erkennen kann.“

Erhellende Planung

Gut geplantes Licht gehört in jeden Garten, aber gerade wenn es darum geht, den Garten in den Abendstunden nutzbar und attraktiv zu machen, ist es ein Muss. Dazu gehören funktionale Elemente, die für Sichtbarkeit und Sicherheit sorgen genauso wie indirekte Stimmungsbeleuchtung. „Mit geschickt platzierten Lichtquellen lässt sich ein nächtlicher Garten in einen nahezu magischen Ort verwandeln“, verspricht Torsten Koplin. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Menschen, die sich abends im Garten aufhalten. „Viele genießen ihren nächtlichen Garten auch gern vom Wohnzimmer aus, doch das geht nur, wenn die Beleuchtung stimmt.“

Also, ob im Haus oder draußen: Wer feinfühlig plant, hat auch mit Vollzeitjob alle Chancen auf ganz viel Gartengenuss.