Vom Land in die Stadt

Weideaustrieb von Oberneulander Bremerland Kühen im Bürgerpark
Bella, Emma, Heike, Lea, Susanne und Laura waren die Ersten aus Jürgen Drewes’ Stall, die in diesem Jahr Urlaub im Bürgerpark machten. Und sie waren die einzigen Kühe, die Teil eines öffentlichen Weideaustriebs waren. Denn aufgrund der Gefahr von Maul- und Klauenseuche wie auch der Blauzungenkrankheit waren die Landwirte in diesem Jahr vorsichtig und sahen von großen Menschenaufläufen ab.
Zum fünften Mal brachte der Oberneulander Landwirt Jürgen Drewes seine Kühe für die Weidesaison in die Stadt. In direkter Sichtachse zum Bremer Dom stehen nun bis zum 1. Oktober, wenn die Abschlusspflegemaßnahmen der Wiesen beginnen, die sechs trächtigen Kühe und genießen das saftige Grün vor der Meierei. Sie folgen damit einer alten Tradition. Denn der 1159 von Erzbischof Hartwig I. ausgestellte Weidebrief bescheinigte Bremern den Besitz der Bürgerweide und beurkundete „das Weiderecht für alle Einwohner Bremens, Durchreisende, Geistliche und Laien, Arme und Reiche.“ In den besten Zeiten grasten auf der 450 Hektar großen „Bürgerviehweide“ 800 bis 1000 Kühe. Mit der Urbanisierung reduzierte sich der Viehaustrieb. 1860 waren es gerade noch 154 Stück Vieh. Die ländliche Bewirtschaftung der Weide nahm beständig ab, bis sie 1864 eingestellt wurde. Früher galt die Meierei als wichtiger Milchlieferant für die Bremer Bevölkerung und hatte eine eigene Käserei. Konzipiert als Mustermilchwirtschaft wurden ihre Milchprodukte auch außer Haus geliefert. Traditionell weideten die Kühe der Meierei auf der Meierei-Weide und gehörten zum Bürgerpark. Durch die Beweidung wird seit einigen Jahren die alte Tradition, die ursprüngliche Bestimmung und das Bremer Recht fortgeführt und aufrechterhalten. Für alle Beteiligten ist die Beweidung eine Win-win-Situation. Für den Bürgerpark ist es optische Aufwertung, Weidepflege und Traditionserhalt. Die Landwirtschaft profitiert vom positiven Image und für Jürgen Drewes bedeutet die Sommerfrische seiner Kühe eine gewisse Arbeitserleichterung.
Bremerland-Landwirt Jürgen Drewes ist ein Verfechter der Weidehaltung und hofft durch die Beweidung der Meiereiwiese auf großes öffentliches Interesse an Landwirtschaft durch die Verbraucher. „Hier kann man beobachten, wie Wiederkäuer Gras verwerten, daraus Milch und Fleisch produzieren und mit ihrem Dung für Biodiversität sorgen.“ Besser könne man Verbrauchern den ökologischen Kreislauf eigentlich nicht nahebringen. Am Tag des Weideaustriebs konnten die Besucher vor der Meierei Milch der zwölf Bremerland-Landwirte probieren und an Gewinnspielen teilnehmen. Um die Regionalität der Bremerland-Milch, die ausschließlich von Bremer Landwirten stammt, weiter zu befördern, so Christiane Ramdohr-Meyer von VRM-Agentur, seien sie in diesem Jahr bei verschiedensten Veranstaltungen präsent.
Harald Rasch, Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer Bremen, nutzte den Weideaustrieb, um Bremens landwirtschaftliche Betriebe vorzustellen. Und auch Jan Fries, Staatsrat bei der Senatorin für Umwelt, Klimaschutz und Wissenschaft, besuchte den Weideaustrieb. Das Schöne am Weideaustrieb sei, so Fries, dass Landwirtschaft durch die Beweidung für Bremer anfassbar werde.
Bis kurz vor der Kalbezeit bleiben die tragenden Kühe auf der Meiereiwiese und verschönern das städtische Grün. Dann findet ein Wechsel statt und die nächste Gruppe werdender Mütter oder Trockensteher ziehen um in die Stadt. Nur möglich ist die Sommerfrische in der Stadt, weil trächtige Kühe und Trockensteher nicht zweimal täglich gemolken werden müssen. Regelmäßig kontrolliert der Oberneulander Landwirt seine Kühe im Bürgerpark wie auch die Mitarbeiter des Bürgerparks immer ein Auge auf die Tiere haben. Eine Überraschung in Form einer Geburt wird es im Bürgerpark nicht geben, denn rechtzeitig vor dem errechneten Kalbetermin geht es für die Mutterkühe zurück in ihren Stall auf Hof Drewes.

Text und Foto: Sabine v.d. Decken