Neue Baumschutzverordnung in Bremen

Zwischen Baumschutz und Bürgerrechten – Politiker fordern mehr Augenmaß
40 Zentimeter weniger retten seit Anfang Juni in Bremen einen Laubbaum vor einer möglichen Fällung, bei Nadelhölzern sind es sogar 220 Zentimeter. Vor Inkrafttreten der neuen Baumschutzverordnung für Bremen lag die Grenze für das Abholzen bei Laubbäumen bei 120 Zentimetern und bei Nadelbäumen sogar bei 300 Zentimetern. Das neue Maß wird immer in einem Meter Höhe des jeweiligen Baumes im Umfang genommen. Dass Bäume wichtig für ein gesundes Klima sind, ist nicht neu. Bäume filtern die Luft, binden CO2 und sind Lebensraum für Tiere. Sie spenden Schatten und schaffen kühle Orte an Hitzetagen. Insbesondere in Städten sind das wichtige Eigenschaften – so die Argumentation der Umweltdeputation zu dieser neuen Regelung.
Dazu die Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft, Kathrin Moosdorf: „Bäume sind gut für uns Menschen, für die Natur und für unsere ganze Stadt. Deswegen ist es mir eine besondere Freude, dass wir mit der neuen Verordnung künftig deutlich mehr Bäume schützen. Gleichzeitig berücksichtigt die Verordnung, dass wir mehr Tempo brauchen, um bezahlbaren Wohnraum für unsere Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Beides auszutarieren, war nicht leicht. Gelungen ist eine Baumschutzverordnung, die nun Klimaschutz, Gesundheitsschutz, Bauen in der Stadt und Lebensqualität zusammenbringt.“
Die neue Regelung soll dazu beitragen, dass mehr junge Gehölze geschützt werden und so zu großen Stadtbäumen heranwachsen können. Je größer und älter ein Baum ist, desto wertvoller ist er für Städte wie Bremen. Große Bäume binden sehr viel CO2 und sie kühlen ihre Umgebung deutlich spürbar. Einen nochmals erhöhten Schutz erhalten Bäume in Alleen. Diese sind bereits mit einem Stammumfang von 50 Zentimetern durch die neue Verordnung geschützt.
Insgesamt stehen also deutlich mehr Bäume in der Stadt Bremen unter Schutz. Diese dürfen nur in bestimmten Fällen und nur mit einer Genehmigung gefällt oder in sonstiger Weise beschnitten und damit geschädigt werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Baum nicht mehr standsicher ist oder wenn ein genehmigtes Bauvorhaben verwirklicht werden soll. Die Baumschutzverordnung regelt in solchen Fällen, dass grundsätzlich mindestens ein Ersatzbaum gepflanzt werden muss. In Ausnahmefällen ist es auch möglich, eine Ersatzzahlung zu leisten.
Die Baumschutzverordnung bringt darüber hinaus Verfahrenserleichterungen mit sich. So muss die Naturschutzbehörde zwar über den Baumbestand auf einem Baufeld informiert werden und gegebenenfalls die Fällung von geschützten Bäumen genehmigen. Eine zusätzliche und arbeitsintensive „Baumbestandsbescheinigung“ entfällt künftig jedoch.
Mehr Tempo für Genehmigungsverfahren bringt auch eine sogenannte Genehmigungsfiktion. Demnach gelten alle vollständig eingereichten Anträge für das Fällen eines geschützten Baumes als genehmigt, die älter als sechs Wochen und noch nicht beschieden sind. Fristenregelungen erlauben, dass Bauvorhaben, deren Planaufstellung bereits eingeleitet wurde, weiterhin nach der alten Baumschutzverordnung zu behandeln sind. Dies sichert den Bauträgern Verlässlichkeit, Vorhaben werden nicht verzögert.
Was aber bedeutet diese neue Verordnung für einen Stadtteil wie Oberneuland, der sich durch seinen enormen und vor allem alten Baumbestand deutlich von anderen Stadtteilen abhebt? Beispielsweise bei den Planungen der neuen Zufahrt zum Wohnpark 2, die durch die Franz-Schütte-Allee geschaffen werden soll. Allee-Bäume stehen unter einem besonderen Schutz; hier ist bereits ein Stammumfang von 50 Zentimetern entscheidend. Kommt hier die Ausnahmeregelung einer Ersatzzahlung in Frage?
Stimmen von Politikern des Stadtteiles:
Petra Penning, CDU
Vorsitzende des Ausschusses Stadtteilentwicklung, Umwelt, Mobilität und Landwirtschaft
„Die von der Umweltdeputation verabschiedete Novelle der Baumschutzverordnung misst leider mit zweierlei Maß. Der private Gartenbesitzer darf künftig ohne behördliche Genehmigung keinen Baum mehr fällen oder beschneiden, der einen größeren Stammumfang als 80 Zentimeter (gemessen in einem Meter Höhe) hat. Bei städtischen Bauvorhaben sieht die neue Baumschutzverordnung a priori Ausnahmen vor, dann nämlich, wenn ein genehmigtes Bauvorhaben verwirklicht werden soll. Im Fall des geplanten neuen „Wohnparks Oberneuland“ bedeutet das, dass unsere schöne, in Bremen einmalige Franz-Schütte-Allee nicht geschützt wäre, auch wenn die Baumschutzverordnung Bäume in Alleen grundsätzlich unter einen höheren Schutz stellt (Stammumfang ab 50 Zentimetern).
Daher freue ich mich, dass es auf Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion vor Befassung in der Stadtbürgerschaft noch eine Expertenanhörung geben soll, die hoffenlich dazu beiträgt, Ungleichgewichte auszubügeln. Denn eines sollte es nicht geben: Gängelei im Privatgarten und großzügige Ausnahmeregelungen, wenn der Senat neue städtische Wohngebiete realisieren will.“
Dr. Stefan Kraß, Bündnis 90/Die Grünen
Mitglied im Beirat Oberneuland
Fachausschuss: Stadtteilentwicklung, Umwelt, Mobilität und Landwirtschaft
„Der alte Baumbestand prägt das Erscheinungsbild Oberneulands und verleiht dem Stadtteil seinen besonderen Charakter. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass das Wohnen hier als naturnah empfunden wird. Doch Bäume sind nicht nur schön anzusehen – sie bieten Lebensraum und Nahrung für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten und spielen eine wichtige Rolle für das Stadtklima.
Der Schutz und – wo sinnvoll – auch die Erweiterung des Baumbestands in Oberneuland und ganz Bremen sollten daher zentrale Ziele der Bremer Umweltpolitik sein. Mit der neuen Baumschutzverordnung ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt gelungen: Bäume mit einem Stammumfang ab 80 Zentimetern stehen nun unter besonderem Schutz.
Gerade bei sehr alten Bäumen ist der Ersatz im Falle eines Verlustes kaum kurzfristig möglich. Ein Laubbaum mit einem Umfang von 80 Zentimetern hat in der Regel bereits 40 bis 60 Jahre Wachstum hinter sich. Diese wertvolle Zeit darf nicht durch vermeidbare Fällungen zunichte gemacht werden. Auch in 50 Jahren soll Oberneuland seinen grünen Charakter bewahren können.
Gleichzeitig lässt auch die neue Verordnung Ausnahmen zu – etwa bei Bauvorhaben – sofern entsprechende Ersatzpflanzungen erfolgen. Das zeigt: Der Schutz der Bäume ist kein starres Verbot, sondern ein ausgewogener Ansatz, der sowohl ökologische als auch städtebauliche Interessen berücksichtigt.“
Uwe Bornkeßel, FDP
stellv. Beiratssprecher
„Mit der neuen Baumschutzverordnung verfolgt das Land Bremen das nachvollziehbare Ziel, den bestehenden Baumbestand zu sichern und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Doch hinter diesem ambitionierten Vorhaben verbirgt sich ein erheblicher Eingriff in die Eigentumsrechte privater Grundstücksbesitzer – und das birgt politische und juristische Brisanz.
In Oberneuland und möglicherweise anderen Stadtteilen herrscht unter Eigentümern zunehmend die Sorge, dass sie in Zukunft durch starre Auflagen, Ausgleichszahlungen oder kostspielige Ersatzpflanzungen in der Nutzung ihres Eigentums massiv eingeschränkt werden. Der rechtliche Grundsatz des Eigentumsschutzes – fest verankert im Grundgesetz – darf jedoch nicht leichtfertig durch ordnungspolitische Maßnahmen ausgehebelt werden.
Die aktuelle Unsicherheit führt bereits jetzt dazu, dass manche Eigentümer darüber nachdenken, vorsorglich Fakten zu schaffen und Bäume zu fällen, solange dies noch nicht unter die neue Regelung fällt. Damit wird die Verordnung – die eigentlich dem Schutz der Natur dienen soll – ausgerechnet zum Auslöser für das Gegenteil.
Besonders bedenklich: Während Alleebäume offiziell „besonders geschützt“ sein sollen, dürfen sie dennoch entfernt werden, wenn es dem Interesse der Stadtentwicklung dient. Dass insbesondere solche Fällungen mit Ausgleichszahlungen oder Ersatzpflanzungen abgegolten werden sollen, klingt pragmatisch – wirkt aber aus Sicht vieler Bürger beliebig und widersprüchlich.
Umso wichtiger ist es, dass Ausgleichszahlungen nicht irgendwo im städtischen Haushalt versickern, sondern zweckgebunden vor Ort eingesetzt werden – etwa für die Pflege und den aktiven Schutz des vorhandenen Baumbestands im jeweiligen Stadtteil. Konkret fordern wir: Diese Mittel sind dort zu investieren, wo die Bäume gefällt sind – etwa in Oberneuland – und dort in die Pflege der öffentlichen Grünflächen und Straßenbäume zu stecken. Ersatzpflanzungen hingegen sollten gezielt in den vielen Oberneulander Parks vorgenommen werden, um den Charakter des Stadtteils zu erhalten.
Als FDP-Beiratsmitglieder und Oberneulander fordern wir eine kluge Stadtteilentwicklung, die ökologische Verantwortung mit rechtlicher Verhältnismäßigkeit und bürgerschaftlichem Vertrauen verbindet.“
Zum Foto:
In einem Meter Höhe gemessen darf künftig nur noch der Baum gefällt werden, der nicht mehr als 80 Zentimeter Umfang hat – also dieser ganz sicher nicht – oder eben nur mit definierten Ausnahmen. Text und Foto: Christine Bornkessel