Hammelsprünge

Vorbild Vierbeiner


Lernen ist gut. Lernen von anderen ist besser. Lernen von anderen Hunden ist am besten. Wenn es noch etwas Besseres als am besten gäbe, würde ich sagen: Am bessersten ist es, von unserer Hündin zu lernen. Ich bin kurz davor, Hundekurse anzubieten. Die funktionieren aber nicht wie Hunde-schulen. Nein, bei meiner Hundestunde würde es ausschließlich darum gehen, zu verstehen, warum die süßen Vierbeiner was, wann, wie, wo, wie oft tun oder lassen. Ziel einer Hammelhundestunde wäre es, vieles von dem, was zum Alltag unserer lieben Hündin gehört, je nach Vorliebe vorzumachen oder nachzumachen.
Nun, wie komme ich zu dieser Idee?
Ganz einfach. Ich habe mich intensiv mit JellyBelly beschäftigt und festgestellt, dass es mir, wenn ich mich hier und da wie sie verhalten würde, insgesamt besser gehen würde. Apropos Würde. Mit Würde hat manches nicht zu tun.
Es begann damit, dass Jelly sich während des Spaziergangs zum Deich im trockenen Sand gewälzt hat. Sie fühlte sich pudelwohl – und das als Border Collie. Niemand war in Sicht. Ich legte mich auf den Boden und tat es ihr gleich. Es war ein angenehmes Gefühl, das ich so noch gar nicht kannte. Sonst guckte ich sie beim Wälzen an. In diesem Augenblick war es umgekehrt. Ich weiß nicht, was sie gedacht hat. Ich weiß auch nicht, was das jüngere Pärchen gedacht hat, das aus dem Nichts auftauchte. Vermutlich hatte ich mich sehr lange Zeit im Sand geaalt. Toll! Geaalt, als Hammel, man, das war gut. Auch ein bisschen peinlich. Aber schon nach dem fünften Wälzen war es mir gar nicht mehr unangenehm. Das Fremdschämen der anderen war mir egal. Haha.
Ein Beispiel: Von Jelly habe ich gelernt, dass eine konsequente Passivität (früher nannte ich es Dickkopf) Menschen dazu bringt, anders zu handeln, als wenn man angestrengt dagegenhält. Wir waren zu dritt in der Redaktion. Es ging darum, wer genau was erledigen muss. Dann kam mir
Jelly in den Sinn, wie sie im Garten steht und wir sie zurückrufen. Sie steht minutenlang (das ist nicht übertrieben) auf dem Rasen, guckt uns an und reagiert durch Nichtreagieren. Nur gucken. Nichts tun, nicht reden. Nicht mit dem Schwanz wedeln. Kein Ohr bewegen. Nicht schnuppern.
Genauso habe ich es in der Redaktion gemacht. Die beiden Kollegen waren ähnlich ratlos wie Regina und ich, wenn wir Jelly bitten, ins Wohnzimmer zu kommen.
Die Kollegen in der Redaktion redeten, ich nicht. Am Ende haben sie sich zu zweit um alles gekümmert, was wir zu dritt hätten erledigen sollen. Hihi. Anderes Beispiel: JellyBelly liegt sehr gerne auf unserem kleinen Balkon im ersten Stock. Dort beobachtet sie Nachbars Garten, die vorbeispazierenden Leute, Autos, Vögel, Eichhörnchen, andere Hunde. Ich lege mich da jetzt auch gerne mal hin, also wenn Jelly gerade woanders im Haus liegt/sitzt/steht. Toll. Einfach rausgucken und hin und wieder mal schnuppern. Das ist interessanter als die meisten Fernseh-
programme, die ich kenne … und erholsamer … und lehrreicher.
Noch ein Beispiel: Jelly ist eine sehr freundliche Hündin. Sie freut sich wie blöde, wenn andere Menschen auf sie zukommen und springt an ihnen hoch. Das habe ich mir abgeguckt. Unsere engsten Freunde reagierten positiv auf mein Anspringen und Abschlecken. Kann aber sein, dass meine Frau intensive Vorarbeit geleistet hat. Fremde Menschen, denen wir bei Spaziergängen im Grünen begegnen, sind da anders drauf. Manche stießen mich weg. Manche brüllten mich an. Manche schüttelten den Kopf – meinen Kopf. Manche drehten sich weg. Es war herrlich.
Nächstes Beispiel: Hypnotisieren. Jelly schafft es, uns so lange anzustarren, bis wir mit einem großen Leckerli rüberrücken, einem sehr großen Leckerli, einer knusprig knackigen Dreißig-Minuten-Kaustange. Ich habe das bei meiner Frau auch mal versucht, sie minutenlang angestarrt und dabei kaum hörbar gefiept. Und ich hatte Erfolg. Sie belohnte mich nicht mit Bier, nicht mit Schokolade und nicht mit Chips, sondern mit einer knusprig knackigen Dreißig-Minuten-Kaustange. CHAKA.
Weitere Beispiele? Null problemo. Von Jelly habe ich gelernt, hündisch fiepend zu weinen, wenn jemand den Raum/die Wohnung/das Restaurant/das Haus verlassen möchte, ein Zeichen tierischer Trauer. Tatsächlich ist es mir so bereits dreimal gelungen, Freunde zu überreden, doch noch ein Stündchen länger in der Gaststätte zu bleiben. Außerdem habe ich eine Eigenschaft aus dem Leben unserer JellyBelly in mein Repertoire aufgenommen, das mich noch entspannter wirken lässt: Ich lasse beim Schlafen auf dem Wohnzimmersessel meine Zunge aus dem Maul/Mund hängen.
Meine Frau ist der Auffassung, dass Jelly sich das bei mir abgeguckt hat. Aber, ganz ehrlich, das kann ich mir nicht vorstellen. Am Ende schnarcht unsere Hündin auch nur, weil sie es mir abgeguckt hat. Lächerlich.
Vor wenigen Tagen habe ich etwas Neues aus dem Verhaltensrepertoire unseres Vierbeiners übernommen. Wenn es an der Haustür klingelt, dann laufe ich aufgeregt hin und her und belle. WAU WAU. Herrlich.
Neuerdings lungere ich am Tisch. Im Restaurant. Bei den Nachbarn. Das gefällt mir auch sehr gut. Ich bin allerdings der Einzige, der dem was abgewinnen kann.
Um Jelly noch besser zu verstehen, habe ich jetzt mit ihr bei den Spaziergängen die Rollen getauscht. Nicht ich gehe mit ihr an der Langlaufleine, sondern sie geht mit mir Gassi. Für Nichthundemenschen klingt das beknackt. Aber ganz ehrlich. Speziell DAS habe ich schon sehr oft gesehen.