Interview mit Bausenatorin Özlem Ünsal
„Ich freue ich auf die neue Aufgabe und den Diaolg mit den Menschen.“
Liebe Frau Senatorin Ünsal, herzlichen Glückwunsch zur Wahl und herzlich willkommen in Bremen.
Vielen Dank. Ich möchte mich ausdrücklich bei allen bedanken, die mich in den ersten Tagen hier so herzlich und so offen aufgenommen haben. Ich freue mich auf die neue Aufgabe und den Dialog mit den Menschen vor Ort.
Was verbinden Sie mit der Hansestadt bzw. dem Land Bremen?
Eine große Offenheit, Neugier, enorme Potentiale, aber auch Herausforderungen, die wir gemeinsam meistern müssen. Hierzu will ich meinen aktiven Beitrag leisten: zuhören und verstehen, was das Land und seine Menschen bewegt. Ich schaue mit einem frischen ungetrübten Blick von außen und bringe gleichzeitig viel Erfahrung, Leidenschaft und Gestaltungskraft für die neuen Aufgaben mit, um behutsam wichtige Impulse zur Entwicklung Bremens einzubringen. Das stärkt auch unser Band der norddeutschen Zusammenarbeit.
Welches sind Ihre ersten Ziele, die Sie in Bremen als Bausenatorin erreichen möchten?
Ich will nicht nur das Bremen lebens- und liebenswert bleibt, sondern sich auch erkennbar unterscheidet und eine Vorreiterrolle einnimmt: klug und bezahlbar bauen, Quartiersentwicklung sozial und ganzheitlich voranbringen, die Trendwende unserer Innenstädte innovativ gestalten und eine Verkehrswende, die nicht ideologisch geprägt, sondern an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist. Ich setze insgesamt auf mehr Bürger- und Serviceorientierung. Hierzu habe ich bereits jüngst ein Beschleunigungs- und Entlastungspaket zum Wohngeld auf den Weg gebracht, das Verfahrensvereinfachungen für die schnellere Antragsbearbeitung und den Abbau der Rückstände kurzfristig vorsieht. Das sind nur einige Beispiele. Hierbei ist mir eine transparente Kommunikation sehr wichtig, um die Menschen bei Veränderungen mitzunehmen.
In einem Interview mit der Tageszeitung sprachen Sie davon, dass eine hohe Baukultur identitätsstiftend ist und einen Standortvorteil bringen. Wie ist es für Sie in Einklang zu bringen, wenn gleichzeitig 10.000 Wohneinheiten geschaffen werden müssen?
Wenn wir klug gestalten, schließen sich beide Ziele nicht aus. Baukultur ist ein weiter Begriff und umfasst beispielsweise auch den Städtebau und die Ortsplanung. Im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung kann Wohnraum geschaffen werden, der in den Quartieren identitätsstiftend und zugleich baukulturell wirkt. Beispiele sind hier das Tabakquartier, der Ellener Hof und zukünftig auch das Q45. Baukultur umfasst auch gesellschaftliche Verantwortung, die deutlich über die reine Architektur hinausgeht. Eine hohe Baukultur ist Imagefaktor und Standortvorteil für Städte. Sie schafft Räume und Gebäude, die sozial und nachhaltig Identität stiften. Das Gesicht eines Landes wird auch von seinen Bauten und regionalen Besonderheiten maßgeblich geprägt.
Wie lässt sich dieser Anspruch einer hohen Baukultur mit einer sehr dichten Bebauung vor einem Kulturdenkmal zum einen und der ländlichen (Einfamilienhaus-) Struktur Oberneulands zum anderen vereinbaren?
Mit der Planung um die Oberneulander Mühle wird das Ziel verfolgt, unterschiedliche Wohnraumangebote möglich zu machen. Hier können dann beispielsweise Familien mit Kindern, Senioren, Alleinlebende oder Menschen mit Betreuungsbedarfen künftig ein Wohnangebot finden. Dies wird mit unterschiedlichen Gebäudetypologien im Plangebiet realisierbar: mit Einzel-, Reihen-, Mehrfamilienhäusern oder auch einem Solitärgebäude für eine soziale Einrichtung. Im Zusammenspiel mit dem Grünzug entsteht ein lebendiges und vielfältiges Quartier, die den aktuellen Anforderungen und zeitgemäßen Grundrissen Rechnung trägt. Ein erkennbarer Bezug zur typisch norddeutschen Architektur jedoch bleibt.
Vielen Menschen betonen, dass für Sie ein lebenswerter Stadtteil verbunden ist mit einem vielseitigen Angebot direkt vor Ort. Stichwort Einzelhandelsstruktur: Sind für Sie dezentrale Zentren zukunftsweisend und sollten diese gefördert werden?
Wir kommen über ein Zentren- und Nahversorgungskonzept, in dem es ganz klar auch eine Offenlegung von Versorgungslücken in der Nahversorgung gibt. Diese wollen wir schließen und sind bereits in Gesprächen mit Marktbetreibern und Anbietern neuer konzeptioneller Ansätze. Daran anknüpfend hat sich die Koalition das Ziel gesetzt, die Erreichbarkeit aller relevanten Einrichtungen inklusive der Nahversorgung und des Einzelhandels binnen 10 bis 15 Fußminuten zum Maßstab der Planung zu machen. Die polyzentrische Struktur Bremens bietet dafür eine gute Grundlage und ich sehe in meinem Haus vor, einen „Stadtentwicklungsplan Zentren“ gemeinsam mit den Beiräten analog zum „Stadtentwicklungsplan Wohnen“ zu prüfen.
Klimaschutz und die damit verbundenen Herausforderungen für jeden Einzelnen sind allgegenwärtig und notwendig. Oberneuland und Borgfeld z.B. haben eine hohe Quote an Einfamilienhäusern, die in einem fortgeschrittenem Alter sind.
Welche Maßnahmen ergreift die Stadt, um sicherzustellen, dass Hausbesitzer bei erforderlichen Sanierungen und Renovierungen nicht finanziell überfordert werden und welche Unterstützung bietet die Stadt den Eigentümern bei diesen Projekten an?
Zunächst einmal liegt es grundsätzlich im Interesse und der Entscheidung der Eigentümer:innen, es sei denn, es geht um gesetzliche Vorgaben. Bei diesen wird in der Regel mit Übergangsfristen gearbeitet. Bei besonderen wirtschaftlichen Härten oder bei Anreizsystemen sollen entsprechende Förderprogramme greifen. Bestände in die Klimaneutralität zu überführen, stellt eine große Herausforderung dar. Daher ist Planungssicherheit wichtig. Dies betrifft auch die Beantwortung der Frage, wie zukünftig die Energie- und Wärmeversorgung erfolgen wird. Daher erarbeitet Bremen derzeit die kommunale Wärmeplanung.
Gibt es Anreize oder Förderprogramme, mit denen die Stadt Haus-/Wohnungsbesitzer unterstützt, um den Erhalt bzw. Sanierung von Gebäudeelementen zu fördern und somit auch den städtebaulichen Charakter des Stadtteils zu bewahren?
Selbstverständlich. Beispielsweise berät und fördert die Bremer Aufbaubank unter anderem „Rund ums Haus“. Ich werbe ausdrücklich dafür, diese Angebote abzurufen.
Wie planen Sie, die Haus-/Wohnungsbesitzer aktiv in den Prozess der Erhaltung des städtebaulichen Charakters einzubeziehen, um sicherzustellen, dass ihre Bedenken und Meinungen gehört und berücksichtigt werden?
Städtebauliche Planungen sollen grundsätzlich zu einem frühzeitigen Zeitpunkt, z.B. im Rahmen einer Beiratssitzung vorgestellt werden. Hier besteht für alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, Bedenken und Anregungen zur Planung zu äußeren, die dann in den weiteren Planungsprozess einfließen. Bei größeren oder bei besonders bedeutsamen Planungsprozessen ist auch eine weitergehende frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit z.B. in Form von Ideenwerkstätten oder Workshops sinnvoll, wie dies z.B. bei der Entwicklung der Überseeinsel oder der ehemaligen Flächen von Könecke und Coca-Cola durchgeführt worden ist. Aber auch Beteiligungsformen wie die in Oberneuland 2013 durchgeführte „Zukunftswerkstatt Oberneuland“ binden die Öffentlichkeit in die Planungsüberlegungen ein, um mit den Bürgerinnen und Bürgern in einem Meinungsaustausch zu treten und gemeinsam Antworten für die weiteren Perspektiven zu finden.
Foto: Pepe Lange