Lohnt sich das eigentlich?

Nachdenkliches von Pastor Thomas Ziaja


Ungefähr sechs Wochen vor den Konfirmationen erreicht mich eine WhatsApp-Nachricht aus meiner entfernteren Familie. Es entspinnt sich eine längere und ziemlich unfruchtbare Diskussion rund um Kirchenmitgliedschaft und Konfirmation.
Ja, man darf in Oberneuland am Abendmahl teilnehmen, wenn man getauft ist, auch ohne Konfirmation. Ja, man kann kirchlich heiraten, auch ohne Konfirmation. Ja, man ist Kirchenmitglied, auch ohne Konfirmation. Am Ende steht dann die
Frage: „Also ist die Konfirmation quasi nutzlos?“ Ja, so kann man das denken. Früher hingen bestimmte Rechte an der Konfirmation. Das ist heute anders. Aber ist die Konfirmation deshalb nutzlos?
Im April und Mai sind sechzig junge Menschen in Oberneuland zur Konfirmation gegangen. Sechzig Jugendliche, denen Ältere gerne nachsagen, dass sie sich für nichts mehr interessieren. Ich höre immer wieder die Klage über junge Menschen, die bei der Work-Life-Balance das Gewicht auf Life legen und Work am liebsten gar nicht wollen. Dass viele nur für das Geld zur Konfirmation gehen, wird gerne behauptet. Das Lamento über die Jugend ist so uralt wie wir Menschen. Ich will hier einmal erzählen, was ich in einem Jahr mit den jungen Menschen erlebe.
Sie kommen an und wissen nicht wohin. Alles ist neu, der Ort, die anderen Konfis, der Pastor. Manche kennen sich, aber insgesamt ist alles aufregend neu. Sie sind zurückhaltend, tasten sich vor, bei mir, bei den anderen. Was kann ich hier von mir zeigen? Wie weit kann ich gehen? Wird es peinlich, wenn ich den Mund aufmache?
Über ein Jahr lang wächst etwas Wunderbares. Die Jugendlichen lernen Vertrauen. Sie sehen, dass sie nicht für eine Antwort ausgelacht werden. Denn anders als in der Schule gelten in diesem Jahr in diesen Räumen nicht richtig und falsch, sondern ihre ganz eigenen Meinungen. Keiner verliert die Fassung, wenn eine sagt: „Ich glaube das mit Gott nicht.“ Auch nicht der Pastor. Wenn jemand nicht lesen mag, weil es ihm oder ihr schwerfällt, übernimmt jemand anderes. Vertrauen wächst, dass da Menschen sind, auf die ich mich verlassen kann. Und es entsteht ein Raum, in dem es mal nicht um Zweck und Nutzen geht.
Das Jahr ist kein Wolkenkuckucksheim. Es gibt Konflikte. Zum Ausprobieren gehört auch das Überschreiten von Grenzen und dazu gehört auch, dass ich mal die Fassung verliere. Und trotz ziemlich deutlicher Worte steht nach der Konfirmation eine Gruppe vor meinem Büro und sagt Danke. Respekt ist da, auch wenn er manchmal hinter jugendlichem Leichtsinn verschwindet.
Ich erlebe eine hohe Verlässlichkeit bei den allermeisten. Sie kommen treu und brav zu unseren Konfi-Treffen am Dienstag, zu den Gottesdiensten, zu Aktionen, die wir planen. Dabei habe ich keine Möglichkeit, sie zu zwingen. Aber die Frage stellt sich auch nicht. Sie sind da, jeden Dienstag wieder, und machen mit.
Nach einem Jahr feiern wir zusammen den Konfirmationsgottesdienst. Ich schaue in die Gesichter dieser jungen Menschen und ich kann ihrem Ja zu Gott und zum Glauben vertrauen. Nicht alle Fragezeichen sind verschwunden. Und viele werde ich so schnell nicht wieder sehen. Aber in diesem Jahr ist etwas gewachsen, nämlich das Vertrauen, dass da noch mehr ist als ich selbst und die Welt um mich herum. Da ist einer, der mich hält und trägt.
Ist die Konfirmation nutzlos? Ja! Jedenfalls, wenn man in Kosten und Nutzen denkt. Sie ist aber alles andere als sinnlos. Sechzig junge Menschen haben sich eine Frage gestellt, vor der sich viele Menschen ein Leben lang drücken: „Was glaube ich?“ Von dieser Frage bleibt keiner unverändert.
Dass ich in jedem Jahr neu mit jungen Menschen auf die Suche danach gehen kann, gehört zu den besten Seiten meines Berufs. Die Gespräche und Erlebnisse dieser Zeit machen mir Hoffnung für die Zukunft dieser Welt. Jungen Menschen ist nichts egal. Sie wollen etwas für sich und ihr Leben. Sie wollen Antworten, Segen, Hoffnung, Gemeinschaft, Vertrauen und auch einen Glauben, der sie hält. Es ist nie nutzlos, sondern sinnvoll wie kaum etwas anderes.