Dramen der Liebe auf Gut Hodenberg

Gala im Garten

„Ich liebe Opern. Und ich wollte vor dem Winter noch einmal draußen etwas Schönes machen“, erzählt eine Frau aus der hinteren Reihe ihrer Sitznachbarin. Deshalb ist sie an diesem schönen, aber schon etwas kühleren Herbstsonntag zur Freilichtbühne auf Gut Hodenberg gekommen.

Viele andere Musikliebhaber sind ebenfalls zum ältesten Landgut Oberneulands gekommen – so viele, dass es kurz vor
Beginn der Operngala mit der Sopranistin Julia Bachmann schon nicht mehr genug Stühle für alle Besucher gibt und noch eilig weitere aufgestellt werden müssen. „Mit so vielen Gästen haben wir gar nicht gerechnet“, erklärt einer der Veranstalter
der Musikreihe „Musikalischer Gartensalon“. „Es sind viele spontan gekommen“, sagt er.
Julia Bachmann steht derweil am Eingang und begrüßt ihre Gäste. Es ist eine heitere, herzliche und fröhliche Stimmung an diesem Vormittag. „Draußen ist die Atmosphäre entspannter und lebendiger“, sagt die Oberneulanderin Julia Bachmann über den „Musikalischen Gartensalon“, der die traditionsreiche Saisonkultur des 19. Jahrhunderts fortführt. Schon zu dieser Zeit fanden Musikaufführungen unter freiem Himmel statt.
Einige Opernbesucher kommen mit ihren Sitznachbarn ins Gespräch, andere erfreuen sich an der romantisch-grünen Parkkulisse und den schönen steinernen Skulpturen. Vögel singen, Blätter rascheln, die Glocken der Oberneulander Kirche läuten. Unten der waldweiche Boden, oben der Oberneulander Himmel. Als Julia Bachmann ihren Weg zur Bühne nimmt, flüstert die Frau aus der hinteren Sitzreihe ihrer Nachbarin zu: „Sie sieht bezaubernd aus.“ Julia Bachmann trägt an diesem Vormittag ein bodenlanges rotes Kleid. Darüber einen Umhang aus sinnlich anmutendem Samt – ebenfalls in Rot. Im Haar: eine rote Blüte.
Die Farbe ihrer Kleidung, die Farbe für Liebe und Leidenschaft, spiegelt wider, was an diesem Vormittag auf der grünen Naturbühne dargeboten wird: eine musikalische Ode an die Liebe. Mal dramatisch, mal selig, mal sinnlich singen die Sopranistin Julia Bachmann und der Tenor Luis Olivares Sandoval vom Theater Bremen wunderschöne Liebes-Duette aus Opern und Operetten. Es erklingt Musik aus „La Traviata“ und „Rigoletto“ und „Lucia di Lammermoor“. Suwon Kim spielt am Klavier.
Vor jedem Duett erklärt Julia Bachmann, worum es geht. Und das so gefühlvoll und gut, dass das Musikstück anschließend jeder mühelos verstehen kann. Nun ist man unmittelbar im Bann der Handlung, empfindet Leid und Freud der Liebenden nach. Es ist eine Freude, dabei zu sein und zuzuhören. In einem Duett aus „La Traviata“ reist das Publikum ins 19. Jahrhundert – nach Paris zur schönen Violetta. Violetta hat viele Verehrer, ist sie doch voller Lebens- und Liebeslust. Die wahre Liebe kennt sie dennoch nicht. Als sie krank wird, rät ihr ein Verehrer, auf sich zu achten. Er ist so freundlich, wie es Violetta noch nie zuvor erlebt hat. Er gesteht, sie zu lieben. Sie will es nicht hören, will die Liebe nicht zulassen. Er überzeugt sie, es doch zu tun.
Aus Paris ins kalte Schottland: Dort sind Lucia und Edgar, die jungen Heranwachsenden zweier verfeindeter Adelsfamilien, heimlich ineinander verliebt und haben sich ewige Treue geschworen. „Doch die gesamte politische Leitung hat ein Problem damit, dass die beiden sich lieben“, erklärt Julia Bachmann die Handlung des schottischen Pendants zu Romeo und Julia. Zwischen all diesen Streitigkeiten steht Lucia, eine sensible Frau, die nur ihre große Liebe im Kopf hat. Dann muss Edgar fort. Zuvor macht er Lucia einen Heiratsantrag. Sie nimmt an und es kommt zum wunderbaren Abschiedsmoment. Lucia singt: „Wenn du gehst, wird mir der Wind deine Gedanken herübertragen.“
Die Dramen der Liebe – gesungen im Garten von Gut Hodenberg. Die Open-Air-Operngala auf Oberneulands ältestem Landgut zeigt, dass die universelle Sprache der Musik auf jeder Bühne ihre Wirkung entfalten kann, wenn sie mit so viel Verve, Seele und Hingabe dargeboten wird wie hier. Und jetzt, im Winter? Da beginnt sie, die Zeit der Vorfreude auf Frühling und Sommer – und auf die nächste Saison des „Musikalischen Gartensalons“ mit der Sopranistin Julia Bachmann.

Text und Foto: Claudia Kuza