Farbtestregion Overnigelant
Dasging ja alles ganz schnell. Vielleicht haben Sie es gar nicht mitbekommen. Ich bin ja von einem unabhängigen Gremium zum U.S.f.f.F.i.d.B.S. (Unter-Senat für frohe Farben in den Bremer Stadtteilen) gewählt worden. Ich fühlte mich geehrt und begann sofort mit meiner Arbeit. Beispielhaft sollte ich Oberneuland farblich noch schöner gestalten. Und diese Ideen sollten dann für alle anderen Bremer Stadtteile, das Umland, später ganz Niedersachsen übernommen werden, um dann in der ganzen Bundesrepublik umgesetzt zu werden.
Es ging mir alles leicht von der Hand, sicherlich auch, weil es keine Handarbeit war. Gefragt waren ausschließlich Ideen. Und für die Umsetzung sollten dann andere Menschen eingebunden werden.
Meine Pläne sahen eine Oberneulander Kirche St. Johann in einem Grasgrün vor, mit dicken rosa Punkten und einem Kirchturm in Metallic Türkis.
Der Asphalt des Autobahnabschnitts, der geografisch zu Oberneuland gehört, sollte in Regenbogenfarben gestrichen werden. Das soll den Autofahrerinnen und Autofahrern ein unvergessenes Erlebnis bringen, das sich circa 90 Kilometer pro Stunde voll entfaltet.
Die Ampeln im Stadtteil waren in meinen Plänen einigen Wildtieren nachempfunden worden, pro Kreuzung oder Ampel ein anderes Tier. Und so gab es – auf dem Papier – eine Elefantenkreuzung, eine Leopardenkreuzung, eine Schabrackentapirkreuzung, eine Giraffenkreuzung und eine Brillenschlangenkreuzung. Inspiriert wurde ich – Sie ahnen es – von Zebrastreifen.
Dann hatte ich konkrete Vorstellungen von ultramodernen Telefonzellen für Smartphone-User. Stellen Sie sich überdimensional große Regentropfen vor, größer als ein Mensch, vollkommen durchsichtig, aber technisch so ausgestattet, dass diese Smart-Zellen in unterschiedlichen Farben leuchten. Sie kennen das bestimmt von Tischlichtern oder Weihnachtsdekoration. Und an 10 bis 15 Standorten in Oberneuland sollten diese futuristischen glänzenden Riesentropfen angebracht werden – mit der Spitze im Boden. Der eine oder die andere wird jetzt kritisch anmerken, dass man für Smartphones keine Telefonzelle benötigt. Sehr wahr. Und deshalb kann man in diese großen Kunsttropfen auch gar nicht reingehen. Man kann überhaupt nichts mit diesen Smartdrops machen. Das ist der Witz. Man kann sich nur daneben stellen oder vorbeigehen oder drum herumlaufen oder schöne Fotos machen: Drop-Selfies.
Damit komme ich zu dem theoretischen, meinetwegen philosophischen oder künstlerischen Teil: Wir Menschen leben in einer Bubble, einer Blase, aber Oberneuland zeigt, dass wir auch MIT einer Bubble leben können.
Aber ich hatte noch mehr Visionen: Visionen vom Meer. Aber andersherum. Nicht blaues Wasser und goldgelber Sand, sondern goldgelbes Wasser und blauer Sand.
Statt kleiner Oasen feine Aosen. In den Parks. Orte, die uns daran erinnern, dass Oberneuland nicht direkt am Meer liegt. Diese blaugelben Begegnungsstätten sollten von oben betrachtet die Form unserer Inseln haben, sodass unter anderem eine Juist-Aose im Heinekens Park angelegt wird, eine Norderney-Aose im Muhles Park und selbstverständlich eine Höpkens Ruh-Sylt-Aose.
Ein weiterer Vorschlag vom U.S.f.f.F.i.d.B.S. (Unter-Senat für frohe Farben in den Bremer Stadtteilen), also von mir, betraf die Häuser, die in Zukunft in Oberneuland gebaut werden. Sie sollten, um das Bremische noch mehr nach vorne zu bringen, ausschließlich mit grünen und weißen Steinen gebaut werden.
Mit dem Wort „werden“ sind wir schon nah am Grund. Es geht um Werder. Sämtliche neue Immobilien sollten das Motto „Lebenslang Grünweiß“ widerspiegeln. Durch die Fahnen, die bereits jetzt an manchen Häusern angebracht sind, zeigt sich deutlich der Wunsch nach grünweißen Gebäuden.
Eine weitere Idee ist ein bunter Wagen, der durch die Straßen des Stadtteils fährt und immer bimmelt. Wie früher, könnte man denken. Aber nein. Der farbenfrohe Wagen hat nicht etwa zwölf Sorten Eis dabei, sondern er bietet Feuerwerke und andere Lichtspiele an, klitzekleine, die man quasi auf die Faust bekommen kann, aber auch riesengroße für sich und die Nachbarschaft. Allerdings nicht so, wie Sie vielleicht denken. Es wäre überhaupt nicht gefährlich, denn das, was der Lieferant bietet, wären reine Lichtinstallationen. Man müsste also nicht in die Weltmetropolen fliegen, um aufwendige Lightning-Shows zu bestaunen, sondern bekommt sie, sozusagen im Taschenformat, an die Hauswand geworfen. Es ginge also nicht um ice cream, sondern um eyes cream, Licht für die Augen, Buntes für die Seele.
Von Seelen ist es nur ein kleiner Schritt zu Sälen. Und von Sälen ist es nur ein kleiner Schritt zu Veranstaltungen. Auch dort könnte man durchaus mehr mit Farben machen. Soweit ich mich erinnere, sind in Oberneuland noch nie die Künstler Yello, Pink, Orange Blue oder Green Day aufgetreten.
Animiert durch die vielen E-Roller, die in allen Farben und Formen an jeder Straßenecke zu sehen und zu mieten sind, kam mir ein – wie ich finde – großartiger Gedanke: Keine E-Roller im Stadtteil erlauben.
Das klingt jetzt etwas spießig und altmodisch. Ist es ja auch.
Was ich viel schöner finden würde und was auch Teil meines Oberneuland-Farbkonzeptes ist, sind pink glasses stations. In allen Restaurants könnte man sich, so die Idee, rosarote Brillen leihen.
Zu meiner Kampagne „Bunt wie ein bekannter Hund“ kam ich leider nicht mehr. Das wäre eine Mischung aus einer großen Hundeparty mit Herrchen, Frauchen und Divers(chen) gewesen, gepaart mit bunten Elementen des indischen Holi-Festes.
Der Name: Howli-Fest.
Das kam nicht alles gut an. Streng genommen muss man sagen: Das kam alles nicht gut an. Ich bin dann von einem unabhängigen Gremium abgewählt worden. Vielleicht haben Sie es gar nicht mitbekommen. Das ging ja alles ganz schnell.