Musik im Grünen
Fahrradtour & klassische musik
„Nie hätte ich gedacht, hier so viele Vögel zu hören“, sagt Kate. Mit vier weiteren Musikern vom Bremer Kammerensemble Konsonanz tritt die Cellistin an diesem Sonnabend im September in 39,50 Metern Höhe auf der neuen Aussichtsplattform Metalhenge auf, oben auf einem Müllberg am Tor zum Blockland. Metalhenge ist einer von vier Spielorten des Konzertformats „Musik im Grünen“. Der Blocklander Segelclub, Hof Jöllenbeck und das Eiscafé Kaemena im Blockland sind die weiteren.
Zu den Bühnen im Grünen kommen die Konzertbesucher per Fahrrad. Denn auch das gehört zum Format dazu. „Der Weg bei ‚Musik im Grünen‘ ist das Ziel“, erklärt Claudia Beißwanger vom Management des Kammerensembles Konsonanz.
Kate und die anderen Musiker stimmen vor der Kulisse der bis zu vier Meter hohen, astronomisch ausgerichteten rostigen Spundwände derweil schon wieder ihre Instrumente. Vier musikbegeisterte Fahrradgruppen sind heute vom Bremer Domshof zu unterschiedlichen Zeiten losgefahren, um die Musik im Grünen zu erleben. Einmal haben die Musiker bereits gespielt, nun erwarten sie die zweite Gruppe. „Wir sehen heute viele neue Gesichter“, sagt Kontrabassist Daniel. Denn das Publikum ist ein anderes als sonst. Es liebt nicht nur Musik, sondern auch das Fahrradfahren. Familien mit kleinen Kindern sind dabei, Rentner mit ihren E-Bikes.
Immer wieder kommen zu den Konzerten aber auch Menschen, die sich gerade zufällig am Spielort aufhalten. „Entschuldigung, ich habe von unten den Pavillon gesehen, da bin ich neugierig geworden“, spricht eine Frau David an. Der Kontrabassist lädt sie ein, zu bleiben, sich das Konzert anzuhören. Die Atmosphäre ist lebendig, die Stimmung heiter.
Vor und nach den Konzerten plaudern die Besucher mit den Musikern. Für ganz junge Besucher gibt es bei Kate und David eine Schale mit Schokoladenkeksen. Nun ist Gruppe zwei am Fuße des Müllberges angekommen. Den Weg in die Höhe, zur Open-Air-Bühne, geht es zu Fuß hinauf. Auf halber Strecke wartet dort schon Christian Korhammer vom Olbers-Planetarium, um den Besuchern die Idee hinter der neuen Bremer Aussichtsplattform zu erklären. „Hier sieht man auf der einen Seite die Stadt vor sich liegen. Dreht man sich um, dehnen sich endlose Wiesen und leichte, baumbestandene Erhebungen aus. Der Metallkreis zitiert in seinem Aussehen und seiner astronomischen Ausrichtung einen Steinkreis: das weltbekannte englische Stonehenge.“
Nun beginnt das Konzert. Noch ist der Lärm der Stadt und von der Autobahn zu hören, doch schon nach einigen Minuten nichts außer Musik. Jeder der Konzertorte ist einem der vier Elemente zugeordnet, bei Metalhenge ist es Luft.
Hier erklingen Antonio Vivaldis „Gesang der Vögel“, der „Kuckuck“ und das peruanische Volkslied „El Cóndor Pasa“.
Beim Segelclub Blockland harmoniert die Musik zu Wasser, auf Hof Jöllenbeck zu Feuer. So hört das Publikum vor maritimer Kulisse Klänge von Eduard Toldràs „Vistes al mar“, in der Blocklander Scheune ein Streichtrio von Leó Weiner, ein Trio von Jean Françaix und „El Choclo“ von Ángel Gregorio Villoldo. „Bei der Auswahl der Stücke haben wir uns am Motto orientiert und gleichzeitig etwas ausgewählt, was viele schon einmal gehört haben“, erklärt David.
Nach einer halben Stunde geht es für die Gruppe wieder den Berg hinunter und hinauf aufs Rad – zur nächsten Station. Bärbel Knaack kennt Weg. Sie führt die Gruppe an. „Der Mix aus Musik und Radfahren – das ist das, was vielen Menschen gefällt“, sagt sie. Das Tempo auf der insgesamt 25 Kilometer langen Route ist gemütlich. Meistens ist es eine Geschwindigkeit von 15 bis 16 Kilometern pro Stunde. Sechs Kilometer tritt die Gruppe von Bärbel Knaack bis zur nächsten Konzertbühne in die Pedalen – vorbei geht es an grünen Wiesen und reetgedeckten Bauernhäusern. Nach weiteren fünf Kilometern erreichen die fahrradfahrenden Musikliebhaber das Eiscafé Kaemena im Blockland. Dort haben sich Kontrabassistin Charlotte und zwei weitere Musikerinnen vor einigen Minuten schon eingespielt. Die Zeit zwischen den Konzerten vergeht für die Musiker schnell. „Wir können ja auch ein Eis essen“, sagt Charlotte lächelnd.
Und auch auf Hof Kaemena kommen immer wieder Interessierte zu den Musikern, stellen Fragen, schauen beim Einspielen zu. Drei kleine eisleckende Jungs nehmen auf der Holzbank Platz und hören Charlotte zu, bevor sie sich gleich noch die Ziegen auf der Wiese hinter dem Radhaus anschauen wollen. Die Open-Air-Bühne beim Eiscafé ist dem Motto Erde zugeordnet.
Nun hört das Publikum Stücke von Leopold Mozart, Gioachino Rossini und Giovanni Sollima. Im Hintergrund singen Vögel, Hunde bellen, Kinder toben. Die Atmosphäre ist lebendig, die Stimmung heiter. Noch ein Eis essen, den Augenblick
genießen und dann geht es nach einem wunderschönen Tag zurück in die Stadt – nach einem Tag, der Körper, Geist und Sinne gleichermaßen angeregt hat.
Text und Foto: Claudia Kuzaj