Oh Tannenbäume, oh Tannenbäume, wie grün sind Eure Blätter
Hammelsprünge im Dezember/Januar
Einfach gut, doppelt besser – Teil 2
Wir werden dieses Jahr zu Hause zwei Weihnachtsbäume haben. Um das zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen.
Es begann vor etwa fünf Jahren – mit roten Lederschuhen. Ich mochte sie sehr gerne. Ob sie mich mochten, weiß ich bis heute nicht. Aber ich wusste, eines Tages werde ich mich von diesen schönen Tretern verabschieden müssen, weil sie nicht mehr tragbar sein werden, weil ich sie zu oft getragen haben werde, weil sie ausgelatscht sein werden, weil, weil und noch mehr weil.
Deshalb habe ich ein zweites Paar dieser roten Schuhe gekauft, quasi als Sicherheitskopie im weiteren Sinne. Das gab mir ein gutes Gefühl.
Diese Idee, etwas, das ich besonders gerne mag, noch ein zweites Mal zu kaufen, pflanzte sich fort. Zunächst im Hemdenbereich. Ich kaufte das hellblaue Hemd mit den dünnen weißen Streifen ein zweites Mal. Theoretisch konnte ich jetzt einen Monat lang so tun, als würde ich immer dasselbe Hemd tragen. Niemand würde merken, dass ich zwei Exemplare hätte, die im Wechsel in die Wäsche kamen. Ein interessanter Gedanke. Aber – das sollte man an dieser Stelle nicht außer Acht lassen – auch ein bekloppter Gedanke. Warum sollte ich den Eindruck vermitteln, immer dasselbe Hemd zu tragen?
Es folgten mehrere Hemden, die ich von vornherein doppelt kaufte. Manchmal gelang es mir, einen kleinen Rabatt herauszuschlagen, den kleinsten denkbaren Mengenrabatt. Kann auch sein, dass die Damen und Herren aus der Herrenoberbekleidungsabteilung dachten, dass ich nicht alle Latten am Zaun habe und sie den Nachlass nur gaben, weil sie glaubten, sonst Probleme mit dem irren Bart- und Zopfträger zu bekommen. Nun, mit ihrer Annahme lagen die Verkäuferinnen und Verkäufer nicht falsch. Aber das ist eine andere Geschichte, und die wird ein anderes Mal … verschwiegen.
Etwas doppelt zu kaufen ist in unserer Gesellschaft in bestimmten Bereichen vollkommen normal. Socken zum Beispiel – da kaufe ich auch immer zwei, oft sogar vier, damit ich jeweils zwei für den linken und zwei für den rechten Fuß habe.
Ja, Linksfußsocken müssen Linksfußsocken bleiben und bei Rechtsfußsocken verhält es sich genauso. Das war lange Zeit etwas mühsam, gerade beim Waschen der Strümpfe. Mittlerweile habe ich aber eine Lösung gefunden: eine zweite Waschmaschine. In Maschine A kommt Oberbekleidung, linke Socken und linke Handschuhe, in Maschine B rechte Socken, rechte Handschuhe und Unterbekleidung.
Sagen Sie jetzt nicht, „der Hammelmann hat eine Macke“. Das wäre unfair. Einerseits, weil ich mehrere Macken habe und nicht auf eine reduziert werden möchte, andererseits, weil Sie ja bestimmt auch irgendeinen Spleen haben oder eine blöde Angewohnheit.
Gerade frage ich mich, warum es zwar Angewohnheiten gibt, aber keine Abgewohnheiten.
Wo war ich stehengeblieben? Wo war ich stehengeblieben?
Ach so, bei dem Thema doppelt.
Mein Lieblingswinteroberbekleidungskleidungsstück habe ich mir auch doppelt gekauft: einen knielangen eleganten schwarzen Cordmantel. Auch das gab mir ein gutes Gefühl. Sollte der Ärmel einreißen oder jemand weiße Wandfarbe auf dieses Kleidungsstück kleckern oder der Mantel aus Versehen in Brand geraten, habe ich immer noch einen zweiten, den ich anziehen kann.
Dieser Wunsch, Dinge zweimal besitzen zu wollen, weitete sich aus. Die Bücher meiner Lieblingsautoren kaufe ich seit geraumer Zeit auch doppelt. Ich habe seither also auch von meinen Lieblingsbüchern immer eine Sicherheitskopie. Seit ich das mache, biete ich Freunden, Verwandten und Bekannten oft Bücher an, also leihweise.
Mein Angebot ist da gestiegen. Bisher liegt die Nachfrage allerdings bei null.
Seit Kurzem habe ich auch ein zweites Smartphone, einen zweiten Kaugummiautomaten, einen zweiten Staubsauger und einen zweiten Fahrradanhänger. Besonders Letzterer gibt mir dieses bereits erwähnte besonders gute Gefühl. Denn wenn ich eines Tages doch noch mal auf die verrückte Idee komme, mir ein Fahrrad zu kaufen, dann, ja dann ist transporttechnisch alles bestens.
Sagen Sie nichts gegen Doppeler und Doppelerinnen, so nennt man das in Fachkreisen nicht. Ich nenne es so.
Die neuere Doppelerkultur kommt – soviel ich weiß – aus den Vereinigten Staaten.
Dort gibt es ja seit Jahrzehnten Action-Figuren, beispielsweise von Musikern, Sportlern, Schauspielern und Fernsehseriendarstellern. Und da gibt es selbstverständlich sehr viele Sammler. Warum? Weil Menschen alles sammeln. Wirklich alles.
Die Action-Figuren-Sammler sind die Ersten mir bekannten der Spezies Mensch, die alles doppelt kaufen, ursprünglich, denke ich, um mit der einen Batmanfigur zu spielen und mit der anderen Batmanfigur eben nicht zu spielen. Deshalb bleibt die eine Version auch originalverpackt, was später beim Wiederverkauf ungemein hilft.
Ich habe im Fernsehen auch schon Sammler gesehen, die sämtliche Figuren, auch die doppelten, in der Originalverpackung lassen. Das kann ich irgendwie verstehen, wenngleich ich zugeben muss, dass es bei meinen doppelten Hemden wenig Sinn ergibt, sie verpackt zu lassen.
Nachvollziehbar ist der Grundgedanke der Action-Figuren-Doppelkäufer. Sie wollen die Plastikobjekte der Begierde schonen.
Und damit komme ich zwangsläufig zu einer Frage, die sich die Käuferinnen und Käufer von Action-Figuren schon lange stellen: Muss man sich die Spidermanfigur sicherheitshalber nicht dreimal kaufen? Dann könnte man – auch wenn das crazy klingt, eine tatsächlich zum Spielen benutzen – was auch immer das für erwachsene Menschen bedeutet.
Sie ahnen es, ich spiele mit dem Gedanken, mir meine Lieblingshemden dreimal in den Schrank zu hängen.
So, bevor Sie mich für vollkommen unvernünftig, verrückt, durchgeknallt oder plemplem halten, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es Menschen gibt, oft sind es Männer, die in ihrem Schrank sieben graue Anzüge hängen haben. Andere nennen 12 (in Worten: zwölf) Blue Jeans ihr eigen. Wieder andere haben 30 identische Slips oder 55 schwarze Socken.
Jetzt frage ich Sie: Wo hört normal auf und wo fängt verrückt an?
Doppeler und Trippeler sind ganz normale Menschen. Und wir haben es manchmal nicht leicht.
Wir werden dieses Jahr das erste Mal zwei Weihnachtsbäume ins Wohnzimmer stellen und zweimal schmücken und zweimal viele Kerzen anzünden.
Wenn dann ein Baum brennt, haben wir immer noch eine Ersatztanne.
Ein zweiter Christbaum – das ist leicht für einen Doppeler. Weitaus schwieriger, ja im Grunde unmöglich ist es, dass mein Wunsch erfüllt wird, und diese Zeilen von Anfang bis Ende in dieser Oberneuland-Magazin-Ausgabe doppelt abgedruckt wird.
Von Winfried Hammelmann, Oberneulander, Redakteur und Autor