Vergnügliche Entdeckertour durchs Moor

Lieblingsplätze in unserer Region: Bullensee

Warum in die Ferne schweifen…
in der Nähe gibt es so viel zu entdecken! Alles für die kleine Auszeit zwischen-durch, den Kurzurlaub am Wochenende. Entdecken Sie mit dem Oberneuland Magazin die Lieblingsplätze in unserer Region!
Ein Wald, der sich – wie das Blau des Himmels und die Wolken – auf dem Wasser spiegelt.
Ein Steg, der zum See führt. Ein Strand, der zum Spielen im Sand lockt. Aus einem Eiszeit-Gletscher in der Wümmeniederung entstanden, bietet der Bullensee in Rotenburg zu jeder Jahreszeit Freizeitmöglichkeiten für die ganze Familie – vom kurzen, absolut kindertauglichen Rundgang über ausgedehnte Spaziergänge bis hin zu kleineren Wanderungen.

Wenn wir es ganz genau nehmen wollen, müssen wir eigentlich von zwei Seen sprechen, vom Großen und vom Kleinen Bullensee – südlich von Rotenburg, nördlich von Kirchwalsede; jeweils auch einen Besuch wert! Aber uns zieht es heute ja ans Wasser. Und damit auch in den Wald. Denn die Bullensee-Landschaft, die hat so einiges zu bieten. Hügelgräber und vielfältige Vogelarten, Aussichtstürme und Moor, Moor, Moor.
Erst einmal aber stehen wir vor einer ebenso philosophischen wie richtungsweisenden Frage: Welcher Weg ist der richtige? Nun, viele Wege führen zum Ziel – und das Ziel heißt hier: Naturerlebnis, Erholung, Abstand vom Alltag. Zum Glück erleichtern uns Schilder mit Hinweisen und Karten Auswahl und Orientierung. Über eine Strecke von 1,5 Kilometern führt die „Kleine Bullenseerunde“, während die „Große Bullenseerunde“ etwa 2,5 Kilometer misst. Schon von etwas anderem Kaliber sind die „Kleine Moorrunde“ (7,5 Kilometer) und die – erraten! – „Große Moorrunde“ (11,5 Kilometer). Hier sind Turnschuhe und Pumps nicht mehr so wirklich angebracht, leichtes (aber festes!) Wanderschuhwerk macht die Sache doch deutlich bequemer. Ein Rucksack mit Snacks und Erfrischungen für kleine Pausen ist ebenfalls hilfreich!
Damit kommen wir gut über die schön angelegten, breiten und mit Mulch ausgestreuten Wege. Und auch über Attraktionen wie eine Schwingrasenbrücke, deren Benutzung einiges an Geschick verlangt. Der Weg über die hölzernen Planken ist eine Herausforderung für Körpergefühl und Gleichgewichtssinn. Aber man kann die Brücke auch einfach am Wegesrand liegen lassen, Ausblicke genießen und sich mehr auf Flora und Fauna konzentrieren. Seltene Tier- und Pflanzenarten finden sich in dieser einzigartigen Moorlandschaft. Ja, wir sind in einem Naturschutzgebiet. Hochmoore sind sehr nasse Lebensräume. Das Große und Weiße Moor zählt zu den am besten erhaltenen Hochmooren Niedersachsens. Manche Bereiche des Moors haben ihren ursprünglichen Charakter erhalten, weil hier einst nur wenig Torf abgebaut wurde.
Entstanden ist das Große und Weiße Moor vor etwa 4.000 Jahren. Anfang der 1950er Jahre bereits wurde überlegt, das Moor unter Schutz zu stellen; im September 1953 ging es mit einem Kerngebiet los, Mitte der 70er kamen große Flächen hinzu. Inzwischen stehen 654 Hektar unter Naturschutz. Ein Gebiet, das Erika, Krähen- und Moosbeere prägen. Außerdem Wollgras sowie Rosmarin- und Besenheide. Schwingrasen (wir erinnern uns an die Brücke!) aus Torfmoosen und Wollgras. Seltene Arten wie Sonnentau. Und, und, und. Vielfalt pur.
Apropos – Moore sind Wasserspeicher, Moore sind Klimaschützer. Sie binden Kohlendioxid aus der Luft und speichern es in der Torfschicht. Entwässerte Moore hingegen geben Kohlendioxid ab. Deshalb ist es so wichtig für das Klima, Moore nass (und lebendig) zu halten. Seit 1999 ist das Große und Weiße Moor sogenanntes FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) und Bestandteil des europäischen Schutzgebietsystems „Natura 2000“.
In Kooperation mit der Naturschutzbehörde des Landkreises Rotenburg (Wümme) hat der NABU Rotenburg das Wanderwegsystem mit den vier Wegen und mit interaktiven und wissensvermittelnden Hinweis- und Themenpavillons angelegt. Und auf einem Moorerlebnispfad lassen sich (vielleicht besser nicht bei winterlichem Frost) barfuß verschiedene Untergründe erfühlen, lässt es sich auf einer Wackelbrücke über einen Moorsee balancieren und einen Geschicklichkeitstest in einem „Riesenspinnennetz“ absolvieren. Vergnügen und sinnliche Erfahrung gehen hier gleichsam Hand in Hand – nicht zuletzt auch ein Familienvergnügen bei der Entdecker-Tour durch Moor.
Vieles gibt es hier gleichsam im Vorübergehen zu entdecken, was sonst zuweilen nur in Büchern zu sehen ist. Hier und da stehen Tafeln, die mit ihren Informationen zur botanischen Orientierung beitragen. Zitat: „Die Besenheide und die Glockenheide gehören zu den Heidekrautgewächsen. Mit ihren kleinen, immergrünen derben Blättern haben sie sich perfekt an die Nährstoffarmut des Hochmoores angepasst.“ Gerade die selten gewordene Glockenheide ist eine Besonderheit, die im Großen und Weißen Moor auch vom Wegesrand aus zu sehen ist.
Oder soll es die Moorbeere sein, auch Rauschbeere genannt. Sie schätzt Waldmoore mit feuchtem und torfhaltigem Boden. Es heißt, die Beere kann Rauschzustände hervorrufen, vor allem aber Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelgefühl. Genau genommen liegt das aber nicht an der Rauschbeere selbst, sondern an einem Pilz, der sich dieser Beere gern anschließt.
Lassen wir sie also stehen und genießen lieber einfach nur ihren Anblick. Und den Anblick der Tiere, die uns in der Bullensee-Landschaft begegnen. Rotfuchs und Wildschwein zum Beispiel. Rehwild findet sich hier, Damwild ebenfalls – im Großen und Weißen Moor sind schon Rudel gesichtet worden, die aus 100 Tieren bestanden haben. In der Paarungszeit im Herbst sind auch die Brunftschreie der Hirsche gut zu hören. „Ihre Rufe hören sich an wie ein tiefes Rülpsen“, heißt es mit lautmalerischer Klarheit auf einer der Info-Tafeln.
Dann die Wasservögel! Auf dem Großen Bullensee etwa sehen wir Graugänse und Kanadagänse, Reiherenten, Zwergtaucher und Stockenten. Da wird der Familienausflug auch schon mal zum lustigen Wettstreit – wer entdeckt welches Tier zuerst? Und wie viele Exemplare davon? Wegen des dunklen und moorigen Wassers übrigens leben in den beiden Seen keine Fische.
Zurück an Land. Wo sind sie denn hier nun, die Bullen? Ehrlich gesagt: nirgends. Sie baden hier nicht, sie stehen hier auch nicht am Ufer. Bullen haben nichts mit dem See zu tun und der See nichts mit ihnen. Eher standen die Bulten (Bodenerhebungen) des Wollgrases Pate. Oder der Name leitet sich, so eine weitere verbreitete Annahme, von dem niederdeutschen Wort „bullern“ ab, was für „Getöse“ und „Gepolter“ steht. Dabei ist es hier so schön ruhig!
Eher polterten einst die Milchkannen. Der ungefähr acht Kilometer lange Butterweg – oder auch: „Bodderpad“ – war in früheren Zeiten die kürzeste Verbindung von Kirchwalsede und Rotenburg. Hatte die Landbevölkerung auf ihren Höfen mehr Milch produziert, als für den eigenen Bedarf notwendig war, ging es ans Vermarkten. Das ging am besten auf den Märkten in der Stadt. Für die Kirchwalseder bedeutete dies eben: Auf nach Rotenburg! Durch Wald und Heide, durch Moor und Sumpf. Überschüssige Milch verarbeiteten die Kirchwalseder zuvor zu Butter, die sich leichter transportieren ließ – mühselig genug war die Sache immer noch. Erst anno 1908 wurde in Kirchwalsede dann doch eine Molkerei gebaut.
Die Rotenburger wiederum kamen früher natürlich auch zum Baden an den Großen Bullensee. Aber nicht nur sie. Es kamen auch Menschen von weiter her, es gab einen Bullensee-Tourismus. Beliebt war das Ausflugslokal „Heideschänke“, das bis Ende der 70er Jahre am Großen Bullensee auf kleine und große Bade- und Freizeitgäste wartete. Ansichtskarten von einst zeigen den Ausflugs- und Erholungsbetrieb mit Booten auf dem Wasser und bunten Sonnenschirmen vor der Schänke inmitten von „Wald und Heide“, so die Inschrift.
Anstelle von Ansichtskarten verschicken wir heute ein paar fröhliche Handyfotos mit Grüßen aus dem Moor! Mit Wald und Sand und seltenen Tieren. Und dem Blau des Himmels, das sich hier so schön im Wasser spiegelt.

Text und Foto: Claudia Kuzaj