Warm ums Heimwerkerherz
HAMMELSPRÜNGE IM Februar
Im Anfang war das Wort „Wärme“. Und das Wort „Wärme“ war beim Heimwerkergott. Und das Wort „Wärme“ war Heimwerkergott.
Im Anfang war „Wärme“ beim Heimwerkergott. Und alles ist durch das Wort „Wärme“ geworden.
Allerdings ist noch viel mehr durch das Wort „Wärme“ nichts geworden oder irreparabel kaputt gegangen. Wenig ist reparabel kaputt gegangen.
Im Grunde stand ein einfacher Gedanke am Anfang. Die vier Wände unseres Heims (es sind in Wirklichkeit mehr) sollten in einem wärmeren Farbton gestrichen werden, um es noch heimeliger zu machen. Im Anschluss wollten wir auch die Möblierung überdenken, um auch auf diese Weise unserem Zuhause mehr Wärme zu verleihen.
Mein Freund Freddy meinte: „Besonders viel Wärme erhält man ja bei Möbelstücken, wenn man sie verbrennt.“ Dabei brachte er mit seinem Gesicht unzweifelhaft zum Ausdruck, dass es ein Gewinn wäre, wenn unsere Kleider- und Wohnzimmerschränke einer hohen Hitzebehandlung unterzogen würden. Ich beneidete ihn, einerseits um seine Möbel, andererseits um seine Fähigkeit, mit seinem Gesicht mehr zu sagen als tausend Worte.
Am 4. Januar kaufte ich eimerweise weiße Farbe.
Zuvor wollte ich Abdeckfarbe käuflich erwerben. Aber es wurde nichts beim Abdecker.
Am 4. Januar kaufte ich eimerweise weiße Farbe und flaschenweise Abtönfarbe.
Die mischte ich im Verhältnis … oder nein … die mischte ich verhältnismäßig miserabel. Aus dem Altrosa für eine Wohnzimmerwand wurde ein Mehr-Altrosa, dann ein Sehr-Altrosa, danach ein Zu-sehr-Altrosa.
Da ich nicht auf den Kopf gefallen bin, hatte ich sofort eine Lösung, also keine chemische Lösung, sondern eine Problemlösung.
Ich musste meiner Mischfarbe lediglich mehr Weiß zufügen. In Ermangelung größerer Behälter nahm ich einen dieser großen grünen Gartenabfallsäcke und schüttete dort den kompletten Eimer mit Zu-sehr-Altrosa hinein und fügte zwei Eimer Reinweiß hinzu.
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle Folgendes erwähnen: Wir hatten gerade alles im Wohnzimmer geputzt und das Parkett abschleifen lassen. Diese Arbeit (und das damit verbundene gezahlte Geld für diese Handwerkstätigkeit) hätten wir uns sparen können.
Ja, der Gartenmüllsack, nun, er war … wie soll ich sagen … er war wie ich: nicht ganz dicht. Das hatte ich – wie Sie sich denken können – nicht sofort gemerkt. Das Farbmischen war so anstrengend, dass ich eine längere Pause gemacht hatte und mich mit Kaffee und übrig gebliebenem Weihnachtslebkuchen zu meiner Frau gesellte.
Als ich wieder runter ins Wohnzimmer ging, hatten sich nicht nur die Lichtverhältnisse seltsam verändert, es machte auch ein ungewöhnlich schmatzendes, fast platschendes Geräusch, als mein linker Schuh den Boden des Flurs berührte.
Als ich begriffen hatte, was da passiert war, setzte ich ein Lächeln auf und sagte mir: „Das ist nur die Farbe, halb so wird.“ Dann kam ich zu mir, und nur mit großer Mühe konnte ich mich davon abhalten, mich anzubrüllen. Ich wollte das Chaos beseitigen, ohne dass meine Frau es mitbekommt. Was für ein Quatsch.
Das Geräusch meiner Schuhe erinnerte an das Wort „Quatsch“. Und so quatschwatete ich durchs Wohnzimmer Richtung Farbsack. Der war annähernd leer, die Wandfarbe hatte sich auf dem Fußboden verteilt. Irre lachend brabbelte ich vor mich hin: „Aus Wasser wird Wein, aus Wandfarbe Bodenfarbe. Ein Wunder.“
Ich musste was tun. Schnell. Und was macht ein Autor, der sich handwerklich betätigt?
Er überlegt, ob ihm noch andere Wörter einfallen, die das Wort „Schnell“ sinnvoll ergänzen: Schnell. Sofort. Flugs. Flink. Rasch. Rapide. Rasend. Inzwischen stand ich im Küchenbereich. Küche und Wohnzimmer sind bei uns ein Raum. Heureka! Ich rannte zurück zum Sack, um ihn in den Garten zu schmeißen und um dann mit Handfeger und Schaufel die Farbe vom Boden zu entfernen. Leider rutschte ich dabei aus. Ich konnte mich gerade noch an der Gardine festhalten, musste aber mit ansehen, wie die lange Gardinenstange nachgab, durchs halbe Zimmer flog, dabei zwei wertvolle Likörgläser, drei noch wertvollere Wandteller und einen wertlosen Kerzenhalter nebst brennender Kerze zerstörte. Die Kerze landete auf dem dicken Film aus Farbe auf dem Boden. Ich gackerte. Autoren gackern gerne, wenn ihnen was Blödes einfällt, auffällt oder hinfällt. Ich gackerte also, denn aufgrund des Films, der sich aufgrund der Farbe auf dem Boden bildete, kam mir das Wort „Farbfilm“ in den Sinn. Andere würden sagen: in den Unsinn.
„Gott sei Dank“, flüsterte ich vor mich hin: „Die Farbe brennt nicht.“
Ich versuchte aufzustehen, kam wieder ins Rutschen, versuchte es noch einmal und plumpste wieder hin. Dann bekam ich den Großbildfernseher zu greifen. Aus der Liegehaltung kam ich in eine Skifliegerposition (auf der Schanze, vor dem Flug).
Ich versuchte, mich aufzurichten, um dann zu spüren, dass diese Riesenglotze plötzlich nachgab. Es kam mir vor wie eine Zeitlupensequenz in einem Film, die mir genug Zeit für einen klaren Gedanken ließ:
Fernseher können Leben zerstören.
Tatsächlich war es genau anders herum: Ich habe das TV-Gerät zerstört. Es war an den Kamin geprallt, größtenteils zur Seite gekippt, um dann das kleine Jugendstiltischchen zu demolieren.
Inzwischen hatte es sich die Kerze zwischen Boden und Wand bequem gemacht. Und – anders als die Farbe – war die Tapete leicht entzündlich. Und so loderten Flammen an den Wänden. Aber es gelang mir, mit Hilfe der Schaufel, immer wieder Farbe an die feurige Wand zu klatschen und den Brand zu löschen.
Durch die „Bodenfarbe“ zu waten brachte das Gleichgewicht … sagen wir … ins Ungleichgewicht. Ich fühlte mich wie betrunken.
Und da fiel mir etwas ein. Ich hatte mal einen großen Rotweinfleck auf einem weißen Hemd. Tja, Autoren können auch sehr praktisch sein, handwerklich begabt sein, wäscheerfinderisch sein. Es war mir gelungen, es hinzubekommen, dass man den rosaroten Fleck nicht mehr sieht. Ich hatte sorgfältig Rotwein über das ganze Hemd geschüttet. (Man nennt mich seither auch Homo Färber.)
Und jetzt wusste ich, was im Wohnzimmer zu tun war.
Von Winfried Hammelmann, Oberneulander, Redakteur und Autor