Wie sie sich und andere sehen

Lilienthaler Kunststiftung

Beim Betreten der Lilienthaler Kunststiftung in Trupe ist man überrascht. Die bekannten Räume sind durch einen neuen Anstrich und neue Beleuchtung heller geworden. Man hat den Eindruck, es passen jetzt viel mehr Bilder rein. Jedenfalls werden derzeit über 100 Werke, Figuren, Porträts, Skulpturen regionaler Künstler gezeigt, die sich ausschließlich mit der Darstellung des Menschen befassen.

Im Zentrum des Hauses wird man an Hans Adolf Cordes erinnert, der im April nach schwerer Krankheit starb. Hans Adolf Cordes, der Gründer der Kunststiftung, dessen Leben der Kunst und den Künstlern gewidmet war. Dessen Herz und dessen Liebe aber seiner Frau Monika galt, die lange vor ihm die Welt verlassen musste. Heinrich Schott malte ein eindrucksvolles Porträt von ihr, das nun im Mittelpunkt der Kunststiftung hängt und da wohl auch bleiben wird. Es habe mehrerer Gespräche bedurft, erzählt Hilke Theessen, die Vorsitzende der Kunststiftung, bis Hans Adolf Cordes überzeugt war, dass dies der richtige Ort für das Bild sei. Es ist gleichzeitig eine Erinnerung an ihn selbst.
Das Bedürfnis, sich und seinesgleichen bildlich oder figürlich darzustellen, ist uralt. Man denke an die Höhlenzeichnungen oder an die Venus von Milo. Im alten Griechenland, so berichtet der Text zur Ausstellung, pflegte man die Kunst des Porträtierens bereits um 500 vor Christi. So widmet sich die neue Ausstellung ganz der Darstellung des Menschen. Angelehnt an die Tradition des Hauses werden Werke von Künstlerinnen und Künstlern gezeigt, die über die Jahrzehnte hinweg und bis in die heutige Zeit in der Region lebten und leben. Die hier gezeigte Vielfalt ist beachtlich. Neben Bildern aus dem eigenen Bestand der Lilienthaler Kunststiftung sind Bilder aus der Worpsweder Kunststiftung zu sehen und etliche Werke privater Leihgeber.
Wie zu erwarten, findet man bekannte Maler wie Fritz Mackensen, Hans am Ende, Ottilie Reylaender oder Tetjus Tügel. Aber auch Bilder unbekannter Weggefährtinnen von Paula Modersohn-Becker, wie die von Frida Witt. Die Kunststiftung macht jedoch vor den alten Meistern nicht Halt, zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler sind ebenso präsent. Das Besondere: Eine ganze Reihe von Bildern sind bislang nur in privaten Sammlungen oder in Archiven gezeigt worden.
Zum ersten Mal geht die Kunststiftung eine Kooperation mit der in Bremen ansässigen Kunstschule Wandsbeck ein. Kunststudentinnen und -studenten werden sich intensiv mit den Künstlern und deren Motiven auseinandersetzen. Gegen Ende der Ausstellung wollen sie eigene Werke zum Thema „Portrait“ präsentieren.
Neben den Gemälden, die in der Überzahl sind, fehlt es jedoch nicht an Skulpturen in der Ausstellung, und selbst der Fotografie wird ein bedeutender Platz eingeräumt. Fotos aus dem Nachlass von Julius Frank hängen neben Bildern von Hans Saebens sowie Hans und Gisela Moris. Erwin Duwe, als ehemaliger Pressefotograf sehr bekannt, ist ebenso vertreten wie Rüdiger Lubrecht, der Mitinitiator der RAW-Festivals in Worpswede. Seine drei Fotos von Heimkehrern aus Tschernobyl haben nun einen sehr aktuellen Bezug zur
Situation in der Ukraine bekommen. EM