Lebendig und voller Energie
Jetzt wohnen wir natürlich bunt!
Bei den einen Möbelherstellern heißen sie Safran, Aubergine, Tanne, bei den anderen Petersilie, Wacholder und Kurkuma – und sie lassen uns an bunte Bauerngärten, üppige Marktstände und pulsierende Basare denken. Mit den Möbeln und Accessoires der neuen Herbstkollektionen kommen jetzt die Farben der Natur in unser Zuhause – und damit Farben, die uns aufhellen und unserer Umgebung eine lebendige und energiegeladene Atmosphäre verleihen.
„Zunächst kam Gelb, dann kamen Rot, Blau und Grün dazu“, sagt Susanne Wätjen, Innenarchitektin und Geschäftsführerin von Ligne Roset Am Wall über den neuen Trend zu mehr Farbe. Als edel und samtig beschreibt die Expertin die neuen Farben. „Es sind Farben, die uns im Herbst viel Wärme und Gemütlichkeit geben. Sie beruhigen uns, tragen dazu bei, dass wir uns wohlfühlen“, sagt sie. Stimmig lassen sich die kräftigen Farben mit Gold, braunem und grünem Marmor – wie er beispielsweise auf Esstischen zu finden ist – kombinieren. Besonders trendig wird es, wenn Gold und Safrangelb zusammen als Duett auftreten. Safran mit seiner lebensbejahenden Wirkung wird so noch mehr zum „leuchtenden Akzent und lebendigen Hingucker“, sagt Susanne Wätjen. Rot und Grün harmonieren mit Hölzern wie Eiche und Nuss, ebenso mit den hellen Naturtönen Ecru und Greige.
Laut Trendforschern geht der neue bunte Farbtrend auf die skandinavischen Länder zurück. Dort wurden die Räume schon immer so eingerichtet, dass möglichst viel Tageslicht hineinfallen konnte. Zwar ist Stockholm mit 1.800 Sonnenstunden die sonnigste Hauptstadt des Nordens, doch müssen seine Bewohner mit mindestens 1.000 Sonnenstunden weniger auskommen als die Menschen in Madrid, Miami oder Sydney. Skandinavisches Design war deshalb immer hell und von klaren Formen geprägt.
Doch seit einiger Zeit kommen zu Weiß und Grau nun kräftigere Farben hinzu – und das übrigens schon zum wiederholten Mal. So zog in den 1970ern mit hellen Farben und suggestiven Mustern Psychedelik in die Räume, in den 1980ern hieß der Trend pastellig und den 1990ern erdig – bis seit Beginn des neuen Jahrhunderts wieder Weiß zur dominierenden Farbe wurde. Nun wird der skandinavische Stil bunt. Schon zu Beginn des skandinavischen Frühlings gibt es in der Natur mehr als 7.000 Farbnuancen zu sehen. „Warum sollten Designer und Inneneinrichter eine Welt aufbauen, wie sie außerhalb der eigenen vier Wände gar nicht existiert?“, fragt der schwedische Innenarchitekt und Designer Daniel Heckscher.
Laut Trendforschern ist der neue Farbtrend eine natürliche Entwicklung. So konnte der österreichische Designberater und Psychologe Leonhard Oberascher nachweisen, dass sich Vorlieben für bestimmte Farben alle zehn bis 15 Jahre wiederholen. So brauche der Mensch nach Jahren von Weiß und Grau ein anderes Farbspektrum. Zunächst war in unseren Wohnräumen alles sehr hell, dann kamen die hellen Violett- und Blautöne hinzu. Nun sind es die kräftigen Farben, die dann von den dunkleren Farben abgelöst werden, bevor es zu Braun- und Beigetönen und dann wieder zu den hellen Farben gehe. Das ließe sich überall auf der Welt beobachten, aber die skandinavischen Länder machten dabei den Anfang. Die neue Farbvorliebe sei vor allem eine Antwort auf die vielen Gegenwartsphänomene – wie politische Ereignisse, globale Entwicklungen und die Digitalisierung. Deshalb träumten wir von den farbenprächtigen Tropen, tauchten nach der leuchtenden Farbwelt der Ozeane und entspannten in der Exotik.
„Auf jeden Fall gibt es auch einen Zusammenhang zwischen dem neuen Farbtrend und der Natur“, erklärt Robin Schewe, Geschäftsführer casa di mobili in Worpswede. „Die Urbanisierung bringt es mit sich, dass wir in kleineren Häusern oder Wohnungen leben – oft mit mehr Lärm. Deshalb suchen wir unsere Auszeit vom Alltag in anderen Welten, träumen vom Leben auf dem Land, von grünen Wäldern und Wiesen. Gerade Tannengrün wirkt beruhigend auf uns, scheint uns – wie der Wald – den Lärm zu nehmen.“
Und auch die Farbe des Jahres, Classic Blue, eine Farbe, die uns an den blauen Abendhimmel und das blaue Meer denken lässt, gehört dem Spektrum der neuen Farbvielfalt an. „Eine klare Farbe, die uns Ruhe gibt und gleichzeitig Weite symbolisiert“, sagt Christiane Kehlbeck, Geschäftsführerin vom Einrichtungshaus Kehlbeck in Oyten. „Eine Farbe, die mit Metallen wie Gold, Silber und Kupfer harmoniert und auch perfekt zu Hölzern wie Ahorn, Eiche und Nussbaum passt. Eine Farbe, die sich überall einsetzen lässt. Sie wirkt im Großen wie im Kleinen – großflächig und als Akzent.“
Und gehört ein gewisser Mut dazu, sich mit den neuen kräftigen Naturfarben einzurichten? „Nein. Es sind ja keine Knallerfarben, sondern eher gedeckte Töne. Arrangiert man sie stimmig im Raum, machen sie das Zuhause sehr individuell und das Leben bunter und fröhlicher“, sagt Innenarchitektin Susanne Wätjen.
„Mit lebendigen, kräftigen Farben lässt sich natürlich auch immer die eigene Persönlichkeit unterstreichen. Wer beispielsweise temperamentvoll ist, kann das mit einem schönen Rotton zum Ausdruck bringen“, ergänzt Christiane Kehlbeck.
Text: Claudia Kuzaj, Foto: Hay