Effektive Mikroorganismen

Natürliche Power-Kur für unsere Pflanzen – auch im Winter

Effektive Mikroorganismen – kurz EM genannt – haben bei den meisten Hobbygärtnern im Frühling, Sommer und Herbst Saison. Doch auch im Winter bringen Effektive Mikroorganismen unserem Garten und unseren Zimmerpflanzen als natürliche Power-Kur viele Vorteile. Wir haben die EM-Expertin Andrea de Moll nach Ideen und Tipps für den Einsatz von EM-Produkten im Winter gefragt.

Frau de Moll, nicht jeder kennt Effektive Mikroorganismen. Können Sie vorab kurz erklären, was genau Effektive Mikroorganismen sind?
Andrea de Moll: Effektive Mikroorganismen enthalten Mikroben, wie wir sie aus unserem täglichen Leben kennen. Es ist eine Misch-ung aus Milchsäurebakterien, die wir zum Beispiel auch in Joghurt finden. Dann sind Hefen darin, die kennen wir aus unserem Brot. Und es sind Photosynthesebakterien darin. Das sind die, mit deren Hilfe die Pflanzen arbeiten. All diese Bestandteile sowie Wasser kommen quasi in einer Flasche zusammen – mit Zuckerrohrmelasse, das ist ihre Nahrung.
Effektive Mikroorganismen sind in den 80er Jahren mehr zufällig entdeckt worden – von einem japanischen Agrarwissenschaftler, der an erkrankten Pflanzen geforscht hatte. Er nutzte Chemie, so wie es damals üblich war. Davon sind die Pflanzen aber nicht geheilt worden. Darauf-hin hat er die kranken Pflanzen genommen und in einem Küchenabwasserkanal entsorgt. Als er dort irgendwann wieder vorbeikam, hat er gesehen, dass die kranken Pflanzen in dem Küchenabwasser gesund geworden sind. Dann hat er natürlich darüber nachgedacht, wie das passieren konnte, und ist ganz schnell bei Mikroorganismen gelandet.
So fing er an, mit Mikroorganismen zu forschen: Was macht Mikrobe A, welche Wirkung hat Mikrobe B … Allerdings kam er nicht so richtig weiter. Dann kam ihm wieder der Zufall zu Hilfe. Er ist weggefahren und hat die ganzen Flüssigkeiten, die er
angesetzt hatte, einfach in seinen Garten geschüttet, es waren ja alles natürliche Bestandteile. Als er zurückkam, hat er ge-sehen, dass seine Pflanzen dort, wo er die Flüssigkeiten hingeschüttet hatte, viel besser gewachsen sind. Dann war ihm klar: Auch Mikroben brauchen ein Team! Mikroben und Mikroorganismen sind übrigens nur unterschiedliche Begriffe für das Gleiche.
Nun galt es herauszufinden, welche Mikroben es für ein qualitativ hochwertiges Team braucht. Daraus entwickelte sich das Prinzip der Effektiven Mikroorganismen. Das Schöne ist, man kann Effektive Mikroorganismen wirklich überall verwenden – egal, ob bei Pflanze, Tier oder Mensch. Ob man seinen Garten behandeln möchte, seinen Wohnraum, die Milben im Kopfkissen, die Läuse an der Rosenpflanze, seinen eigenen Körper – alles macht Sinn und überall ist es das gleiche Prinzip: Es sorgt für Regenerierung und verdrängt die pathogenen, schädlichen, krankmachenden Stoffe.

Viele Hobbygärtner verbinden EM mit den Jahreszeiten Frühling, Sommer und Herbst. Wie lassen sich die Effektiven Mikroorganismen im Winter einsetzen?
Andrea de Moll: Es macht Sinn, rund ums Jahr immer mal wieder mit Effektiven Mikroorganismen im Garten zu gießen. Im Winter sollte man das nicht gerade dann machen, wenn es gefroren hat. Denn die EM brauchen eine Temperatur von mindestens acht Grad – oder darüber. Wenn man also an wärmeren Wintertagen damit gießt, tut das den Pflanzen gut.
Was man im Winter außerdem gut machen kann: den Boden mit EM-Material bedecken, beispielsweise mit Mulch aus
Rasenschnitt, den man mit EM begossen hat. Der Boden will sich ja ohnehin immer bedecken, so hat es die Natur vorgesehen. Deswegen wächst auch immer überall irgendwas, und wenn es Unkraut ist.
Als Nährstoffdepots in der Erde dient Bokashi zum Beispiel, das auf organischem Pflanzenmaterial basiert, das fermentiert wurde – praktisch wie Sauerkraut, das ja auch mithilfe von Mikroben gemacht wird. Bokashi ist fermentiertes, organisches Material mit Mikroben. Aus Küchenabfällen kann man Bokashi auch selber machen.

Wie wirkt Bokashi auf dem Winterboden?
Andrea de Moll: Bokashi wird entweder zum Bedecken mit Erde vermischt oder in die Erde eingegraben. Es enthält sowohl biologische Stoffe als auch Mikroorganismen. Die Mikroben bauen die Organik ab und entwickeln Stoffwechselprodukte: Vitamine, Enzyme und Antioxydantien. Diese Nährstoffe stehen dann den Bodenlebewesen zur Verfügung, zum Beispiel den Regenwürmern, die die Stoffe aufnehmen und in gute Humuserde verwandeln. Und davon ernähren sich dann die Pflanzen. Zudem wirkt die Bodenbedeckung im Winter auch als Schutz für empfindliche Pflanzen, denen der Frost nicht so guttut. Bei Frost gehen die EM nicht verloren, sie bleiben im Boden – und wenn es wieder wärmer wird, entfalten sie ihre Wirkung. Dann stehen im Frühjahr gleich wieder Nährstoffe zur Verfügung.

Sie erwähnten, dass man Bokashi auch selbst machen kann. Wie geht das?
Andrea de Moll: Für Küchen-Bokashi kann man praktisch alles verwenden, was man übrig hat, alles Organische, was in
der Küche anfällt – den Apfelrest, den Kohlstrunk, die Bananenschale. Dann kommt alles in einen Bokashi-Eimer und man gibt Mikroben hinzu.
Man schneidet die Küchenabfälle ein bisschen klein, damit sie nicht ganz so groß sind und man sie gut zusammendrücken kann. Es sollte nicht zu viel Luft darin sein, weil die Mikroben die Abfälle unter Luftabschluss verarbeiten. Bei mir dauert es etwa 14 Tage, bis ein Eimer gefüllt ist. Dann muss er noch einmal 14 Tage stehen, in dieser Zeit fermentiert alles – und wir
haben wieder diesen „Sauerkraut-Vorgang“. Küchen-Bokashi kann man das ganze Jahr über herstellen, auch im Winter.
Die Mikroben zersetzen die Zellwände des Inhalts, also unserer Küchenreste. Dabei entsteht Flüssigkeit, die man herauslassen muss. In diesem Saft sind Mikroben und sämtliche Nährstoffe unseres Eimer-Inhalts enthalten. Den Saft kann man dann wunderbar als flüssigen Dünger nehmen – mit Wasser verdünnt.
Das, was über Sieb und Flüssigkeit oben in dem Eimer ist, sieht nach 14 Tagen immer noch so aus wie vorher. Man denkt, es hat sich ja gar nichts getan – aber dem ist nicht so. Die Zellwände haben sich zersetzt. Das Material hat sich verändert. Und es braucht weiterhin Luftabschluss. Deshalb muss man es anschließend in den Boden eingraben. So kann man die Qualität der Erde im Garten verbessern.
Ich hatte zum Beispiel sehr lehmigen, festen Boden. Er hat zwar viele Nährstoffe, macht es den Pflanzen aber schwer, Wurzeln zu entwickeln. Mit dem Küchen-Bokashi ist es mir über Jahre gelungen, eine feine, krümelige Erde im Garten zu erreichen.

Kann man mit Bokashi überdosieren?
Andrea de Moll: Gar nicht. Es ist einfach etwas völlig Natürliches. Und es schließt den Stoffkreislauf. Ich nehme meinen Kohlrabi oder meine Erdbeeren aus dem Garten heraus und ich gebe dann das zurück, was ich an Nahrungsmittelresten übrig habe. Ich brauche keine künstlichen Produkte. Auf lange Sicht laugt Kunstdünger den Boden aus, die Artenvielfalt im Boden nimmt ab. Dabei ist Lebendigkeit im Boden entscheidende Voraussetzung für Humusaufbau. Im Frühjahr wende ich EM wöchentlich oder wenigstens alle 14 Tage im Garten an. Während der Vege-tationsperiode kann man gut alle zwei Wochen immer ein bisschen mit ins Gießwasser geben. Im Winter etwa alle sechs Wochen.

Vitamine sind gerade im Winter wichtig. Stimmt es, dass Obst und Gemüse durch EM besser schmeckt?
Andrea de Moll (lacht): Ja, natürlich. Der Effekt ist, dass die Pflanzen kräftiger sind und mehr Potenzial haben, ihre Früchte zu entwickeln. Der Einsatz von EM stärkt im Grunde genommen das Immunsystem. Die Pflanzen haben dementsprechend weniger Schädlinge, weniger Pilzbefall, weniger Mehltau. Was ich außerdem mache: Wenn ich Früchte geerntet habe, sprühe ich sie mit EM ein. Das bewirkt, dass Obst und Gemüse länger hält.

Wie wendet man Effektive Mikroorganismen richtig im Wintergarten an?
Andrea de Moll: Effektive Mikroorganismen werden in Flaschen aufbewahrt. Da sind die Milchsäurebakterien, Photosynthesebakterien und Hefen drin. Ist die Flasche geschlossen, sind sie sozusagen im Ruhe-zustand. Wenn man die Flasche öffnet, werden sie aktiv. EM sind sehr einfach in der Anwendung, das ist das Schöne – pur wie verdünnt.
Man kann die Effektiven Mikroorganismen ins Gießwasser geben – und man kann die Pflanzen damit einsprühen. Die Blätter,die gesamte Pflanze, das tut ihr sehr gut. Mikroorganismen sind von Natur aus überall, auch auf unserer Haut zum Beispiel.
Deshalb ist auch sinnvoll, dass man die Pflanzen damit einsprüht. Die Effektiven Mikroorganismen haben diese regenerierende Wirkung. Indem man sie in die Natur gibt, wirken sie wie eine Art Coach und fördern die lokalen Mikroben. In einer Handvoll Erde sind mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde. Also: Gießen, Sprühen, Küchen-Bokashi in den Boden – dann ist man im Grunde genommen gartenmäßig rundum versorgt.

Und wie bei Zimmerpflanzen?
Andrea de Moll: Da gehe ich ähnlich vor wie im Garten. Ich gieße die Pflanzen im Haus mit EM – in den Abständen so ähnlich wie draußen, im Winter weniger, im Sommer mehr – und ich sprühe sie ein. Im Winter gieße ich sie etwa alle zwei Wochen mit EM. Das Einsprühen kann man im Prinzip immer machen, wenn man Lust hat. Immer, wenns passt.
Ich sprühe hier zu Hause fast jeden Tag mit verdünntem EM. Und nicht nur die Pflanzen. Ich sprühe morgens mein Kopfkissen ein, damit sich keine Milbeneier entwickeln. Kissen, Teppiche, die Raumluft – EM haben überall eine regenerative Wirkung. Bei der Gelegenheit sprühe ich natürlich auch meine Zimmerpflanzen ein. Sie bekommen im Winter keinen Dünger, aber dann im Frühjahr, wenn die Wachstumsperiode wieder beginnt. Dann bekommen sie Bokashi oder eine flüssige Variante davon, die man kaufen und ins Gießwasser geben kann. Der Boden braucht immer beides: Mikroben und
organisches Material.

Wenn ich meine Zimmerpflanzen – zum Beispiel jetzt im Winter – mit EM besprühe, wirkt sich das auch auf das Raumklima aus?
Andrea de Moll: Die Pflanzen entwickeln sich dann natürlich besser – gerade im Winter, wenn es ihnen durch die Heizungsluft oft zu trocken ist. Deswegen sind sie quasi froh, wenn sie ein bisschen eingesprüht werden. Die EM machen sie stärker, auch gegen Krankheiten und Schädlinge. Zimmerpflanzen sind wichtig für uns – nicht allein wegen ihrer dekorativen Funktion. Sie produzieren auch Sauerstoff für uns, manche mehr als andere. Eine Aloe vera zum Beispiel erzeugt viel Sauerstoff. Pflanzen bedeuten Lebensqualität. Ja, und natürlich wirken EM sich auch positiv auf die Raumluft aus! Sie wird ein bisschen angefeuchtet, diese trockene Heizungsluft. Mit der Raumluft atmen auch wir Menschen Mikroben ein, die für uns nützlich sind.
Mit Effektiven Mikroorganismen beeinflusse ich die Mikroorganismen, die bereits da sind, auf eine positive Art und Weise – da haben wir wieder diese „Coach-Funktion“. Belebend, regenerierend, aufbauend. Die EM wirken dominant regenerierend und sorgen dafür, dass die Mikroben, die schon da sind, in diese gute, aufbauende Richtung gehen.

Das Interview führte Claudia Kuzaj, Foto: Andrea de Moll / Umweltliebe