Ungeahntes Potential

Seitenstreifen-Paradiese

Sie führen ein oft unbeachtetes Dasein und werden bei der Gartengestaltung eher selten berücksichtigt: die schmalen Gartenstreifen neben dem Haus. Dabei ver-dienen diese Bereiche kreative Aufmerksamkeit, bergen, wenn man sich ihnen gestalterisch erst einmal widmet, ungeahntes Potenzial und können sogar zu einem wunderbaren zusätzlichen Gartenraum werden.

Neben dem Haus führt ein karger
Rasenstreifen in den hinteren Gartenteil, ein paar Trittplatten auf dem Boden weisen den Weg, vorbei an Mülltonnen und -säcken, dem ausgedehnten Fuhrpark der Familie, dem achtlos aufgetürmten Gartenschlauch und der großen Regentonne. Die mannshohen Holzzaunelemente bräuchten dringend einen neuen Anstrich und die Gehölze, die aus Nachbars Garten herüberhängen, einen Rückschnitt.
Auf einem Weg durchs nächstbeste Wohnviertel mit frei stehenden Einfamilienhäusern dürfte sich dem aufmerksamen Spaziergänger an mehr als einer Stelle ein vergleichbarer Anblick bieten: zwar intensiv genutzte, aber in gestalterischer
Hinsicht irgendwie vergessene Grundstücksbereiche.

Vergessene Gartenteile
Bei vielen Gartenbesitzern gerät die Gestaltung der meist schmalen Grundstücksstreifen rechts und links des Hauses tatsächlich völlig in Vergessenheit. Zu schmal, zu schwierig, vermeintlich zu unwichtig. Den Löwenanteil an gärtnerischer Aufmerksamkeit bekommt verständlicherweise der Wohngarten, und schon der Vorgarten, der ja zumindest aus Prestigegründen ebenfalls schön anzusehen sein sollte, führt oft nur ein Schattendasein. Dass es daneben noch weitere Grundstücksteile gibt, die durch eine durchdachte Gestaltung tatsächlich in den Rang eines eigenständigen Gartenraums oder gar eines Wohlfühlortes erhoben werden könnten, gerät da völlig aus dem Blick. Doch gerade bei eher kleinen Grundstücken sollte man dieses Potenzial nicht ungenutzt lassen. Außerdem sind diese Seitenstreifen oft von der Straße einsehbar und tragen mit ihrer Gestaltung wie der Vorgarten maßgeblich zu dem Eindruck bei, den Besucher und Passanten von einem Grundstück bekommen.

Herausforderungen als Chance
„Zugegeben: Diese Streifen können gestalterisch eine Herausforderung sein“, weiß auch Gartenexperte Andreas Leucht. „Sie sind schmal, oft von einer Hauswand, einem hohen Zaun oder großen Gehölzen beschattet und intensiv als Abstell- oder Transitfläche gefragt. Da braucht es ein durchdachtes Konzept, um sie funktional zu halten, sie gleichzeitig aufzuwerten und so harmonisch an die anderen Gartenteile anzubinden.“ Doch seiner Erfahrung nach lohnt der Aufwand: „Hier lassen sich tatsächlich vollwertige zusätzliche Gartenräume schaffen.“ Das weiß Andreas Leucht, denn er ist spezialisiert auf Planung, Anlage und Pflege individueller privater Gärten – und die haben nun einmal häufig solche Flächen.
Bei seinen Planungen münzt er Eigenschaften, die auf den ersten Blick nachteilig erscheinen, in Vorteile um. So wäre die oft vollschattige Lage der Seitenstreifen für einen Wohngarten sicherlich unschön – interpretiert man den schmalen Streifen neben dem Haus aber als zusätzlichen Gartenraum und legt dort einen heimeligen Sitzplatz an, beschert man seinen Besitzern an heißen Tagen einen angenehm temperierten Rückzugsort.
Weiteres Beispiel gefällig, wie man aus einem vermeintlichen Mangel einen Vorteil machen kann? Lang und schmal entsprechen die Grundstücksstreifen neben dem Haus nicht der Idealvorstellung von einer gut gestaltbaren Fläche. Wer aber zum Beispiel schon immer eine Boulebahn in seinem Garten haben wollte, findet hier vielleicht den idealen Standort dafür.
„Die Herausforderung besteht darin, das Grundstück so anzunehmen, wie es ist und ihm sein ganzes Potenzial zu entlocken“, hat Leucht gelernt.

Ganz für und bei sich sein
Durch ihre etwas abgesonderte Lage können die Seitenstreifen neben dem Haus zum Beispiel wunderbar in individuelle Rückzugsorte mit durchaus hoher Aufenthaltsqualität verwandelt werden. Das gilt für den schon erwähnten Schattensitzplatz für den Sommer genauso wie etwa für einen Kinderspielbereich: „Wenn der Nachwuchs so groß ist, dass die Eltern ihn nicht mehr ständig beaufsichtigen müssen, ist so ein eigenes kleines Gartenreich eine tolle Sache“, weiß der Gartengestalter aus Erfahrung. „Und der Wohngarten profitiert ästhetisch in den meisten Fällen auch von der Verlagerung des Spielbereichs auf einen weniger gut einsehbaren Grundstücksteil.“

Funktional und schön gleichzeitig
Wer seine Seitenstreifen nicht für die Schaffung zusätzlicher Gartenräume entbehren kann, sondern sie weiterhin als Funktionsbereiche braucht, sollte aber ebenfalls gestalterisch tätig werden, empfiehlt Andreas Leucht: „Auch funktionale Bereiche eines Gartens lassen sich ansprechend gestalten und mit einem durchdachten Plan oft auch noch etwas funktionaler machen“, ist seine Erfahrung. So können Fahrzeuge einen vor der Witterung geschützten Abstellplatz bekommen oder die Mülltonnen eine zum Stil des Hauses passende Einhausung – vielleicht sogar begrünt. „Sollten auf dem Seitenstreifen befestigte Flächen entstehen, seien es Wege oder auch Abstellflächen, sollten dafür Materialien verwendet werden, die sich auch andernorts im Garten finden“, empfiehlt Leucht. „Das sorgt für ein harmonisches Gesamtbild.“ Zu bedenken ist generell auch, dass die Seitenstreifen oft nur schwer oder gar nicht für Baumaschinen zugänglich sind. Sind die schattig, trocknen Wege und Flächen nur schlecht ab. Deshalb rät der Experte von der Verwendung von Holz ab, und Steinplatten sollten eine möglichst glatte Oberfläche haben, um eine allzu rasche Bildung von Grünbelag zu verhindern.

Lebendige Gestaltungselemente
Nicht vergessen sollte man bei aller Funktionalität das, was ein Grundstück erst zum Garten macht: die Bepflanzung. Die trägt maßgeblich zu einer Aufwertung dieser Grundstücksbereiche bei, will aber mit Blick auf die hier oft nicht ganz einfachen Bedingungen wohl durchdacht und fachkundig ausgewählt sein. Doch Andreas Leucht macht Mut: „Die Zahl der Pflanzenarten – auch der blühenden –, die unter solchen Bedingungen gedeihen, ist groß.“ Astilben, Bergenien oder Hortensien könnten sich hier zum Beispiel wohlfühlen, und im Frühjahr bringen Blumenzwiebeln Farbe auch in diesen Gartenteil. Das Anlegen eines Rasens in schattiger Lage ist hingegen weniger empfehlenswert. „Unter diesen Bedingungen kann Rasen nicht richtig wachsen und wird eher aus Moos als aus grünen Halmen bestehen“, prophezeit der Experte. Als Rasenersatz empfiehlt er beispielsweise die Laugenblume: Die robuste Staude bildet einen moosartigen Teppich mit
gelben Blüten, den Gartenbesitzer problemlos betreten können.
Ebenfalls wichtig für die Gestaltung eines solch kleinen Gartenteils ist, sich darüber klar zu sein, wie groß die einzelnen Pflanzen einmal werden. „Für die Gartenstreifen eignen sich beispielsweise kleinwüchsige Rhododendren oder auch verschiedene Ahornsorten, die durch ihre Laubfärbung tolle Kontraste in den Garten bringen und besonders im Herbst Akzente setzen“, empfiehlt Andreas Leucht. „Überhaupt gibt es zahlreiche sehr schöne, auch für kleine Gartenbereiche geeignete Bäume, die nur einige Meter hoch werden beziehungsweise klein gehalten werden können, wie zum Beispiel Blütenhartriegel, Mönchspfeffer, Sieben-Söhne-des-Himmels-Strauch, Schneeball-Arten, Felsenbirne oder Glanzmispel.“