Bauernproteste 2024

Politik und regionale Landwirtschaft

Mit großen und spektakulären Protestaktionen sind die Landwirte in den vergangenen Monaten in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt. Nicht immer stößt das auf Verständnis. Warum die Landwirte auf die Straße gehen und wo sie genau der Schuh drückt, soll hier einmal mehr verdeutlicht werden. Denn auch Oberneuland ist ein Agrarstandort mit noch knapp 20 landwirtschaftlichen Betrieben im Voll- und Nebenerwerb, zu denen auch Pferdepensionsbetriebe zählen.

Die große Einigkeit der großen Verbände von Bauernverband und LSV-Landwirtschaft verbindet Deutschland bei den Protestaktionen und zeigte die große Verzweiflung der Bauern. Bei Lüder und Karen Haltermann betragen landwirtschaftliche Subventionen für Agrardiesel 10.000 bis 12.000 Euro pro Jahr. Es sei nicht möglich, mit Agrardiesel angetriebene Traktoren durch E-Traktoren zu ersetzen, da die nicht die benötigte Leistung bringen, macht Haltermann deutlich. „Und wir haben nicht die Möglichkeit, den Verlust des Agrardiesels abzupuffern.“ Denn beim Wegfall der Subventionen entsteht dem Hof am Hodenberger Deich ein Verlust von 1.000 Euro pro Monat. Um diese Kosten ausgleichen zu können, müssten regional erzeugte Lebensmittel teurer werden. In der Folge seien durch die höheren Kosten deutsche Landwirte international nicht mehr wettbewerbsfähig.
Und das ist einer der „Knackpunkte“, denn aufgrund der Nicht-Gleichstellung der Landwirtschaft innerhalb der EU durch unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen, verschiedene Lohn- und Umweltstandards und Anforderungen sind deutsche Landwirte nicht mehr wettbewerbsfähig. In der Nachkriegszeit wurde die Agrardiesel-Förderung als Subvention für Nahrungsmittelproduktion ins Leben gerufen. Im eigentlichen Sinne aber ist der Agrardiesel keine Subvention, sondern eine Steuerrückerstattung. Für Karen und Lüder Haltermann, die 145 Hektar bewirtschaften, bedeutet das erst einmal die komplette Steuer zu zahlen und erst im Folgejahr nach Antragstellung eine Rückerstattung von 50 Prozent zu erhalten. „Wir würden gerne ohne Subventionen arbeiten, dafür aber benötigen wir einen „Außenschutz“, formuliert Karen Haltermann die Forderung der Landwirte, die einen reduzierten Steuersatz auf Agrardiesel zahlen, um diesen auf den EU-Durchschnitt zu bringen. Die bisherige Agrardieselrückerstattung stellte bis dato die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Landwirte innerhalb der EU her.
Deutlich machte die Oberneulander Landwirtin auch, dass nicht allein die Landwirtschaft Subventionsempfänger des EU-Agrarhaushalts ist, sondern sämtliche Ministerien wie auch Küstenschutz und Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbauunternehmen zu den zehn größten Empfängern gehören. Beim Blick in die Datenbank wird deutlich, dass die größten Summen auch im vergangenen Jahr nicht an einzelne Landwirtschaftsbetriebe, sondern an Landesbetriebe, Kommunen und Erzeugerorganisationen gingen. Größter Subventionsempfänger in Bremen sind die Senatorin für Klima, Umwelt, Mobilität mit ca. 747.000 Euro und der Küstenschutz (Bremischer Deichverband am linken Weserufer) mit ca. 450.000 Euro (Daten aus 2020).
Im Laufe der Jahrzehnte nahm das Ausmaß an Vorschriften und Dokumentation enorm zu – auch das ein Kritikpunkt der Landwirte. Um freier wirtschaften zu können, beantragen Haltermanns daher nur die Basisprämie von 186 Euro/Hektar und Jahr, die bereits 2023 reduziert wurde. „Das wird in Zukunft noch weniger werden.“ In aller Regel belaufen sich die Subventionen für Landwirte auf weniger als zehn Cent pro Tag/Verbraucher. „Dafür gibt es als Gegenleistung preiswerte Lebensmittel.“ Lüder und Karen Haltermann überdenken zusehends die Antragstellung. Gerne dächten sie über das Anlegen von Blühwiesen nach, wollen sich aber nichts vorschreiben lassen, um flexibler agieren zu können. Trotz aller Maßnahmen und Überlegungen aber erhalten Haltermanns keinen Cent mehr für ihre landwirtschaftlichen Produkte. „Subventionen dienen dazu, Nahrungsmittel günstig zu machen“, auch das ist eine Wahrheit. Mit dem Erhalt von Subventionen ist der Landwirt jedoch weisungsgebunden und verliert Entscheidungsfreiheit. Haltermann rät Verbrauchern, Lebensmittel aus deutscher Produktion zu kaufen, um die regionale Wirtschaft zu unterstützen. Karen Haltermann versteht sich als Unternehmerin, die im Gegensatz zum normalen Unternehmer aber jeden Tag der Woche zuständig ist und weder schließen noch in Urlaub gehen kann. „Wir können in aller Regel nie alle gleichzeitig Urlaub machen“, berichtet sie. Es sei eine andere Art von Belastung, verbunden mit einer höheren Anzahl an Wochenstundenarbeit. Unternehmer dürften profitabel arbeiten, bei Landwirten allerdings werde Idealismus erwartet, merkt Haltermann kritisch an. Sie wünscht sich mehr fachliche Kenntnisse in der Politik, um die Sachzusammenhänge in der Landwirtschaft nachvollziehen zu können, um auf der Basis Gesetze und Regelungen zu schaffen.

Text und Foto: Sabine v.d. Decken