Das Bauern-Tagebuch

Landwirte Lüder & Karen Haltermann: „Das Grünland muss komplett neu eingesät werden”

Ende Februar fuhr Lüder Haltermann zu einer Fortbildung zum Thema Grünlandneuansaat. Denn das war zu der Zeit das Thema, das den Oberneulander Landwirten unter den Nägeln brannte. Nach zehn Wochen Wasser auf den gesamten Flächen bräuchten sie ein neues Konzept, sagte Karen Haltermann.

Theoretisch hätten die Landwirte zu der Zeit Mist und Gülle zum Andüngen der neuen Kulturen ausgefahren. Das war aber aufgrund des noch unter Wasser stehenden oder völlig vernässten Geländes nicht möglich. Folglich waren die Oberneulander Landwirte mit ihrem Jahresprogramm eigentlich Anfang März bereits im Rückstand.
Und das bedeutete, dass die notwendigen Arbeiten nach hinten verschoben werden mussten. Dadurch korrelieren aber die noch zu erledigenden Feldarbeiten mit den anderen jahreszeitlich bedingten Arbeiten. Unbegrenzt können aber Feldarbeiten nicht verschoben werden, da die Natur unabdingbaren Gesetzen unterliegt. „Es fehlen Wachstumstage.“
In der Realität waren die Landwirte Ende Februar/Anfang März damit befasst, Hochwasserschäden ihrer Flächen fotografisch für die Behörde zu dokumentieren. Ziel war es, zu verdeutlichen, dass sämtliche von der Agrarförderung geforderten landwirtschaftlichen Arbeiten unter diesen Umständen nicht geleistet werden konnten. Um die Dokumentationspflicht mit Georeferenz zu erfüllen, musste Lüder Haltermann so weit wie möglich mit dem Trecker in die überschwemmten Gebiete hineinfahren und den Rest in Gummistiefeln zurücklegen. Lüder Haltermanns 80 Fotografien zeigten auf allen Flächen nur Wasser.
Weil das Grünland so lange unter Wasser stand, ist es in diesem Jahr komplett abgestorben und muss neu eingesät werden. Es sei allerdings mehr als selten, dass in einem Jahr alles neu eingesät werden müsse, so die Landwirtin. Folglich hätten die Landwirte einen deutlich höheren Arbeitsaufwand als in Normaljahren und die Arbeit balle sich in einem kleinen Zeitraum.
Wenn die Böden aber wieder befahrbar sind, geht es bei den Oberneulander Landwirten mit Hochdruck los. Allerdings, so Jürgen Drewes, sei es im Sinne der Bodenstrukturen nicht sinnvoll, die Flächen zu früh zu befahren. „Man kann zurzeit nicht mehr tun, als abzuwarten“, sagte der Oberneulander Landwirt Ende Februar. Für die Praxis bedeute dies, so Karen Haltermann, dass statt fünf Grünlandschnitten in 2024 voraussichtlich nur mit vier Ernten im Grünland zu rechnen sei.

Ein ganz normaler Tag einer Landwirtin

„Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker, um 6 Uhr sitzen Lüder und ich am Frühstückstisch. Wir trinken zusammen einen Kaffee und besprechen den Tag: Welche Termine stehen an, was muss bei den Tieren unbedingt gemacht werden, was steht im Büro an, welche Mitarbeiter sind da? Außerdem schaue ich auf die „Kuhapp“. Hier fließen alle Daten der Kühe (Aktivität, Fresszeit, Melken u.v.m.) ein und so habe ich schon einen Überblick, was im Stall los ist.
Anschließend gehe ich in den Stall und Lüder füllt erst mal unseren Verkaufsautomaten auf. Im Stall mache ich erst mal einen Kurzcheck bei den Kühen, die bald kalben sollen. Wenn alle fit sind, gehe ich zur nächsten Gruppe mit frisch abgekalbten Kühen, die ein extra Strohabteil haben, und lasse sie zum Melkroboter. Da die Kühe bei uns eigenständig zum Melkroboter gehen, sage ich nun denen Bescheid, die das „vergessen“ haben. Dann schaue ich, ob es Kühe gibt, denen es nicht gut geht oder die krank sind.
Jetzt werden die Kälber gefüttert und nachgeschaut, ob dort alle gute Laune haben. Für den Tierarzt markiere ich heute zur Trächtigkeitsuntersuchung anstehende Kühe, dafür haben wir jeden Montag einen Termin um 11 Uhr.
Ungefähr um diese Zeit kommt unsere Teilzeitmitarbeiterin. Sie wird später die Routinearbeiten an den Melkrobotern machen (Kamera und Roboter säubern, Flüssigkeiten kontrollieren usw.). Aber zuerst müssen die Liegeboxen der Kühe abgefegt und frisch eingestreut werden. Einen anderen Teil der Boxen streut Lüder maschinell ein, nachdem er für alle Tiere das Futter rangeschoben hat. Mit der Bürokratie hat Lüder heute den ganzen Tag zu tun: Er muss mittels einer App georeferenzierte Bilder von allen Feldern mit Hochwasserschäden machen. Eigentlich sieht man auf den Bildern nur Wasser und kein Feld, aber was soll’s.
Der Tierarzt hat alle markierten Kühe untersucht. Die Termine sind immer eine gute Gelegenheit, Aktuelles zu besprechen – heute ist das eine Auswertung zur Gesundheit in der Herde und das nächste Bürokratiegebilde, das Tierarzneimittelmonitoring. Nachdem der Tierarzt vom Hof fährt, geht es auf die Mittagszeit zu und das heißt für mich: Mittagessen kochen.
Nachmittags finde ich mich im Büro wieder: Es müssen Anträge gestellt werden für die Hochwasser-Flächen. Wir werden dort die zahlreichen Auflagen, die wir erfüllen müssten, um die „Subventionen“ zu erhalten, nicht alle einhalten können. Das müssen wir der Behörde vorher mitteilen, eventuell gibt es dann eine Ausnahmegenehmigung. Ein bisschen Buchhaltung und noch ein kleiner Termin außerhalb und dann geht es um 17 Uhr wieder in den Stall. Gefüttert wurden alle Tiere inzwischen schon von unserem super zuverlässigen Futter-Team. Lüder ist zurück von seiner Fotosafari und hilft noch im Stall, bis alles fertig ist.
Den Kühen sagen wir um 19.30 Uhr gute Nacht. Lüder macht sich noch auf den Weg zu einer Versammlung, auf der die aktuellen Ereignisse rund um die Landwirtschaft besprochen werden. Morgen früh wird er davon berichten, für mich geht es aufs Sofa oder noch mal ins Büro.“

Text: Sabine v. d. Decken, Karen Haltermann