Ein einzigartiges Ensemble

Orangerie in Oberneuland

Wenn Stephan Strauß über „sie“ spricht, dann klingt jedes Wort wie aus einer Liebeserklärung. „Sie“ ist in diesem Fall kein menschliches Wesen, dafür aber ein ganz besonderes, liebenswertes und wertvolles Gebäude – die Orangerie auf dem Gelände der Tobias-Schule in Oberneuland. Der promovierte Architekt hat sich zusammen mit seiner Partnerin in der „Historische Bauwerke GbR“ der Baudenkmalpflege verschrieben. Eines der Objekte, das das Team betreut, ist die um 1800 gebaute Orangerie, die in den 1990er-Jahren letztmalig repariert wurde.

Aus diesen Arbeiten jedoch resultiert eine der Aufgabenstellungen, denen sich Dr. Stephan Strauß bei den konzipierten Maßnahmen zu stellen hatte. Er selbst nennt es die „Missverständnisse der Vergangenheit“, die jetzt aufgearbeitet werden müssen. Damit ist beispielsweise eine im Nachhinein betrachtet falsche Reparatur der Belüftung gemeint. In der Orangerie der Tobias-Schule gab es am Boden eine Luftöffnung und gleichfalls unter dem First, sodass die feuchte Luft nach oben entweichen konnte. Diese notwendige Luftzirkulation, die auch dem Erhalt der Gebäudesubstanz dient, wurde durch das Verschließen der Öffnungen am Boden unterbrochen. Genau solche Missverständnisse der zurückliegenden Reparaturmaßnahmen geht Dr. Stephan Strauß jetzt an, um so den ursprünglichen Zustand wieder herstellen zu lassen und die Substanz langfristig zu schützen.
Der Landeskonservator Professor Dr. Georg Skalecki hatte Dr. Stephan Strauß als Experten empfohlen, vermittelt und das Landesamt für Denkmalpflege unterstützt die Bauforschungsmaßnahme maßgeblich auch finanziell. Der erste Block der mehrteiligen Maßnahmen, die von den Architekten und Bauhistorikern im Detail konzipiert wurden, ist in den vergangenen Monaten angegangen worden. Dazu hat die Tobias-Schule als Eigentümerin Aufträge an heimische Handwerksbetriebe vergeben, bei deren Auswahl natürlich die Baudenkmal-Fachleute ihre Expertise eingebracht haben. Wichtig bei deren Auswahl war das Kriterium, dass die Betriebe Erfahrung bei der Renovierung historischer Gebäude haben und nicht nur auf Neubauten fokussiert sind. „Und vor allem Freude daran haben, ein solches Objekt zu bearbeiten“, ergänzt Strauß.
Im Laufe der vergangenen Jahre, so weiß Stephan Strauß zu berichten, habe man insgesamt viel mehr Wissen über das Thema Orangerien in Deutschland zusammengetragen. Zum einen mache das Internet den Wissenstransfer dazu viel leichter und außerdem gibt es mit dem „Arbeitskreis Orangerien in Deutschland“ einen ausgesprochen aktiven und rührigen Verein mit Sitz in Gotha, der sich der Erhaltung und Pflege dieser besonderen Bauwerke verschrieben habe.
Die mittelfristig geplanten Projekte bei der vorsichtigen Reparatur der Orangerie sind dann nach Abschluss aller Arbeiten an der Fensterfront das anschließende Fachwerkgebäudeteil. Zu einer weiteren Nutzung des Glasanbaus stellt sich nach Stephan Strauß auch die Frage nach dem Einbau einer zusätzlichen Heizung für die Wintermonate. Bisher werden Teile der Orangerie von den Lehrkräften und Schülern der Tobias-Schule als Lager von Gartengeräten genutzt.
Sehr gut erinnert sich der Leiter der Tobias-Schule Eckard Ströhle an seine Zeit als Praktikant dort vor 29 Jahren. Damals fanden in dem Glasanbau der Orangerie kleine Feste, Ausstellungen und Lesungen statt. Genau diese Idee hatte einer der letzten Präsidenten des Lions Club Bremer Schlüssel aus Oberneuland, Uwe Bornkeßel. Er und seine Lionsfreunde haben sich zum Ziel gesetzt, die Verantwortlichen der Tobias-Schule in der Zukunft nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch dabei zu unterstützen, die Orangerie „aus ihrem Dornröschenschlaf aufzuwecken“ und zu einer kleinen und feinen Adresse im Stadtteil zu machen, an der wieder
solche Kunst- und Kulturveranstaltungen präsentiert werden können.
Dazu hat er in einem ersten Schritt in Absprache mit dem Betreiber des neuen Edeka-Marktes an der Rockwinkeler Heerstraße, Jürgen Maaß, einen kleinen Pfand-Bon-Kasten im Markt platziert. In diesen kann, wer möchte, seinen Leergut-Bon hineinstecken und so das Vorhaben unterstützen. Bereits in den ersten Monaten nach Öffnung des Marktes kam eine sehr beachtliche Summe zusammen, die von einem anonymen Spender auf 5.000 Euro aufgestockt wurde. Mit diesem Geld, das an den Trägerverein der Tobias-Schule übergeben wurde, soll Ausstellungs- oder auch Veranstaltungsequipment angeschafft werden.
Aber hierzu müssen erst die Renovierungsarbeiten abgeschlossen sein und Dr. Stephan Strauß wird auch bei dieser Auswahl ganz sicher seine Expertise mit einsteuern. Das Oberneuland Magazin wird das Vorhaben weiter begleiten.

Text und Fotos: Christine Bornkeßel