Erntedankfest in Oberneuland
Eine jahrhundertealte Tradition…
In Oberneuland hält der Hollerländische Landwirtschaftsverein eine jahrhundertealte Tradition am Leben. Jedes Jahr wird zwei Tage vor dem Erntedankgottesdienst bei einem der Oberneulander Landwirte die mehr als 50 Jahre alte Erntekrone neu aufgebunden. In diesem Jahr fand das Binden der Erntekrone und der 15 Meter langen Girlande, die die Kirchentür schmückt, auf dem Hof von Ralf und Anke Meier am Hollerdeich statt.
Oberneuland als einer der wenigen Bremer Stadtteile feiert noch ganz traditionell das Erntedankfest. Noch während seiner Amtszeit als Vorsitzender des Hollerländischen Landwirtschaftsvereins sorgte damals Kurt Drewes dafür, dass die Oberneulander Erntekrone zum Erntedankgottesdienst durch das geschmückte Portal in die Kirche getragen und unter die Decke gezogen wird. Viel Arbeit hatten die Landwirte mit der Erntekrone in diesem Jahr nicht, wurde sie doch 2021 fast komplett neu aufgebaut. Aus Oberneulander Weizen, Roggen und Triticale, einer Kreuzung aus Weizen und Roggen, banden die Mitglieder des Hollerländischen Landwirtschaftsverein kleine Getreidesträußchen und flochten sie in die Erntekrone ein. An diesem Abend wurde ebenfalls die lange Eichenlaubgirlande gemeinsam gebunden. Oberneulands Pastor Thomas Ziaja erhielt in Meiers Scheune von Jürgen Drewes einen Crashkurs im Girlandebinden. Am Samstag brachten die Oberneulander Landwirte dann die mit Blumen und Maiskolben geschmückte Girlande am Portal der Kirche an. In diesem Jahr war sie nicht ganz so dicht bestückt wie in den Vorjahren, da Früchte und Blumen aufgrund der Trockenheit zum Zeitpunkt des Erntedankfestes nicht mehr so üppig verfügbar waren.
Jörg Lindemann, Florian Vogel, Niklas Meier und Andreas Brandt trugen die mehr als 120 Kilogramm schwere Erntekrone zum Gottesdienst am Sonntag in die Oberneulander Kirche. Hier wurde sie über dem Taufbecken hochgezogen. In diesem Jahr stand der Erntedankgottesdienst, der musikalisch vom Posaunenchor der Evangelischen Kirche Oberneuland und Organist Martin Weber begleitet wurde, unter dem Motto „Dank als Lebensgefühl“. Pastor Frank Mühring dankte den Landwirten für die von ihnen geleistete Arbeit, die Lebensgrundlage für Ernährung ist. Denn ohne die Arbeit der Landwirte würden die Teller leer bleiben, sagte er. Danken sei nicht aus der Mode gekommen, war Mührings Erfahrung, die er mit der Gemeinde teilte. Denken und Danken lägen nicht weit auseinander, so der Denkanstoß, den er mit auf den Weg gab. In seiner Predigt relativierte Mühring die durch Pandemie und Ukrainekrieg in Deutschland aufgetretenen Mängel und
erinnerte daran, dass es andere Länder in der Welt gibt, die wirklichen Mangel erleiden.
Der Oberneulander Landwirt und Vorsitzende des Hollerländischen Landwirtschaftsvereins Jürgen Drewes ließ in seiner Ansprache das Landwirtschaftsjahr noch einmal Revue passieren. Ihn freute das „volle Haus“ zum Erntedankgottesdienst sehr. Es sei ein durchwachsenes Jahr ohne harten Winter, aber in dessen Verlauf mit einer starken Trockenheit gewesen. Das Winter-hochwasser habe nicht ausgereicht, um die aus dem Vorjahr bereits ausgetrockneten Böden wieder mit Wasser aufzufüllen. Trotzdem ging die Saat der Oberneulander Bauern gut auf. Am stärksten habe der Mais zur Zeit der Kornbildung unter der Trockenheit gelitten. Auf den Oberneulander Feldern habe es Ernteeinbußen gegeben, die aber durch die Ernte auf den Feldern in der Wümmeniederung wieder etwas ausgeglichen wurden. „Im Großen und Ganzen sind wir mit der Ernte von Mais und Getreide ganz zufrieden“, sagte er. Jeder habe genug einfahren können, um seine Tiere während des Winters versorgen zu können. Trotzdem drücken auch die Oberneulander Landwirte die steigenden Kosten bei Diesel, Kraftfutter, Strom und Mineraldünger. Gemäßigt werde dieser Kostendruck allerdings durch die aktuell hohen Milch-, Fleisch- und Getreidepreise, die die Landwirte für ihre Produkte erhalten. „Wir sind ganz zufrieden“, so Drewes. Drewes erinnerte daran, dass die Oberneulander Landwirte sich im vergangenen Jahr zur Adventszeit an der Lichterfahrt, am Vogelschutzprogramm zum Schutz der Wiesenvögel, an der Rehkitzrettung und mit Blühstreifen gegen das Insektensterben beteiligten. „Das ist für uns alle gut.“
Die Botschaft des Teilens und Abgebens setzten die Landwirte zum Erntedankgottesdienst in die Praxis um und teilten mit allen Gottesdienstbesuchern ihre Kartoffelernte. Dafür standen am Ausgang Kartoffeltüten bereit. Drewes regte aber an, die in der Tüte enthaltene Kartoffelmahlzeit mit anderen gemeinsam zu verspeisen und damit ein besonderes Bewusstsein für Nahrungsmittel zu entwickeln.
Text und Fotos: Sabine v.d. Decken