„Irgendwie ist es meine Schule”

Dieter von Glahn

Dienstag ohne Dallas, Tatort ohne Inga Lürsen und Stedefreund – es gibt Dinge, die kann man sich nicht vorstellen, bis sie wahrhaftig werden. Genauso geht es Schülern, Eltern und Lehrern der Tobias-Schule: Dieter von Glahn geht in den Ruhestand.

„Ja, es ist schon irgendwie meine Schule“, sagt Dieter von Glahn. Von der ersten Minute war er in der Villa an der Rockwinkeler Landstraße mit am Start und hat sie entscheidend geprägt. Nach fast 35 Jahren ist nun Schluss. Mit Beginn des neuen Jahres übernimmt Eckard Ströhle die Geschäftsführung, bis zum Ende des Schuljahres bleibt Dieter von Glahn noch der Schwimmlehrer der Schule. Er ist selbst passionierter Schwimmer und so war es für ihn auch von Anfang an wichtig, dass die Tobias-Schüler zum Schwimmunterricht gehen. „Jeder kann nach seinen Möglichkeiten das Schwimmen lernen und eventuell die Schwimmabzeichen vom Seepferdchen bis Gold im Unterricht machen“, sagt Dieter von Glahn.
Als er sein Studium in Hamburg abschloss, fielen zwei Ereignisse aufeinander „Ich war Opfer von Lehrerschwemme und Pillenknick“, erinnert er sich. So stieg er bei dem Projekt „Maßnahme zur sozialen Eingliederung ausländischer arbeitsloser Jugendlicher“ der Hansestadt ein und unterrichtete Deutsch für Ausländer. „Um herauszufinden, warum die Jugendlichen solche Probleme hatten, Deutsch zu lernen, habe ich Türkisch gelernt“, sagt Dieter von Glahn – schon damals zeigte sich also seine Bereitschaft zum „Quäntchen mehr“, das ihn beschreibt und auszeichnet. Als das Projekt dem Rotstift zum Opfer fiel, stand der junge Familienvater vor der Arbeitslosigkeit. „Eine Zeit, die meiner Frau, die gerade ihr zweites Kind entbunden hatte, sehr gut gefiel“, sagt der Pädagoge lachend. Eine Annonce war es, die ihn auf den Waldorf-Weg brachte. „Ich war voller Vorurteile und hätte mich wahrscheinlich gar nicht erst beworben, wenn das aus der Anzeige ersichtlich gewesen wäre. Dort wurde ein Lehrer für ein Heil- und Erziehungsinstitut gesucht. Nach der Zusatzausbildung in Waldorf-Pädagogik in Stuttgart konnte sich Dieter von Glahn zwischen Prien am Chiemsee und Bremen entscheiden. Als Hanseat setzte er auf Bremen und wurde nicht enttäuscht. Dogmatisch ist die Waldorf-Pädagogik an der Tobias-Schule nicht, aber von Glahn ist davon überzeugt, dass das Team genau den richtigen Ansatz für diese besondere Schülerschaft hat.
1986 startete er mit seinen Kollegen in der Rockwinkeler Landstraße. „Ich hatte 30 Jahre Zeit, die Schule aufzubauen“, sagt Dieter von Glahn. 30 Jahre, in denen er sieben Senatoren kommen und gehen sah, in denen er Eltern mit Worten und Gesten aufmunterte, in denen er Schülern das Rückgrat stärkte, in denen er mit dem Kollegium eine Oberstufe und die neuen Schulgebäude aufbaute, in denen er für Anerkennung und Ziele meist außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit kämpfte – in denen sein Gesicht zu dem der Schule wurde. „Nun ist es Zeit zu gehen, ich möchte nicht Gefahr laufen, Eckard Ströhle rein zu quatschen.“
Für Dieter von Glahn war als Geschäftsführer immer klar, dass diese Schule nur bestehen kann, wenn sie der Öffentlichkeit bekannt ist. Dafür opferte er immer viel Freizeit. Ein dicker Aktenordner voller Presseberichte ist nur ein Zeugnis seines Engagements. Ob Theaterstücke, Eisverkauf auf der Osterwiese, gebrannte Mandeln für den Herbstbasar rühren oder auch der Kampf um eine Bushaltestelle, mehr Geld und Anerkennung. Als Senatorin Jürgens-Pieper 2010 verkündete, dass die Förderschulen im Land Bremen abgeschafft werden würden, war das ein Schlag ins Kontor. Erst durften die Kinder aus dem Umland nicht mehr kommen, dann das. Die Tobias-Schule ist immer von vielen Eltern angewählt worden, als Schule in freier Trägerschaft ist sie auf die Schulgebühr der Eltern angewiesen. Wenn aber der Finanzstatus der Familie und der Förderbedarf des Kindes nicht zusammenpassen, suchte Dieter von Glahn immer nach Wegen, die beide Seiten zufrieden machten. „Ich habe hier gelernt, mit wenig Mitteln viel zu bewegen“, sagt er. Umso glücklicher ist er, dass die Deutsche Stiftung Denkmalschutz nun auch die Sanierung der Orangerie mit in das Programm genommen hat. „Da wartet noch viel Arbeit und ohne Spenden wird es nicht funktionieren“, vermutet er und möchte künftig dieses Projekt weiter begleiten.
„Ja, ich habe immer viel gearbeitet“, gibt er zu, aber es habe Spaß gemacht. Die Feste an der Schule, ob Basar, Monatsfeiern oder Neujahrsempfang, waren auch immer Feste für ihn. „Natürlich habe ich meinen Schülerinnen und Schülern die Kernfächer nähergebracht, aber am meisten werde ich die Projekte und Klassenreisen vermissen.“ Für Letztere hat er dem neuen Geschäftsführer schon seine Teilnahme versprochen, so sie benötigt würde. Das Theater ist sein persönliches Steckenpferd. Und so wird es neben Sport auch auf seiner To-do-Liste ab Januar einen Platz finden. „Ich werde wohl kein Rentner, der nichts macht und auch kein ‚Dauerverreiser’ – aber vielleicht lese ich mehr und sehe die Enkelkinder öfter …“ Die freuen sich schon.

Text: Antje Scheinert, Foto: Antje Scheinert/privat