„Junge Familien wünschen sich das klassische Einfamilienhaus”

Interview mit Brigitte von Engelbrechten

Der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion Anton Hofreiter sorgte mit seiner Forderung, den Bau von Einfamilienhäusern künftig zu verbieten, für Aufsehen. In Hamburg-Nord werden zurzeit keine Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser mehr erteilt.
In Bremen wird viel Wert auf den Bau neuer Wohnungen gelegt. Ist hier ein Trend erkennbar? Das Oberneuland Magazin sprach mit Brigitte von Engelbrechten, Geschäftsführerin von HO Immobilien über die aktuelle Diskussion.

Frau von Engelbrechten, was war Ihr erster Gedanke, als Sie von einem bevorstehenden „Verbot von Einfamilienhäusern“ gehört haben?
Brigitte von Engelbrechten: ‘Das gibt es nicht!’ Beim genaueren Betrachten von dem Spiegel-Interview mit dem Grünen-
Fraktionschef Hofreiter hat dieser nicht ein komplettes Verbot neuer Einfamilienhäuser gefordert, sondern diese kritisch hinterfragt.

Wäre ein solches Verbot überhaupt realistisch und was bedeutet das für die Entwicklung von Städten?
Brigitte von Engelbrechten: Ich denke, dass ein solches Verbot nicht realistisch wäre, punktuell in Bebauungsplänen aber heute schon vorhanden ist. Fakt ist, dass die Menschen, heute noch mehr bedingt durch die Corona-Situation, den Wunsch nach einem Einfamilienhaus haben. Dagegen steht tatsächlich die Tatsache, dass Einfamilienhäuser viel Fläche benötigen und gleichzeitig Wohnraum für wenige Menschen schaffen.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) schreibt zu diesem Thema: „Mit dem Verbrauch neuer Flächen für Verkehrs- und Siedlungszwecke und zunehmender Versiegelung gehen vor allem die Lebensraumfunktion des Bodens, die Fruchtbarkeit und die Wasserdurchlässigkeit des Bodens verloren.
Zu den Folgen zählen der Verlust der Bodenfauna, örtliche Überschwemmungen bei starken Regenfällen, niedrige Grundwasservorräte sowie städtische Wärmeinseln durch fehlende Verdunstung. Mit den unbebauten Flächen und versiegelten Böden als endliche Ressource muss also sparsam umgegangen werden. Die Bedeutung des Bodens als Grundlage unserer Existenz muss in den Köpfen eines jeden verankert werden, denn wir brauchen ihn wie die Luft zum Atmen.“
Tatsächlich werden in Deutschland immer mehr Flächen bebaut. Laut Statistischem Bundesamt wuchsen die Siedlungs- und Verkehrsflächen von 1992 bis 2019 von 40.305 auf 51.489 Quadratkilometer. Darum sollte mit Bedacht überlegt werden, wie man vor dem Hintergrund der aktuellen Nachfrage mit den Flächen umgeht.

Was sagen Ihnen Bauwillige? Was wünschen sich insbesondere junge Familien?
Brigitte von Engelbrechten: Unsere Kunden wünschen sich das klassische Einfamilienhaus in zentraler, aber ruhiger Lage mit guter Anbindung an die Infrastruktur. Die Grundstücke sollten nicht zu groß sein, damit sie ohne großen Aufwand zu pflegen und bezahlbar sind.

Die Vertreter der bremischen Politik haben den Verbots-Vorstoß bisher zwar nicht ausdrücklich unterstützt, jedoch betont, dass der Fokus auf dem Wohnungsbau liegt und bevorzugt Reihenhäuser als Eigenheime gebaut werden sollen. Wie beurteilen Sie das?
Brigitte von Engelbrechten: Vor dem Hintergrund des Bedarfs an Wohnraum kann ich dieses verstehen, wobei es zum Teil an den Bedürfnissen der Bürger vorbeigeht.

Befürchten Sie eine Flucht in das niedersächsische Umland?
Brigitte vonEngelbrechten: Diese befürchte ich nicht, diese findet schon seit Jahren statt. Allein im Jahr 2019 sind fast 7.500 Bremer in umliegende Gemeinden nach Niedersachsen gezogen.
Wir selbst haben viele Kunden betreut, die jahrelang in Bremen nach einem geeigneten Bauplatz gesucht haben und diesen dann aber in Lilienthal, Stuhr, Weyhe, Achim, Oyten oder Ottersberg gefunden haben und nun zur Arbeit pendeln und ihre Steuern in Niedersachsen zahlen.
Neben dem Punkt der wenigen und oft sehr teuren Bauplätze in Bremen kommt hinzu, dass viele Eltern ihre Kinder lieber in Niedersachsen als in Bremen zur Schule geben.

Was müsste sich in Bremen ändern, um als Stadt weiter für alle Einkommensschichten attraktiv zu bleiben?
Brigitte von Engelbrechten: Bremen sollte versuchen, den Steuerzahlern, die zurzeit oft ins niedersächsische Umland abwandern, ein attraktives Angebot zu unterbreiten. Ich kann hier am besten für die Stadtteile sprechen, in denen wir überwiegend tätig sind. Das sind Oberneuland, Borgfeld und Schwachhausen.
Es wäre wünschenswert, gerade in Oberneuland den Charakter vom Stadtteil mit seinen großzügigen Parks und Grünflächen zu erhalten. Die Bebauungspläne geben hier in vielen Bereichen Mindestgrundstückgrößen von 1.000 bis 2.000 Quadratmeter vor, zum Teil noch mit wenig Ausnutzung. Schön wäre es, hier anzusetzen und die Mindestgrundstücksgrößen zu reduzieren, ohne diese zu kleinteilig zu machen.
Auch rückwärtige Bebauungen und Teilungen von Grundstücken sollten ermöglicht werden.
Gerade ein Stadtteil wie Oberneuland ist geprägt durch frei stehende Einfamilienhäuser.

Die geplante Bebauung des Mühlenfeldes sieht eine dichte Bebauung insbesondere mit Mehrfamilien- und Reihenhäusern vor. Was bedeutet das für ein Ortsbild und dessen Identität?
Brigitte von Engelbrechten: Dass das Mühlenfeld bebaut werden soll, ist seit Jahren klar, wobei hier zunächst eine Wohndichte von 70 Wohneinheiten geplant war.
Dass hier nun mehr als 200 Wohneinheiten entstehen sollen, bedauere ich sehr. Das Baudenkmal ‘Oberneulander Mühle’, das nicht nur die Mühle, sondern auch ihr Umfeld und die Sicht auf diese berücksichtigt, wird nicht ausreichend geschützt.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sieht der Bebauungsplan Mindestgrundstücksgrößen von 2.000 Quadratmetern vor. Umso weniger kann ich nachvollziehen, dass an dieser Stelle Geschosswohnungsbau und Reihenhäuser auf kleinsten Grundstücken zugelassen werden.
Ein solches Wohngebiet hätte ich eher als zweiten Bauabschnitt an den Büropark gesehen.
Zudem mache ich mir Sorgen wegen der mangelnden Infrastruktur.
Natürlich muss auch Oberneuland seinen Beitrag zum knappen Wohnraum und den Bedarf an neuen Flächen leisten. Ich würde mir wünschen, dass dieses nicht punktuell an wenigen Stellen mit wenig ortsüblicher Bebauung, sondern mit einer harmonischen Innenverdichtung erfolgt.

Vielen Dank für das Gespräch!