Hajo Kaemena
Nachdenkliches – Landwirtschaft & Zukunft
Im Oktober haben eine Menge Kollegen protestiert und versucht, mit der Politik und den Verbrauchern ins Gespräch zu kommen. Ich selbst war nicht dabei, ich habe vorher aber lange überlegt, ob ich mitfahren soll. Ich habe mich letztendlich dagegen entschieden, weil ich die Gefahr sehe, dass die Medien und Verbraucher den Eindruck bekommen können, dass die Bauern gegen Veränderungen auf ihren Höfen sind. Gegen Verbesserungen beim Natur-, Tier-, Insekten- und Trinkwasserschutz. Das ist aber ganz sicher nicht der Fall.
Ich persönlich halte eine Agrarwende zurück zu mehr „kleinen“ bäuerlichen Familienbetrieben und weg von „industriellen“ Großbetrieben für dringend nötig und alle Bäuerinnen und Bauern, mit denen ich spreche, sehen das genauso.
Nur: Genau diese Höfe geben gerade reihenweise auf oder sehen immer ratloser in die Zukunft. Warum? Weil sie es nicht schaffen, von den immer geringeren Preisen für ihre hochwertig erzeugten Nahrungsmittel zu überleben. Ob Milch, Fleisch, Eier, Brot, Obst oder Gemüse – es ist überall das Gleiche: Unter dem ständigen Druck des Handels hat nur noch eine Chance, wer immer mehr und immer billiger produzieren kann. Das schaffen nur die Großbetriebe, die kleinen Höfe bleiben auf der Strecke. Und dabei kommen dann zwangsläufig alle nicht gewünschten Nebenwirkungen wie Massentierhaltung, Gülleproblem, Monokulturen, Insektensterben usw. heraus.
Aber: Die Landwirtschaft ist auch nicht an allem Schuld, es gibt auch eine Menge anderer Ursachen. Jeder muss sich da mal an seine eigene Nase fassen! Wir selbst sind in der glücklichen Lage, dass wir unsere Produkte ohne Zwischenhandel direkt an die Verbraucher verkaufen können. Weil unsere Kunden Verständnis haben und bereit sind, für gute Lebensmittel einen angemessenen Preis zu bezahlen. Sicher auch, weil wir in gutem Kontakt zu ihnen sind; man kennt uns und wir reden miteinander. Leider haben aber nur wenige meiner Kollegen diese Möglichkeit. Warum? Weil die ganz große Masse der Verbraucher immer noch gezielt die billigsten Lebensmittel einkauft.
Ich meine: Sie haben es in der Hand, Sie können die Agrarwende sofort herbeiführen! Mit Ihrer Entscheidung am Ladenregal schaffen Sie eine Nachfrage. Und was nachgefragt wird, wird im nächsten Moment auch produziert.
Kein Landwirt hätte einen Stall mit beispielsweise 2.000 Schweinen, wenn er von 200 Schweinen auf der Weide besser leben könnte! Kaufen Sie nicht den billigen „Mist“, essen Sie lieber weniger Fleisch und dafür gutes! Mir ist schon klar: Viele müssen verdammt hart rechnen mit ihrem Geld und manche können sicher auch nicht mehr Geld für Lebensmittel ausgeben. Manch einer in Deutschland könnte aber auch seine Prioritäten überdenken …Fragen Sie nach hochwertigen Lebensmitteln und bezahlen Sie einen vernünftigen Preis dafür! Und fragen Sie nicht gerade im Discounter, sondern am besten bei Ihrem Fleischer, Bäcker, auf dem Wochenmarkt und natürlich direkt bei den Bauern im Hofladen (es werden immer mehr und dort wird man gerne alles zeigen und erklären). Lassen Sie sich nicht von Hochglanzwerbung täuschen! Nicht jeder HOF hat eine WIESE und nicht jede verkaufte Wurst macht BAUERN GLÜCKlich!
Fragen Sie den Marktleiter Ihres Lebensmittelgeschäftes nach regionalen Produkten direkt aus der Landwirtschaft! (manch einer wird sich dann wundern, wie gut eigentlich Essen schmecken kann). Wenn da genug Kunden fragen, wird der sich schon kümmern! Und dann hätten vielleicht auch meine Kollegen mit dem kleinen Hof auf dem Land wieder eine Zukunft!
Die Gefahr ist ganz real: Sind hier erst alle Bauern weg, dann verschwinden auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen eine große Menge Arbeitsplätze. Und die Lebensmittel kämen dann nach langer Reise klimaschädlich aus dem Ausland. Dann sollte man besser nicht mehr fragen, wie es dort auf den Feldern und in den Ställen aussieht …
Liebe Verbraucher, reden Sie mit uns Landwirten, nicht über uns!
Gemeinsam können wir alles erreichen!