Oberneulander Mühlenfeld

Entscheidung mit großer Tragweite

Es ist entschieden: Der Bebauungsplan (B-Plan) für das Mühlenfeld wurde am 13. April mit den Stimmen der Regierungsparteien unter Enthaltung der CDU in der Bremischen Baudeputation angenommen und muss damit seine letzte Hürde, die Sitzung der Bürgerschaft, passieren.

Damit sind dann endgültig Fakten geschaffen, die eine Bebauung der Felder vor der Oberneulander Mühle mit knapp 200 Wohneinheiten zulässt. Damit endet ein langer und gerade zum Schluss sehr steiniger Weg in diesem Vorhaben der Stadtplanung für Oberneuland.
Soweit die nackten Fakten. Was noch passieren kann, sind Klagen der sogenannten Innenanlieger gegen diesen Beschluss, also den Personen, die unmittelbar von dem Bauvorhaben betroffen sind. Diese juristische Auseinandersetzung hat jedoch keine aufschiebende Wirkung – bedeutet für die Investorengruppe, dass sie bereits in der Zeit, in der diese Klagen anhängig sind, mit dem Bau beginnen kann.
Die Tage und Stunden vor der Entscheidung waren für alle Beteiligten ein Auf und Ab der Gefühle. Selbst die tagesaktuellen Medien, die sich bis dahin nicht oder nur in sehr geringem Umfang für das stadtteilprägende Projekt interessiert hatten, griffen das Thema auf und die sozialen Netzwerke dienten verschiedenen Bürgern, aber auch Amtsträgern zu sehr unterschiedlichen Äußerungen.
So positionierte sich beispielsweise der Vorsitzende der Baudeputation, Falk Wagner, noch am Tag vor der Entscheidung auf Instagram klar für die geplante Bebauung. Er bewertete das Bauvorhaben in Oberneuland als sehr moderat, wenn man es mit beispielsweise den Planungen im Tabakquartier vergleiche. Der SPD-Spitzenkandidat für Oberneuland lieferte sich mit dem CDU-Kandidaten für die Bremische Bürgerschaft ein heftiges Wortgefecht über das Projekt via Facebook.
Dort beschrieb der CDU-Kandidat auch den „letzten Strohhalm“, an dem sich der Beirat zur Verschiebung der Entscheidung auf die nächste Sitzung der Baudeputation festhielt. Beiratssprecherin Tamina Kreyenhop und Ortsamtsleiter Matthias Kook baten in der Baudeputationssitzung um das Rederecht, was ihnen am Tagesordnungspunkt 24 – der Entscheidung zum B-Plan Mühlenfeld – gewährt wurde. Sie trugen ihre Zweifel an der Richtigkeit des Vorgehens der Behörde im Umgang mit den etwa 400 Einwänden zu dem B-Plan aus dem März 2022 und die fehlende Einbeziehung des Beirates vor.
Dem wurde jedoch nicht stattgegeben, da kein Fehlverhalten der Verwaltung vorläge. Bausenatorin Dr. Maike Schaefer ergriff in der Folge das Wort und unterstellte der CDU, durch diesen Antrag das Vorhaben verzögern zu wollen. Die nächste Baudeputationssitzung hätte dann erst nach der Bürgerschaftswahl vermutlich im Herbst dieses Jahres stattgefunden. Felix Eichner von der SPD schrieb am Vortag der Entscheidung dazu, dass, wenn „also etwas nicht stimmen sollte, dann ist der Rechtsweg offen“ (Anm d. Red.: Dies hätte ebenfalls keine aufschiebende Wirkung).
Bereits im Vorfeld dieser Entscheidung hatten die Verantwortlichen der Bürgerinitiative Pro Mühlenfeld mit Lars Hendrik Vogel an der Spitze in einem offenen Brief ihre Meinung zu der dann tatsächlich getroffenen Entscheidung der Baudeputation dargelegt. Darin verweist Vogel auf die fehlende Resonanz aus der Behörde und zitiert aus dem Leitbild der Freien Hansestadt Bremen die Stellen, die das Thema der Bürgerbeteiligung darstellen. Unter anderem steht dort geschrieben: „Bremer Bürgerbeteiligung braucht verlässliche und wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe.“ Vogel weiter: Diese Missachtung von Bürgerwille und bürgerlichem Engagement ist ein trauriges Kapitel der Demokratie und von gelebter Bürgerbeteiligung in Bremen.
Der Hauptkritikpunkt des Beirates und damit der politischen Vertreter des Stadtteils war der, dass auf die etwa 400 Einwände der Bürger und auch des Beirates bislang von der Behörde nicht geantwortet wurde und diese erst durch die Deputationsvorlage zusammengefasst bewertet dargestellt wurden. In der Beschlussvorlage steht, dass keiner der Einwände zu einer Veränderung der Planung führen würde und damit dem B-Plan zugestimmt werden solle. Diese Vorlage im Umfang von über 100 Seiten hatte der Beirat am Mittwoch vor Ostern erhalten, hätte diese dann beraten sollen, was aber rein zeitlich nicht möglich war. Aber dann wurde ja bereits in der Baudeputation entschieden und der B-Plan genehmigt.
Für die Beiratssprecherin Tamina Kreyenhop stellt das Vorgehen der Behörde und auch der Senatorin, auch in Bezug auf den „Ton“, einen der bedauernswertesten Momente in Bezug auf die vielmals propagierte Bürgerbeteiligung dar. Noch vor der Beratung in der Baudeputation wurde der Entwurf des B-Planes im Petitionsausschuss diskutiert und bereits dort hatte der Abteilungsleiter für Stadtplanung und Bauordnung Arend Bewernitz das sehr kurzfristige Ansetzen der Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode als eher „nicht dem Standard entsprechend“ bezeichnet. CB

Drei Fragen an…
Tamina Kreyenhop, Sprecherin des Beirates Oberneuland

Zum Prozess – Was denken Sie, hätte zu einem anderen Ergebnis geführt?

Wir haben sehr früh gewusst, dass wir lieber erst sehr spät eine Meinung zum B-Plan abgeben. Insofern haben wir gegenüber dem Erstentwurf wirklich viel erreicht. Ich weiß nicht, ob wir mehr hätten erreichen können, selbst wenn wir noch vor Auslegung mit unseren Bedenken an die Stadt gegangen wären. Die Stadt wollte ja eigentlich viel mehr Wohnungen – die Grenze war höchstwahrscheinlich, was im damals festgelegten Stadtentwicklungsplan (StEP) Wohnen steht.Eben diese 200 Wohnungen, die jetzt entstehen.
Ich glaube, dass wir uns nicht so aufgeregt hätten, wenn die Behörde am 26.2. mit Fertigstellung der Vorlage diese auch versendet und danach mit uns in einer Beiratssitzung die Ergebnisse besprochen hätte. Wir gehen ja auch deshalb auf die Palme, weil wir uns in unseren Beiratsrechten beschnitten und uns als Bürger in unserer Beteiligung regelrecht nicht ernst genommen fühlen.
Mehr oder weniger wurde uns auf diese Weise gesagt, dass wir und auch das Votum der Bürger einfach keine Rolle im Abwägungsprozess gespielt haben. Und man uns nicht ernst zu nehmen hat. Das ist ein sehr trauriger Umgang, den ich so von einer Regierungskoalition, die sich auf die Fahnen schreibt, mehr Bürgerbeteiligung zuzulassen und den Beiräten auch mehr Rechte zugestehen möchte, nicht erwartet hätte.

Was sind Ihre nächsten Schritte, wenn Sie welche einleiten wollen?

Wir werden in der kommenden Beiratssitzung gemeinsam entscheiden, wie es weitergeht. Auf jeden Fall werden wir in der Beiratssitzung selbst einmal die Erwiderungen auf unsere Einwendungen besprechen.

Was ist die wichtigste Erkenntnis aus dem gesamten Prozess inklusive des Ergebnisses?

Mehr Bürgerbeteiligung sind Lippenbekenntnisse der Regierungskoalitionäre. In diesem Fall war die Bürgerbeteiligung nicht gefragt.
Falk Wagner (SPD) und Senatorin Schaefer waren sich einig, dass selbst, wenn man es dem Beirat noch gezeigt hätte, es am Ergebnis nichts mehr geändert hätte. Und es deshalb auch egal ist, ob man es dem Beirat noch zeigt. Hier weicht meine Meinung vehement von ihrer ab – ich finde es höchst arrogant, dass der Beirat nicht vernünftig informiert wurde, obwohl wir mehrmals nachgefragt haben.
Senatorin Schaefer sagte dann sogar noch, dass sie sowieso mit Klagen rechnen würden. Die Verwaltung war der Überzeugung, den Beirat schon vorab genug beteiligt zu haben und deshalb in diesem Falle keine weitere Beteiligung notwendig gewesen sei.

Auch der Anwalt der Behörde war der Auffassung, dass man das Risiko eingehen könnte, da ja nicht der Ausschuss, sondern die Verwaltung sich falsch verhalten hat.
Was habe ich noch gelernt? In dem Moment, in dem ein Plan ausgelegt wird, kann man nur noch minimale Änderungen herbeiführen. Wir sind von der Verwaltung diesbezüglich an der Nase herumgeführt worden. Uns – ebenso wie den Bürgern Oberneulands – wurde immer suggeriert, dass wir ja immer noch nach Planauslegung unsere Bedenken vortragen können und diese auch ernst genommen werden. Das ist absolut nicht der Fall.
Wir haben unsere Bedenken vorgetragen und im Ergebnis wurden sie alle als von „untergeordneter, geringfügiger Bedeutung, die nur Randkorrekturen bedürfen“, abgetan.
(Genaues Zitat: „Die Planänderungen bzw. -ergänzungen nach der öffentlichen Auslegung sind insgesamt von untergeordneter, geringfügiger Bedeutung und stellen damit nur Randkorrekturen dar, ohne dass wesentliche Veränderungen der planerischen Grundkonzeption bzw. Betroffenheiten entstehen.)
Allein dieser Satz ist eine Ohrfeige für alle, die sich viel Mühe bei ihren Einwendungen gegeben haben.

Drei Fragen an…
Lars Hendrik Vogel, Vorsitzender der Bürgerinitiative Pro Mühlenfeld e.V. (BI)

Zum Prozess – Was denken Sie, hätte zu einem anderen Ergebnis geführt?

Es war einmal das Märchen der guten Bürgerbeteiligung.
„Bremer Bürgerbeteiligung nutzt niedrigschwellige, offene und möglichst breite Beteiligungsformate und ermöglicht positive Erfahrungen im Prozess. […]
Bremer Bürgerbeteiligung braucht verlässliche und wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe.“ (Auszug aus: „Leitbild und Kriterien der Bürgerbeteiligung in der Stadt Bremen“) Dieses können wir nunmehr nur als Lippenbekenntnisse werten.
Wir sind 2018 als überparteiliche BI für eine sensitive Bebauung des Mühlenfeldes angetreten. Alle die uns auf demokratischer Ebene zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mit 400 konstruktiven Einwendungen und fast 5.000 Unterschriften online auf Petitionen haben wir ausgeschöpft. Das Ergebnis: Es gab keinerlei Rückmeldung oder Dialog seitens der ausführenden Behörden.
Bürger-Einwendungen implizieren bei den Einreichern, dass sie auch eine Beantwortung erfahren – und diese nicht erst nach einem Beschluss.
Ein offener, fairer und konstruktiver Dialog hätte für alle ein deutlich besseres Endergebnis gebracht.

Was sind Ihre nächsten Schritte, wenn Sie welche einleiten wollen?

Wir als BI haben nach dem Depu-Beschluss keine weiteren Möglichkeiten mehr, inhaltlich die Themen zu verbessern. Rechtliche Schritte können noch seitens der Planinnenanlieger und des Beirats eingebracht werden. Diesen werden wir gerne unterstützend zur Seite stehen.

Was ist die wichtigste Erkenntnis aus dem gesamten Prozess inklusive des Ergebnisses?

Man wird als Bürgerin und Bürger in der Bremer Politik und den Leitmedien nicht ernst genommen. Reduziert auf eine sehr unglückliche Worthülse und ins Lächerliche gezogen. Wir als Oberneulander BI wollen Wohnraum. Wollen Sozialwohnungen. Wollen junge Familien im Stadtteil.
Aber alle sachlich vorgetragenen Argumente werden ignoriert.
Bremen hat jetzt zwei bekannte Märchen: Das eine der Brüder Grimm und das andere der Bremer Bürgerbeteiligung.