Rodrigo Blumenstock – Ein Leben für die Musik

Mit dem eindringlichen, ausdrucksstarken Klang seiner Oboe gibt Rodrigo Blumenstock im Orchester der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen den Stimmton A an, nach dem sich alle anderen Instrumente richten. Zudem ist der Oberneulander Dirigent des Bremer Orchesters sinfonia concertante.

Seit 1988 ist Rodrigo Blumenstock Solo-Oboist der Deutschen Kammerphilharmonie und gehört somit zu den Bläsern „der ersten Stunde“, denn bis dahin war das Orchester ein reines Streicherensemble. 1992 siedelte das Orchester von Frankfurt am Main nach Bremen um und ist seitdem unter dem Namen „Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen“ bekannt. Durch diesen Umstand zog es auch den Musiker nach Bremen, der seitdem in Oberneuland lebt.
Rodrigo Blumenstock wird in Ulm geboren und wächst in einer Musikerfamilie auf. Als die Familie nach Spanien zieht, ist er vier Jahre alt, dort lernt er in Madrid zunächst Klavier und später klassische Gitarre. Nach dem Rück-Umzug nach Ulm entdeckt der Deutsch-Spanier als Zwölfjähriger die Oboe für sich. „Ich wusste, dass ich ein Blasinstrument erlernen wollte und spielte mit dem Gedanken an die Oboe“, erinnert sich Blumenstock. Den letzten Impuls setzt ein Lehrer, der junge Musiker für die Besetzung des Schulorchesters sucht. „Das Musizieren in einem Orchester birgt auch eine soziale Komponente. Die Gruppe aller Musiker ist ein Team, das lernen muss, als solches zusammenzuarbeiten“, so Blumenstock. Nach dem Abitur studiert er zunächst Schulmusik in Freiburg, darauf folgt das Aufbaustudium für Oboe und die Aufnahme in die Solistenklasse der Musikhochschule Hannover.
Die Oboe gehört zu der Familie der Holzblasinstrumente mit Doppelrohrblatt. Ihren Ursprung hat sie im 17. Jahrhundert als Weiterentwicklung der Schalmei. Der Name Oboe stammt aus dem Französischen und bedeutet „hohes“ oder „lautes Holz“. Das Instrument kann sowohl scharf als auch zart klingen. Sie ist aus Eben-, Buchsbaum- oder Grenadillholz, das mit silbernen Klappen versehen ist und an dessen Ende ein doppeltes Rohrblattmundstück sitzt. Viele kennen sie als Stimme der Ente aus Prokofjews „Peter und der Wolf“ oder ihren engelhaften Ton, wenn sie im Adagio in Mozarts „Grand Partita“ erscheint.
Weniger bekannt sind die Mühen des Oboisten, das Mundstück für sein Instrument herzustellen, es im Konzert ständig feucht zu halten und dann noch durch gekonntes Blasen zum Schwingen zu bringen und diese wunderbaren Töne zu erzeugen. Da taucht die Frage auf, ob es schwer ist, Oboe zu spielen. Immerhin stand die Oboe mal im Guinness-Buch als das schwerste Instrument. Beim Spielen werden die Lippen nach innen gerollt, und dann muss, ohne das empfindliche Doppelrohrblatt des Mundstücks zusammenzudrücken, ein konstanter Druck erzeugt werden, mit dem man den Luftstrom durch diese kleine Öffnung in den Korpus schiebt. „Die Anfangshürde zum Erlernen des Instruments ist hoch. Es braucht eine gute Atemtechnik und die nötige Lippenspannung, auch das Zwerchfell arbeitet mit“, erklärt Rodrigo Blumenstock.
Seit über 30 Jahren setzt Rodrigo Blumenstock als Oboist besagte Lippenspannung für Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ein, deren Geschichte zur echten Erfolgsstory geworden ist. Ein Orchester, das weltweit Erfolge zu verbuchen hat und dessen Bekanntheitsgrad über Europa hinaus bis Asien und in die USA reicht. Auch mit seiner Organisationsform als unabhängiges Orchester-Unternehmen, dessen Mitglieder zugleich Gesellschafter sind, nimmt Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen eine weltweit beispiellose Rolle ein. Sie ist zudem ein Aushängeschild: für klassische Musik und die Stadt Bremen – ganz nach dem Motto „buten un binnen – wagen un winnen“, wie Rodrigo Blumenstock betont. Und nicht zuletzt die Abo-Konzerte in der Glocke, Auftritte beim Musikfest Bremen oder beim Sommer in Lesmona haben dem Orchester eine große Fangemeinde in Bremen und umzu beschert.
Zu einem der Highlights der Bremer Musikanten gehört das Beethoven-Projekt, für das sie verschiedenste Schallplattenpreise erhielten und weltweit von den Medien hoch gelobt wurden. Ein weiteres Projekt ist das Zukunftslabor, eine beispielhafte Zusammenarbeit mit der Gesamtschule Bremen-Ost. 2007 ließen sich die Musiker mit professionellen Probenräumen im Komplex der Schule nieder. Seitdem proben sie dort für ihre Konzerte und entwickeln Formate für und mit den Schülern. Zusätzlich zu diesem kostenlosen Angebot gibt es noch zahlreiche weitere Projekte, in denen die Kinder sich noch aktiver einbringen können. Einmal pro Jahr wird eine große „Stadtteiloper“ aufgeführt, bei der Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene aus Bremen-Osterholz mitwirken können. Ein anderes Projekt, „Melodie des Lebens“, ermöglicht Kindern, Lebenserfahrungen oder auch Beziehungsthemen musikalisch aufzuarbeiten.
Auch wenn der Oboist und seine Musikerkollegen der Kammerphilharmonie Bremen des Öfteren ganz bewusst auf einen Dirigenten verzichten, nimmt Rodrigo Blumenstock gerne bei einem weiteren Bremer Orchester selbst den Taktstock in die Hand. 2003 gründete er zusammen mit drei Kollegen die „sinfonia concertante“. Das Orchester setzt sich aus Mitgliedern der Kammerphilharmonie, aus freischaffenden Musikern und kundigen Laien zusammen. „Das aktive Musizieren hat in Bremen eine große Tradition. Zum freien Ensemble der sinfonia concertante gehören Menschen jeder Alters- oder Berufsgruppe. Alle sind gut ausgebildet, Laienmusiker oder Musikstudenten, aber durchaus professionell agierend“, so Blumenstock. Sie alle eint die Liebe zur Musik und die Freude, miteinander zu musizieren, aber auch gemeinsam aufzutreten. Die Förderung durch die Waldemar-Koch-Stiftung hat es dem Orchester ermöglicht, Aufträge für eigene Komponisten zu erteilen, die von den KomponistInnen, von der ersten Probe des Werks bis zur Uraufführung, begleitet werden.
Durch seine Tätigkeit in gleich zwei Bremer Orchestern ist der Musiker häufig auf Reisen oder arbeitet eben genau dann, wenn andere Freizeit haben, nämlich am Wochenende oder spät abends. Als Kontrapunkt zum quirligen Bühnenleben sieht der Vater von drei Kindern seinen Wohnsitz im ruhigen Oberneuland. Das gemütliche Haus, besonders das Musikzimmer, und der große Garten sind Mittelpunkt des Familienlebens, auch nachdem die Kinder bereits in anderen Städten leben. „Die beiden Jüngsten sind hier in diesem Haus geboren. Alle Kinder sind in Oberneuland zur Schule gegangen, haben hier Freunde gefunden und gemeinsam den Garten bevölkert“, erinnert sich Blumenstock. Gerne wird bei den gemeinsamen Treffen musiziert, denn alle Kinder spielen natürlich ein Instrument. Auch Ehefrau Ana Maria de Sousa Blumenstock, die als Musiktherapeutin in der Palliativmedizin tätig ist.
Zum nichtmusikalischen Freizeitprogramm der Familie gehören als Ausgleich Fahrradtouren zum Oberneulander Deich.

Die nächsten Konzerte der sinfonia concertante

Sonntag, 9. Januar 2022, 19.00 Uhr
KIRCHE UNSER LIEBEN FRAUEN, BREMEN
Programm: Anton Bruckner, Sinfonie Nr. 9
In einer Bearbeitung von Stephan Tetzlaff

DIENSTAG, 8. Februar 2022, 17.00, 18.30, 20.00 Uhr, KUNSTHALLE BREMEN
La Musique aux Tuileries, Ein Abend mit Literatur, Performance und Musik

Text: Meike Müller, Foto: Meike Müller