Sarah Flesch & 14+

Die Gemeinde Oberneuland hat seit dem 1. März eine neue pädagogisch-diakonische Mitarbeiterin: Sarah Flesch tritt die Nachfolge von Irina Schwerdtfeger an.

Ein offenes Lachen, strahlend blaue Augen und einen pragmatischen Geist sind drei Attribute, mit denen Sarah Flesch die Jugendlichen des Stadtteils empfängt und abholt. Dass sie einmal pädagogisch-diakonische Mitarbeiterin werden würde, lag bei ihrem Lebenslauf nicht grade auf der Hand. „Ich bin zwar in einer freikirchlichen Gemeinde groß geworden, merkte aber als Jugendliche, dass kritische Fragen nicht gern gesehen waren und habe mich auf die Suche nach meinem Theologieverständnis gemacht. Fündig wurde ich nach 15 Jahren in der evangelischen Kirche“, erklärt sie.
Zuvor hat sie einen Bachelor in Kommunikation mit Schwerpunkt Interkulturelle Kommunikation und Master in Internationaler Politik mit Schwerpunkt Menschenrechte mit dem Ziel, in die Entwicklungshilfe zu gehen, gemacht. Im Nebenfach belegte sie ein Bibelstudium, stand als Singer-Songwriterin auf den Bühnen der Hauptstadt und arbeite als Coach für Jugendliche.
Deswegen liegt ihr Augenmerk auf der Arbeit mit Jugendlichen. „Ich bin selbst durch viele Täler gegangen und kann Jugendliche auf dem Weg zwischen Kind und Erwachsensein gut verstehen und abholen“, ist sie überzeugt. Die Zahlen geben ihr recht. Als sie sich erstmals in das Zoom-Meeting des Jugendkellers einloggte, nahmen acht Jugendliche teil. Jetzt sind es 20.
Ihre Babysitterin – Sarah Flesch ist Mutter von zwei Jungen – war es, die sie auf die Stelle in der Gemeinde aufmerksam machte. „Als ich das hörte, wusste ich, das ist meine – es war so einer der ‚Gottfaktoren’ im Leben“, sagt die 37-Jährige. „So war dann auch meine Bewerbung eher ein emotionales Motivationsschreiben“, sagt sie lachend. Sie genoss die verschiedenen Bewerbungsstufen – es sei gut, wenn sich beide Seiten so beschnuppern und kennenlernen können – und freute sich, dass sie gleich nach ihrer Probe-Andacht im Januar die Zusage bekam.
„Es fühlt sich so an, als ergäben alle meine Ausbildungswege jetzt einen Sinn. So etwas passiert sonst nur in Romanen oder anderen, aber nun bin ich es. Das nenne ich göttliche Weichenstellung.“
Wer denkt, dass es in diesen Zeiten besonders schwierig sei, eine neue Stelle anzutreten, die auch noch Kontakt und Kommunikation im Fokus hat, rechnet nicht mit der Power und dem Pragmatismus von Sarah Flesch. Ihr Ziel ist es, die Jugendlichen nach der Konfirmation in die Gemeinde einzubinden. Normalerweise kehren gerade dann die Jugendlichen der Kirche den Rücken. „Leben teilen – lebendig glauben – glaubhaft leben“ ist die Maxime der Gemeinde, die vielleicht Pubertierende nicht so wirklich catcht.
Zu viel haben diese Jugendlichen mit ihren eigenen Gefühlswelten, Ängsten und Wünschen zu tun. Zu Wenige wissen, dass „Leben teilen“ da wirklich helfen kann.
Sarah Flesch ist mit vier Geschwistern aufgewachsen und hat selbst erfahren, wie wichtig ehrliche Hilfestellung ist. „Es sind die großen Themen wie Depressionen, Leistungsdruck, Sexualität, Soziale Medien, denen sich die meisten Jugendlichen in ihrem Elternhaus und Umfeld nicht unbedingt öffnen.
Ich spreche sie an und moderiere in einem vertrauten Raum.“ Derzeit bietet sie drei verschiedene Jugendkeller-Zoom-Formate an: Das eine ist gemeinsames Abhängen mit ein bisschen Quatschen, das andere eine Andacht und das dritte eben die Diskussion starker Themen mit strengem Verhaltenskodex.
„Corona gibt mir die Gelegenheit, die Jugendlichen und ihre Themen bei individuellen Spaziergängen kennenzulernen“, sagt sie. „Analog“ konnte sie mit den Jugendlichen bis dato eine Osterkerze basteln und eine Ostergeschichten-Schnitzeljagd-Radtour zwischen verschiedenen Gemeinden durchführen. Für alle offensichtliche Spuren ihres Tuns sind die Plakate, die derzeit überall in Oberneuland und Umzu zu finden sind: „Wir suchen mit dem Referent*innen Pool der Evangelischen Jugend Bremen einen Wohnwagen, um künftig für alle Gemeinden ‚Kirche im Wohnwagen’ anbieten zu können.“
Mit Sarah Flesch bietet die Kirche Oberneuland Jugendlichen eine offene, authentische und aktive Partnerin, an deren Namen sich Eltern gewöhnen werden. „Ich freue mich sehr über diese Art der Entwicklungshilfe. Man muss nicht in die Weiten ziehen, wenn man vor Ort aktiv helfen kann.“

Text: Antje Scheinert, Foto privat