Starker Widerstand

Einsprüche gegen die Mühlenfeld-Bebauung

Eines darf man als gegeben hinstellen: Mit der geplanten Bebauung des Mühlenfelds ist in Oberneuland niemand glücklich. Die Oberneulander Mühle mitsamt dem Feld davor, der freie Blick von allen Seiten, ist ein sehr sensibler Bereich, der den Stadtteil seit alter Zeit geprägt hat, ein kulturelles Erbe sozusagen – das Wahrzeichen des Dorfes Oberneuland.
In zahlreichen Veranstaltungen beschäftigten sich die Bürger mit dem Vorhaben. Unter anderem in einer Zukunftswerkstatt. Dass auf dem Gelände gebaut werden soll, war jedoch unumgänglich geworden und von den meisten auch akzeptiert. Doch das gilt für die Art und Weise überhaupt nicht. Waren hier anfangs, im Jahr 2017, nicht mehr als 70 Wohneinheiten geplant, so ist jetzt von 198 Wohneinheiten die Rede. Neben dem Beirat, dem Bürgerverein Oberneuland e.V. und der Bürgerinitiative „Pro Mühlenfeld e.V.“ leisten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger mit einem Einspruch Widerstand.

Seit dem 18. Januar haben die Oberneulander Bürgerinnen und Bürger nun Gelegenheit, sich im Ortsamt und im Internet mit dem Bebauungsplan 2371 noch einmal intensiv zu beschäftigen. Bis zum 1. März kann jedermann bei der Baubehörde sachlich berechtigte Einwände geltend machen. Eine herausfordernde Aufgabe für Menschen, denen diese Materie und der Umgang mit Behörden nicht
so geläufig sind. Allein die Begründung für das Bauvorhaben hat einen Umfang von 46 Seiten. Hinzu kommen 67 Seiten an Anlagen und elf verschiedene Gutachten zu Schallschutz, Verkehr, Artenschutz, Niederschlags-, Oberflächenwasser und und und. Akribisch wurde in den letzten Jahren daran gearbeitet. Sechs Wochen Zeit blieb den Oberneulandern jetzt für einzelne Einwände. Zum Redaktionsschluss war nicht bekannt, wie viele Einwände bei der Behörde eingingen und was deren Inhalt ist. Das Stimmungsbild ist jedoch eindeutig: der Widerstand ist sehr groß.
Mit mehreren Informationsständen vor Ort machte der Bürgerverein Oberneuland zusammen mit dem Verein „Pro Mühlenfeld e.V.“ die Bürgerinnen und Bürger auf die Möglichkeiten aufmerksam, die Baubehörde auf Mängel im Bebauungsplan und in den Gutachten hinzuweisen. Dass Wohnraum dringend benötigt wird, ist unbestritten. Aber ist das die Grundlage für ein egal wie?
Seit 1614 steht an dieser Stelle die Oberneulander Mühle – dass Wahrzeichen des Dorfs Oberneuland. Nach der geplanten Bebauung des Mühlenfeldes wird dieses Bremer Kulturdenkmal kaum noch zu sehen sein.
Daneben kommt es zu einem deutlich erhöhten Verkehrsaufkommen durch zu viele Wohneinheiten. „Es droht ein „Verkehrs-Infarkt“, so Pro Mühlenfeld. „Schon jetzt staut es sich täglich auf der Franz-Schütte-Allee Richtung Oberneuland. Auch die Rockwinkeler Landstraße weist eine tägliche Staurückbildung auf. Der erhöhte Kfz-Zuwachs durch die Bebauung wird zu einem Verkehrs-Kollaps führen!“
Weiterhin fehlt es an ausreichender Infrastruktur zu Kitas, Schulen und ÖPNV. Schon jetzt gibt es für die Kinder kaum Platz in den Schulen und Kindergärten im Ortsteil. Sehr kritisch werden die hohen Mehrfamilienhäuser an der Rockwinkeler Landstraße gesehen, die als Lärmschutzriegel dienen sollen. Sie verändern das Ortsbild nachhaltig und passen sich nicht in die bereits vorhandene Umgebung ein.
Für alle, die dazu und zu anderen Bedenken ihre Einsprüche anmelden wollen, leistet der Verein Pro Mühlenfeld, in Kooperation mit dem Bürgerverein Oberneuland, Hilfestellung, u.a. mit entsprechenden Vordrucken. Zusammen mit dem Hinweis, die Einwände müssten schlüssig, nachvollziehbar und sachlich begründet sein.
Mögliche Gründe für einen Einspruch sind, dass Gesetze oder Verordnungen nicht beachtet wurden oder dass der Bebauungsplan dem Flächennutzungsplan inhaltlich widerspricht. Daneben kann man auf Aspekte hinweisen, die Ermessensentscheidungen sind, beispielsweise die zu erwartende Lärmbelastung.

Beirat mit massiven Bedenken

Auch der Beirat Oberneuland meldete sich auf seiner Februarsitzung noch einmal zu Wort, um nochmals mit einer Stimme seine Bedenken zu äußern. Beiratssprecherin Tamina Kreyenhop fasste zusammen, worum es dabei geht.
Es sollen keinesfalls viele Wohnungen auf kleinem Gebiet errichtet werden. Die in Oberneuland akzeptable Grundstücksgröße von 200 Quadratmetern darf nicht unterschritten werden. Im Plan sind bei den Reihenhäusern nur 165 Quadratmeter vorgesehen. Mit anderen Worten: Die geplanten 198 Wohneinheiten sind immer noch zu viel, 150 müssen ausreichen. Sie fordert eine zweigeschossige Bauweise an der Rockwinkeler Landstraße und maximal drei Geschosse entlang der Bahn, denn in Oberneuland sind die Bauhöhen grundsätzlich auf ca. elf Meter gedeckelt. Üblich ist eine zweigeschossige Bauweise. Die Bauhöhe an der Rockwinkeler Landstraße beträgt aber 14 Meter, an der Bahn sogar 19 Meter. Mit 19 Metern überragen die Geschossbauten fast die Mühle.
Die dem Verkehrsgutachten zugrunde liegende Verkehrszählung ist ihrer Meinung nach als nicht realistisch anzusehen, da sie 1.) nur an EINEM Tag durchgeführt wurde und 2.) während einer Zeit, in der viele Berufstätige wegen der aktuellen Lage im Homeoffice tätig waren.
Nicht akzeptabel ist, weshalb die Planung an der Rockwinkeler Landstraße ausdrücklich keine Haltestelle für einen Linienbus vorsieht. Spätestens nach einer Bebauung sollte die Buslinie 33 – eine längst bekannte Forderung des Beirats – endlich über diese Strecke geführt werden. Die Besucher des Lür-Kropp-Hofs, die Bewohner der anliegenden Seniorenheime, die Schüler der Tobias-Schule, die Aktiven in den Sportvereinen und letztlich die Bewohner des Mühlenfelds brauchen kurze Wege zum öffentlichen Nahverkehr.
Nicht ausreichend in der Begründung sind die Informationen zum Ablauf des Brauchwassers aus den Häusern, das Regenwasser soll auf den Grundstücken versickern. Wer kontrolliert, dass die Flächen nicht versiegelt werden? Klärungsbedarf besteht offenbar auch zum Baumbestand längs der Rockwinkeler Landstraße. Diese Bäume stehen alle unter Baumschutz. Tatsächlich sollen die Bäume laut Plan stehen bleiben, bis auf drei, die für die Planstraßen A und D zu fällen sind. Kay Entholt, Vorsitzender des Bürgervereins, fragt, „in welcher Entfernung die Gebäude dann von den Bäumen stehen sollen?“. Der Zeichnung zufolge seien das nur zwei Meter. Dazu Tamina Kreyenhop: „Der Abstand zu den Mehrfamilienhäusern an der Rockwinkeler Landstraße sollte mindestens 15 Meter betragen; der Abstand zum geplanten Rad- und Fußweg mindestens einen Meter. Abgesehen davon werden auf dem gesamten Areal 12 Bäume gefällt, die der Baumschutzordnung unterliegen und 32 nicht geschützte Bäume. Diese aber im hinteren Bereich nahe der Bahnlinie. Im Gegenzug sollen 72 neue Bäume vor Ort, also im Mühlenfeld, gepflanzt werden.“
Dies sind einige der bereits vorgetragenen Einwände. Je mehr qualifizierte Einwendungen bei der Baubehörde bis zum März eingehen, desto größer ist die Chance, dass die Behörde die Bebauung einer weiteren Prüfung unterziehen muss.

Text: Eberhard Matzke