Von Hügeln und Schafen

Lieblingsplätze in unserer Region: Pestruper Heide

Warum in die Ferne schweifen… in der Nähe gibt es so viel zu entdecken! Alles für die kleine Auszeit zwischendurch, den Kurzurlaub am Wochenende. Entdecken Sie mit dem Oberneuland Magazin die Lieblingsplätze in unserer Region!

„Eigentlich wollten wir in die Lüneburger Heide fahren“, erzählt Spaziergängerin Jutta Hildebrandt. Ja, eigentlich. Aber: „Dann war uns das zu weit an dem Wochenende, zu viel Fahrerei. So sind wir auf die Pestruper Heide gekommen.“ Und ihr treu geblieben. Denn mittlerweile kommen die Hildebrandts regelmäßig hierher, genießen die wohnort-nahe Auszeit vom Alltag. Und natürlich die Heidelandschaft!

Südöstlich von Wildeshausen im Landkreis Oldenburg, da liegt sie, die Pestruper Heide. Und der Name, der stimmt! Heide bis zum Horizont – eine faszinierende Landschaft, die dem Auge Raum lässt. Eine wahre Augenweide nicht nur Ende August, wenn die Heide blüht, sondern zu jeder Jahreszeit – auch schon im Winter und im frühen Frühjahr. „Ich mag das Hügelige, die Hügel sind malerisch“, sagt Spaziergängerin Jutta Hildebrandt. „Und immer mal wieder Bäume zwischendrin. Herrlich!“ Eine faszinierende Landschaft eben. Doch was ist es für eine Landschaft?
Nun, zunächst einmal sind das Pestruper Gräberfeld und der Rosengarten zu erwähnen. Diese beiden Flächen bilden ein insgesamt 39 Hektar großes Naturschutzgebiet. 39 Hektar Heidefläche, das ist weit und breit einzigartig. Ein Naturschutzgebiet übrigens, in dem – eben aus Schutzgründen – Wegegebot gilt. Hunde müssen ganzjährig an der Leine gehen.
Das Pestruper Gräberfeld – auch ein Fauna-Flora-Habitat nach EU-Richtlinie – wird vom Landschaftsschutzgebiet Pestruper Heide und Lehmkuhle umgeben. Etwas weiter östlich liegt der Rosengarten, dessen Name auf einen einst starken Wildrosenbestand zurückgehen soll. Der Rosengarten trifft im Norden auf das Naturschutzgebiet Pestruper Moor – es gilt als wildestes Niedermoor im Oldenburger Land und liegt im Landschaftsschutzgebiet Mittlere Hunte. Man sieht also: Hier wächst und blüht nicht nur allerorten Heide, hier ist auch alles bis ins kleinste Blättchen aufgeteilt und geordnet. Und geschützt.
Grün ist die Heide? Nicht nur! Zwar können Baumsamen im dichten Heidekraut nicht aufgehen, doch trotzdem sehen Spaziergänger hier nicht nur Horizont und Heide, sondern auch Bäume. Wir werden auch gleich sehen, woran das liegt. Zunächst aber stellt sich die Frage nach den Gräbern. Und so führt uns der Besuch in der Pestruper Heide gleich tief hinein in die Geschichte. Richtig tief. Denn die 39 Hektar Heidefläche, sie sind zugleich die größte Ansammlung von bronze- bis eisenzeitlichen Grabhügeln in Nordeuropa – so etwas gibt es in dieser Form nirgendwo sonst. „Bereits 1819 erließ die Herzogliche Kammer in Oldenburg die erste Verordnung zum Schutz von Großstein- und Hügelgräbern. Die Fläche ist seit Langem im Besitz der Landesforsten“, heißt es bei den Niedersächsischen Landesforsten.
Mehr als 530 Grabhügel sind es insgesamt, auf und zwischen denen wir uns hier bewegen. Die meisten von ihnen sind vergleichsweise klein, sprich: Sie sind etwa 1,50 Meter hoch. Diese Hügel gehen auf die Bronzezeit und die vorrömische Eisenzeit (ca. 2000 v. Chr. bis etwa um die Zeitenwende) zurück. Andere Hügel sind größer, sie werden auch „Königsgräber“ genannt und wurden vermutlich als Verbrennungsstätten genutzt. Dritter Hügel-Typus: die länglichen „Hochäcker“.
Spazieren wir zurück in die Gegenwart. Und wem begegnen wir da? Schafen! Bereits 2007 war erstmals wieder eine Heidschnuckenherde hier in die Heide gebracht worden. Die Schafe haben hier einen wichtigen Job. Sie fressen abgestorbene Heidepflanzen und befreien das Areal zudem von Gräsern wie zum Beispiel von der Drahtschmiele, die sich überall dazwischen schlängelt. Sieht zwar schön aus, stört aber Heidewuchs und Heideblüte!
Die vierbeinigen Landschaftspfleger – im Jahr 2019 zum Beispiel waren es Diepholzer Moorschnucken, die als ausgesprochen genügsam gelten – wurden engagiert, um ein Problem anzugehen: Überalterte Heidepflanzen waren 2005 vom Heideblattkäfer befallen worden, hinzu kam die Ausbreitung der Drahtschmiele. Das Forstamt reagierte und schickte im Frühjahr und im Herbst Schafe in die Pestruper Heide. Mit Erfolg. Die Heideflächen haben sich seither verjüngt, was sie gestärkt hat; zudem sind die Käfer keine Gefahr mehr und die Drahtschmiele ist weitgehend verschwunden.
Nicht verschwunden: Bäume. Mitten in einer Heidelandschaft Baumbestand, das ist ungewöhnlich. Aber es gibt eine Erklärung dafür, dass wir mitten im Pestruper Gräberfeld eine Birkengruppe sehen. Hier ist, so heißt es, im Zweiten Weltkrieg – 1944 – ein US-Bomber abgestürzt, nachdem das Geschütz einer Flugabwehrkanone ihn getroffen hatte. Der Einschlag des Flugzeugs vernichtete das Heidekraut rund um die Absturzstelle. Birkenflugsamen fanden hier in der Folgezeit eine fruchtbare Fläche. So wuchsen sie, die Birken in der Heide.
Sehr zur Freude von Spaziergängerin Jutta Hildebrandt. Die Bäume geben dem Auge Halt in der Weite der Heidelandschaft, findet sie. Auch die Schafe sieht sie gern; sie und ihr Mann fangen ihre Rundgänge gern beim Schafstall an. Wenn man Glück hat, kann man auch mal zuschauen beim Schafescheren. Der Hütehund zeigt sich, der hier – sozusagen von Berufs wegen – Ausnahmerechte genießt und frei herumlaufen darf.
Na, und dann gehts auch schon los. Zwei Runden geben grobe Orientierung, die eine dauert etwa eine Stunde, die andere zwei, erzählen die Hildebrandts. „Und überall findet man Bänke. Man kann sich mal hinsetzen, ein bisschen Rast machen, das gefällt uns sehr gut.“ Die Wegeführung schätzt das Ehepaar ebenfalls: „Die Wege schlängeln sich so schön, es geht nicht immer nur einfach geradeaus.“ Wo starten? Ganz einfach am Wanderparkplatz Pestruper Gräberfeld. Er liegt an der Pestruper Straße in Wildeshausen. Straße queren, dann führt der sandige Heideweg gleich zum Schafstall. Anschließend gehts um Gräberfeld und Heidefläche herum. Immer wieder führen kleine Abzweigungen und Wege weiter in die Heidelandschaft hinein. Vor allem aber spaziert man gleichsam von Ausblick zu Ausblick, von Höhepunkt zu Höhepunkt. Wer einmal mit dem Fotografieren begonnen hat, mag kaum wieder damit aufhören.
Am westlichen Rand der Heidefläche liegt ein Rastplatz mit Tisch. Hier führt das Schild „Kleinenknetener Steine“ waldeinwärts und letztlich auf den Lohmühlenweg. Dieser führt in Richtung Süden (und zunächst auch durch Wald; vom Waldrand aus geht ein Pfad zu den Kleinenknetener Steinen, sprich: zu zwei jungsteinzeitlichen Hünengräbern). Ein Pfad führt von hier wieder weg, wenig später geht es nach links in Richtung Pestrup – einmal mehr über einen Weg, der viele schöne Aussichten bietet. Bevor die Hunte erreicht wird, führt der Wanderweg in Richtung Rosengarten und Pestruper Moor. Eine Abzweigung leitet zurück zum Startpunkt, zum Wanderparkplatz Pestruper Gräberfeld. Etwa acht Kilometer sind dann – nach ungefähr zwei Stunden, je nach Tempo, Pausenlänge und Foto-Auszeit – absolviert.
Und das mit großem Vergnügen, wie Spaziergängerin Jutta Hildebrandt noch einmal betont. Lüneburger Heide? „Da sind wir jetzt noch gar nicht wieder gewesen. Wir kommen immer wieder hierher, in die Pestruper Heide. Alle paar Wochen machen wir das. Meinem Mann tut die frische Luft richtig gut.“

Text und Foto: Claudia Kuzaj