Wie geht es weiter auf dem Mühlenfeld?

Einsprüche laufen, Protestaktion vor Ort

Die Einwände sind geschrieben und abgegeben. Nun heißt es abwarten, wie die zuständigen Stellen diese berücksichtigen. Aber eines ist sicher: Es besteht weiterer Klärungsbedarf. Die Bürgerinitiative „Pro Mühlenfeld e.V.“ organisierte im März eine Aktion, mit der gegen die derzeitigen Planungen protestiert und für eine sensible Bebauung des Mühlenfelds geworben wurde. Mehr als 100 Oberneulanderinnen und Oberneulander fanden sich auf dem Mühlenfeld ein, um ihre Sorge über ihr Dorf zum Ausdruck zu bringen.

Für den ein oder anderen ist es auf den letzten Metern noch eng geworden. Pünktlich am 1. März mussten die Einwände gegen die Bebauung des Mühlenfeldes zwischen Oberneulander Bahnhof und Rockwinkeler Landstraße im Bauamt abgegeben werden.
Auch der Beirat Oberneuland wurde noch kurzfristig aktiv und brachte mit Ausnahme der Stimmen der SPD eine gemeinsame Stellungnahme auf den Weg, „die die Baubehörde von einer angemessenen Bebauung des Mühlenfeldes überzeugen soll“ – heißt es in der offiziellen Presseinformation der CDU.
Die SPD hat der Stellungnahme nicht zugestimmt. „Die unter Federführung der CDU erarbeitete Stellungnahme enthält aus Sicht der SPD zahlreiche Behauptungen und Forderungen, die bei genauer Betrachtung weder überzeugend begründet werden noch sachlich angemessen auf die generellen Kriterien von Bebauungsplänen reagieren“, heißt es in der Presseinformation der SPD von Meike Hethey und Derik Eicke. „Für uns ist der vorliegende Entwurf für die Bebauung des Mühlenfelds ein gutes Ergebnis. Es gibt für die verschiedensten Nutzergruppen Angebote. So können 198 neue Wohneinheiten für junge Familien, Paare, Alleinstehende aller Generationen in unserem Stadtteil entstehen, die angesichts des angespannten Bremer Wohnungsmarktes dringend gebraucht werden. Gleichzeitig liegt mit dem jetzt vorliegenden Entwurf ein Plan für modernes Bauen vor, der nicht nur sozialen und ökologischen Anforderungen gerecht wird, sondern auch sensibel mit der Fläche um die Oberneulander Mühle umgeht“, so SPD-Fraktionssprecherin Meike Hethey. Das sieht Beiratssprecherin Tamina Kreyenhop anders: „Stadtplanung hat neben der sozialen Verantwortung, Wohnraum zu schaffen, ebenso die Aufgabe, die infrastrukturellen Auswirkungen vernünftig zu planen und den Charakter eines Stadtteils zu bewahren. Beim Bau der Grundschule haben wir viele Bauvarianten ausschließen müssen, um die Sichtachse zur Kirche zu bewahren. Warum die Sichtachsen zur Mühle und dem Grand Central, auch ein Denkmal Oberneulands, durch eine sieben Meter hohe Schallschutzwand verbaut werden dürfen, ist uns ein Rätsel.“

Neue geplante 7 Meter hohe Schallschutzwand verärgert

Diese Wand ärgert natürlich auch Tanja und Nils Krey. Durch das Investor-Paar wurde aus der Ruine des alten Bahnhofs ein Kleinod Oberneulands, das gerade den ersten Blick auf den Stadtteil von der Franz-Schütte-Allee aus prägt. „Es war immer von einer vier Meter hohen Schallschutzwand die Rede und im Plan sind plötzlich sieben Meter vorgesehen“, erläutert Tanja Krey. Deswegen stellte sie sich gemeinsam mit ihrem Mann und Sascha Tietje-Windt am Samstag vor Eingabeschluss mit Banner vor EDEKA und sammelte Unterschriften, mit denen eine Alternative, sei es Trichter oder Glas, erbeten werden soll. Einige Unterschriftswillige nutzten gleich die Gelegenheit und formulierten noch vor Ort einen Einwand gegen das gesamte geplante Baugebiet. Über 50 Einwände von Oberneulandern gab Tanja Krey persönlich in der Behörde ab. Wie viele Einwände genau eingegangen sind, darf Jens Tittmann, Pressesprecher der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, nicht sagen: „Datenschutz“. Aber er verrät das Prozedere: „Die Einwände werden nun im Referat Stadtentwicklung, Bauordnung Ost, sortiert und gelesen. Dann gehen sie zu den Deputierten, dem Staatsrat und schlussendlich zur Senatorin. Wo berechtigte Zweifel gegeben sind, wird abgewogen, ob diese im Bebauungsplan berücksichtigt werden.“ Wenn alles reibungslos verläuft, könnte der Bebauungsplan im dritten Quartal stehen. Wann kann dann mit den ersten Arbeiten auf dem Feld gerechnet werden? „Das kann Ihnen keiner sagen“, vermutet der Pressesprecher. Schließlich gäbe es dann noch die Möglichkeit der Klage. Auch Investor Dieter Rausch wagt keine Prognose. Fünf Jahre sind nun schon ins Land gezogen. „Das ist nicht unüblich und mehr als in Ordnung“, sagt er, schließlich sei es ihm wichtig, dass eine Lösung gefunden wird, die möglichst viele glücklich macht. „So ist das in der Demokratie.“

Bürgerinitiative übergibt Einsprüche

Natürlich hat auch die Bürgerinitiative Pro Mühlenfeld ihren Einwand formuliert und der Staatsrätin Gabriele Nießen persönlich übergeben. Dass der Verein eine Verkehrszählung beauftragt hat, ist auch in der Behörde kein Geheimnis. „Wir haben das ganze Paket gebucht und die Zählung kostet dem Verein einen fünfstelligen Betrag“, sagt Vorsitzender Lars Hendrik Vogel. Bei der Zählung „kamen deutlich höhere Werte raus als die Baubehörde in ihrem Gutachten angenommen hat.“ Über die genaue Höhe schweigt der Verein: „Wenn die Behörde uns fragt, könnten wir die Zahlen zur Verfügung stellen – allerdings ist es unseres Erachtens Aufgabe der Behörde, für belastbare Gutachten zu sorgen.“
Die Initiative wird sich derweil darum kümmern, mit verschiedenen Aktionen auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. „Im April werden wir die Mühle illuminieren, um auf ihre Schönheit aufmerksam zu machen“, nennt Lars Hendrik Vogel eine Aktion.

Hat die Stadt die Anzahl der Wohneinheiten nachträglich erhöht?

Vor dem 1. März machten noch ein paar Gerüchte im Dorf die Runde. Von einem sind Behörde und Investor gleichermaßen Zielscheibe. Die Stadt soll angeblich mehr Wohneinheiten gefordert haben als der Investor ursprünglich geplant habe. Jens Tittmann: „Das muss ich ganz deutlich von uns weisen und klar dementieren.“ „Der heutige städtebauliche Entwurf, beziehungsweise die Art und der Umfang der Wohneinheiten, hat sich nach den Wünschen der Ortspolitik über die Jahre entwickelt. Sowohl die erste Forderung des Koordinierungsausschusses (KOA) des Beirats, die Verringerung von vier auf drei Reihenhaushöfen als auch danach von drei auf zwei Reihenhaushöfen wurden übernommen. Die sehr großen Eigentumswohnungen für die älteren Oberneulander inklusive der Dachlandschaft wurden stets von der Ortspolitik in der Abstimmung zum städtebaulichen Entwurf befürwortet“, erläutert Dieter Rausch.
Zwei Antworten, die Tamina Kreyenhop (kl. Foto) verstören: „Der erste Plan, der uns im Bauausschuss gezeigt wurde, hatte 200 Wohn-einheiten. Schon damals baten wir darum, die Reihenhäuser zu dezimieren. Als uns in einer Beiratssitzung dann die erste überarbeitete Version mit über 260 Wohnein-heiten gezeigt wurde, waren wir baff. Später erzählte Peter Sakuth mir und Jens Knudtsen, dass die Behörde die Erhöhung gefordert habe.“ Der dritte Vorschlag wurde im Oktober 2020 dem Beirat vorgestellt und ließ die Fraktionen wieder aufatmen. „Allerdings war uns die Höhe der Häuser nicht bewusst“, sagt Tamina Kreyenhop. In Oberneuland seien die Bauhöhen normalerweise auf elf Meter gedeckelt, auf dem Mühlenfeld dagegen sollen 14 und 19 Meter hohe Gebäude sowohl an der Straße als auch der Bahnlinie entstehen.

Werden mehr Bäume gefällt als notwendig?

Das zweite Gerücht rankte sich um die Bäume entlang der Rockwinkeler Landstraße, die seit geraumer Zeit eine Markierung ziert, die eine bevorstehende Abholzung aufzeigt. Die zuständigen städtischen Stellen bestreiten die Markierung in Auftrag gegeben zu haben. Auch die Bürgerinitiative erklärt auf Nachfrage: „Unsere Mittel zum Widerstand gegen die unsensible Bebauung des Mühlenfeldes
liegen ausschließlich in einem konstruktiven Dialog mit der Baubehörde. Andere Aktionen werden von uns als Bürgerinitiative nicht eingebracht“, stellt Lars Hendrik Vogel klar.
Auch Dieter Rausch liegen die Bäume am Herzen. „Wer mich kennt, weiß das“, sagt er, und: „alle Bäume wurden vor der Planung vermessen, ebenso ist eine Untersuchung zum Verlauf der Baumwurzeln mit einer Suchschachtung erfolgt und der Wurzel- und Baumkronenbestand ist in der städtebaulichen Planung berücksichtigt worden.“ In der Begründung zum Bebauungsplan 2371 heißt es: „Die Linden entlang der Rockwinkeler Landstraße sind nicht im Rahmen des Baumgutachtens aufgenommen worden, da es sich um Bäume innerhalb der öffentlichen Straßenverkehrsfläche handelt. Insgesamt stehen 50 Linden entlang der Straße, von denen zusätzlich 15 Bäume nach Bremer BaumSchVO geschützt sind. Baumhöhlen wurden nicht gefunden.“

Wieviele Wohneinheiten werden noch in Oberneuland gebaut?

Das dritte Gerücht verbreitet, dass in der laufenden Legislaturperiode 2.000 Wohneinheiten allein in Oberneuland entstehen sollen. Wahrscheinlich fußt es auf dem Beschluss des Senats „Wohnungsbauperspektiven 2020-23plus“ vom Dezember 2020. Dieser bat darum, „Impulsflächen zu identifizieren und zu entwickeln, um den Bau von 10.000 zusätzlichen Wohnungen im gesamten Stadtgebiet zu ermöglichen …“ Im Beschluss wurden für Oberneuland in der Kategorie A (bereits genehmigt) 121 Wohneinheiten im Büropark und in der Kategorie B (Projekte, bei denen die Voraussetzungen zur Realisierung von Wohnungsbau geschaffen werden sollen) 194 Wohneinheiten an der Mühle genannt. Nimmt man noch die Privat-Projekte mit auf – schließlich hat man derzeit das Gefühl, dass überall im Stadtteil gebaut wird – kommt man auf circa 350 Wohnein-heiten für Oberneuland. Es gilt für den Beirat bzw. jede Bürgerin und jeden Bürger, künftig ein kritisches Auge auf Wohnraum-Entwicklungen zu haben, damit der Stadtteil-Charakter gewahrt bleibt.

Text: Antje Scheinert, Foto: © BILD Bremen/Hornung