Lagerfeuerkochen

Schmausen zwischen Flammen & Glut

Ein Kochkurs am Lagerfeuer regt alle Sinne an. Das hat Autorin Catrin Frerichs ausprobiert – und ist begeistert.

Neulich stand es in der Zeitung: „Der Grill ist am Ende irgendwie auch das Lagerfeuer aus der Prärie, wo die Cowboys nach getaner Arbeit sich hinsetzen und sich mit dem Drink etwas zu essen und Musik machen.“ Zitiert wurde Alec Völkel von der Country-Rock-Band The BossHoss. Grillen ist gut, finde ich auch. Daher grille ich oft und gern. Aber noch lieber sitze ich nach dem Essen an meiner Feuerschale und betrachte versonnen die flackernden Flammen.
Kochen wie in der Prärie, direkt im Feuer, das hätte was. Kann man das lernen? Kann man. Die Landesforsten Niedersachsen bieten in der Zeit von April bis September regelmäßig Lagerfeuerkochkurse an. Das ist es, denke ich, und melde mich beim Waldpädagogikzentrum Elbe-Weser für einen Kurs an. Eine kurze Autofahrt über die A27 bis zur Ausfahrt Schwanewede führt mich in den Wald der Revierförsterei Heidhof. Vom Parkplatz „Schmidts Kiefern“ kann ich bereits die Grillhütte zwischen den Bäumen sehen. Rauch steigt auf.
Es ist kurz nach elf Uhr. „Wie wäre es erst mal mit einem Kaffee?“, fragt Andrea Kitzmann mich. Die Waldpädagogin ist eine der ausgebildeten „Campfire Instructors“ und leitet den heutigen Kurs an. Die Lagerfeuer-Köchin trägt feste Schuhe und lange Baumwollhosen. Wegen des Funkenschlags. Die langen Haare hat sie zu Zöpfen geflochten, auf dem Kopf sitzt eine schwarze Cappy. Die Frau weiß, was sie tut, denke ich. Das Feuer ist bereits entfacht. Um die runde Feuerstelle herum stehen vier weitere Kursteilnehmer und schlürfen ihren Kaffee – aus einer Blechtasse, versteht sich. Die metallene Kaffeekanne dampft derweil auf einem Rost über dem Feuer. Der Henkel ist der Flamme abgewandt. „Das Kaffeepulver kommt direkt ins kalte Wasser, die Kanne dann an den Rand des Lagerfeuers. Auch wenn das Wasser kocht, macht es den Kaffeegeschmack nicht kaputt“, verrät die Köchin. Stimmt, der Kaffee schmeckt köstlich. Damit das Pulver sich absetzt, gießt man eine halbe Tasse kaltes Wasser durch den Ausgießer. Aha.
An diesem Samstag haben wir – drei Männer und drei Frauen – uns viel vorgenommen, wie ein Blick ins Rezeptheft beweist. Trapperfrühstück mit Buchweizenpfannkuchen und Speck, danach Gemüse aus der Glut, als Hauptgänge Hirschgulasch mit Pilzen und Schichtfleisch sowie zum Abschluss Cowboypudding mit Rum. Dass wir das auch alles verspeisen sollen, daran denkt an diesem Vormittag noch niemand.
Andrea Kitzmann hat das Kochzubehör aufgebaut: Eisenpfannen und gusseiserne „Dutch Oven“ in verschiedenen Größen, Briketts und Grillanzünder. Dazu Grillzangen, diverse Messer und riesige feuerfeste Handschuhe. „Sie müssen so groß sein, damit man sie im Ernstfall schnell von der Hand schütteln kann“, sagt die Expertin. Die meisten Zutaten liegen bereits auf dem breiten Geländer der Grillhütte. Das Hirschfleisch bezieht Kitzmann über einen befreundeten Jäger. Die Kräuter hat sie am Morgen im eigenen Garten geerntet.
Nach einer kurzen Sicherheitseinweisung geht es ans Zubereiten. Einer rührt den Pfannkuchenteig, die anderen schnappen sich je eine kleine Eisenpfanne und füllen sie mit Speckscheiben. Dann ab auf die Flammen. Obwohl der Grillhandschuh sehr unhandlich ist, bin ich froh, ihn zu haben. Die Hitze des Feuers ist deutlich zu spüren. Nun eine Kelle Teig in die Pfanne gefüllt und warten, bis der Pfannkuchen durch ist. Erst dann wenden. Fertig.
„Kochen am Feuer spricht alle Sinne an“, findet Andrea Kitzmann. Das stimmt. Es riecht nach Raucharomen, Vögel zwitschern in den Bäumen, das Licht bricht sich in den Blättern, ein seichter Wind weht. Natur pur. Nachdem wir unser Trapperfrühstück verzehrt haben, legen wir Gemüse in die Glut. Ganze Paprika und Lauchstangen, Knoblauchknollen, Auberginen sowie Champignons, die wir mit selbst gemachter Kräuterbutter füllen. Es brutzelt, zischt und dampft. Der Rauch des Lagerfeuers beißt in den Augen, ich wende mich kurz ab. Das Gemüse wird nach einiger Zeit ganz schwarz. Das macht aber nichts. Die Lauchstange wird geschält, die schwarze Paprikahaut in einem Eimer Wasser abgerubbelt, bis sie wieder rot leuchtet. Die Knoblauchzehen drücken wir aus und schmieren die Paste auf geröstetes Brot. Das weiche Fleisch der Aubergine löffeln wir heraus. Würzen ist nicht nötig. Wer Raucharomen mag, wird Gemüse aus der Glut lieben.
Weiter geht es mit den Hauptgängen. Für das Hirschgulasch braten wir Möhren, Stangensellerie, Zwiebeln und Porree an, löschen alles mit Rotwein ab. Danach kommt das Hirschfleisch mit Pilzen auf die Flammen. Unsere Handgriffe werden immer routinierter. Jemand hat Grillbriketts zum Glühen gebracht. „Die brauchen wir zum Erwärmen des Dutch Oven“, sagt Andrea Kitzmann. Während das Hirschgulasch unter Zugabe von Wasser und Gewürzen im geschlossenen Topf nun zwei Stunden vor sich hin schmurgelt, zeigt die Lagerfeuer-Köchin, wie man im gusseisernen Topf Schichtfleisch macht. Dafür nimmt sie Schweinenacken, Scheiben von geräuchertem Speck, in dicke Ringe geschnittene Gemüsezwiebeln und Paprikastreifen. Dann wird alles hochkant im Topf geschichtet. Obendrauf noch eine halbe Tasse Barbecue- oder Steaksoße. Geräucherter Ketchup tut es auch. „Das ist der Dutch-Oven-Klassiker schlechthin“, sagt Andrea Kitzmann. „Mehr Flüssigkeit ist nicht nötig. Die kommt beim Garen vom Bratensaft und den Zwiebeln.“
Kurz vor drei am Nachmittag steht das Essen auf dem Holztisch. Wirklich hungrig bin ich nach der Kocherei nicht. Aber dafür habe ich große Lust, alles zu probieren. Das Hirschgulasch schmeckt intensiv, die dunkle Soße stippe ich mit Brot auf, bis der Teller blank ist. Nun das Schichtfleisch. Es schwimmt in einer roten Soße. Ich lege eine Scheibe Fleisch mit Zwiebelringen und Soße in ein knuspriges Dinkelbrötchen, klappe es zu und beiße hinein – himmlisch.
Mit Ruß an den Fingern plaudern wir über Campingurlaube, fachsimpeln über Planchas für den Grill, direkte und indirekte Hitze und die perfekte Temperatur für das Braten eines Steaks. Wir sind uns einig: Neben dem Geruch von Feuer und gutem Essen gibt es nichts Besseres, als nach einem Lagerfeuerkochkurs in die Flammen zu schauen. Noch eine Erkenntnis: Am Grill steht man allein. Am Lagerfeuer können alle mitkochen. Im Kopf schreibe ich meine Einkaufsliste: feuerfester Handschuh, Grillrost mit Füßen, 10er-Dutch-Oven. Eisenpfannen habe ich. Und die Feuerschale auch. „Fülle Sand hinein“, empfiehlt Andrea Kitzmann. „Dann liegen die Scheite höher und du kannst besser darauf kochen.“ Noch am Abend zu Hause rieche ich nach dem Rauch des Lagerfeuers. Der Geruch der Prärie, denke ich.

Text und Foto: Catrin Frerichs