Rehkitzrettung Wümme

Die „Kitzretter“ im Einsatz

Entweder früh morgens, kurz vor Sonnenaufgang, oder an kühlen Tagen auch in der Abenddämmerung, beginnen die Einsätze der Rehkitzrettung Wümme. In dem eingetragenen Verein haben sich vor drei Jahren Landwirte, Jäger und zahlreiche ehrenamtliche Helfer zusammengeschlossen, um Rehkitze noch vor der ersten Wiesenmahd mit modernstem Equipment ausfindig zu machen und vor dem sicheren Mähtod zu bewahren.

Im Mai und Juni setzen die Rehricken ihre Kitze, fast zeitgleich findet in der Regel die erste Wiesenmahd statt. Während die Ricke nach Futter sucht, wird das Kitz im vermeintlich sicheren hohen Gras zurückgelassen. Durch den angeborenen Drückinstinkt verhält sich das Rehkitz bei Gefahr ruhig, presst sich ganz nah an den Boden und wartet auf die Rückkehr der Mutter. Der Drückinstinkt verliert sich nach den ersten drei bis vier Lebenswochen. Das Rehkitz jedoch verlässt sich auf diese Art der Tarnung und bleibt weiterhin bei Gefahr ganz still liegen. Es springt erst auf, wenn die Gefahr bis auf wenige Meter herangekommen ist. Für Fressfeinde noch ausreichend, jedoch nicht für die schnellen Mähmaschinen, denen es so schutzlos ausgeliefert ist.
Den eventuellen Tod der Rehkitze und auch anderer Jungtiere wollten die Mitglieder der Rehkitzrettung Wümme e.V. 2021 nicht mehr hinnehmen sowie für die Landwirte mehr Sicherheit und Zeitersparnis beim Aufspüren der Tiere bieten. In dem Zusammenschluss wird seitdem gemeinsam an einem Strang gezogen. „Früher sind wir in größeren Gruppen und mit unseren Hunden über die Wiesen gelaufen, um die Kitze aufzuspüren. Jetzt melden wir unser Mähvorhaben kurzfristig an und erzielen somit ein deutlich schnelleres und effektiveres Ergebnis“, berichten die Bauern Jürgen Drewes sowie Klaus und Christian Kropp.
Mithilfe von Drohnen (Quadrocoptern), die mit einer Wärmebildkamera ausgestattet sind, werden in den frühen Morgenstunden oder am späten Abend die Grünlandflächen der Oberneulander und Borgfelder Landwirte abgesucht. Systematisch wird die Drohne von den Piloten, u.a. Niklas Meier und Sven Sinning, über die Wiese gelenkt – immer ein Auge auf dem Bildschirm der Wärmebildkamera. Ist ein Wärmepunkt in der Wiese ausgemacht, machen sich 2-3 Helfer auf den Weg zur Fundstelle. Über ein Funkgerät werden sie dabei vom Drohnenpiloten gelenkt. Ist das Kitz in der Wiese ausfindig gemacht, wird es mittels eines großen Korbes gesichert. Dieser wird mit Zeltheringen fixiert und mit einer langen Stange gut kenntlich gemacht. So sieht der Landwirt beim zeitnahen Mähen gleich, an welcher Stelle sich das Kitz befindet und kann den Liegeort beim Mähen auslassen.
Anschließend wird der Korb wieder entfernt. Je nach Alter, Größe und Mobilität des Rehkitzes bleibt es weiterhin still liegen, läuft selbstständig weg oder wird fachgemäß (ohne direkten Körperkontakt), durch die Verwendung einer großen Menge Gras, an einer sicheren Stelle wieder abgelegt. Aber nicht nur die Rehkitze profitieren von der Rettungsaktion. So konnten auch Junghasen, Igel und zahlreiche Vogelgelege gesichert und gerettet werden.
Die Finanzierung der Drohnen mit Wärmebildkamera – es wird eine vierte Drohne benötigt, um wirklich alle Flächen abfliegen zu können – die Schulung der Drohnenpiloten, die Anschaffung sonstiger Hilfsmittel und die Gewinnung tatkräftiger Mitglieder sind eine große Herausforderungen für den eingetragenen Verein.
„Nur durch begeisterte Mitglieder, die uns bei der Rettung tatkräftig unterstützen sowie eine gute Ausrüstung können wir möglichst viele Kitze retten“, erklärt Alexander von Plato, der als Nachbar von Landwirt und Drohnenpilot Niklas Meier zu den engagierten Kitzrettern zählt und in diesem Jahr, gemeinsam mit Sohn Henry (10), bei zahlreichen Einsätzen mitgewirkt hat.

Text: Meike Müller, Foto: Sven Sinning