„konventionell-ökologisch-wirtschaftende“ Tandems

Praxisforschungsprojekt zum Verzicht chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel

Um die Auswirkung der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln auf konventionell bewirtschafteten Flächen ermitteln zu können, haben sich im Land Bremen für drei Jahre sechs landwirtschaftliche Betriebe zu drei „konventionell-ökologisch-wirtschaftenden“ Tandems zusammengetan. Ziel des Projekts ist es, auf ausgewählten konventionell bewirtschafteten Ackerflächen die Auswirkungen der Reduzierung auf Bestände und Erträge in Bremen festzustellen.

Ziel ist es ebenso, mit dem Betriebs-partner gemeinsam Lösungsansätze und Strategien zur Reduzierung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel mittels ökologischer Pflanzenschutzmaßnahmen zu entwickeln. Das Projekt wird vom Kompetenzzentrum Ökolandbau
Niedersachsen KÖN durchgeführt und von der Senatorin für Umwelt, Klima, Wissenschaft Bremen gefördert.
Auch in Bremen-Oberneuland gibt es solch ein Betriebspaar. Jürgen Drewes als konventionell wirtschaftender Betrieb hat sich mit dem Biolandwirt Ingo Stelljes-Subarew zusammengetan. Drewes verzichtet während drei Jahren auf der Hälfte seines zwischen Hohenkampsweg und Höpkens Ruh gelegenen Feldes auf den Einsatz chemisch-synthetisch hergestellter Insektizide sowie Herbizide. Als ökologischer Partnerbetrieb übernimmt der Timmersloher Biolandwirt auf dieser Teilfläche die mechanische Unkrautregulierung und steht dem Betriebspartner mit seinem Know-how zur Seite. Zudem gibt es auf der vier Hektar großen Fläche eine Nullparzelle, auf der weder Pflanzenschutzmittel angewendet noch das Unkraut mechanisch durch Hacken und Striegeln entfernt wurde. Bereits im ersten Versuchsjahr zeigte dieser Teil einen deutlichen Aufwuchs von Windhalm. Mit dem vorläufigen Ergebnis der Reduzierung von Windhalm allein durch Striegeln war Drewes schon jetzt sehr zufrieden.
„Auf beiden Teilflächen ist das Düngeniveau das gleiche“, machte Projektmitarbeiter Hans Tüllmann, KÖN, deutlich. Aus diesem Grund ist es ungewiss, ob Ertragsunterschiede zu verzeichnen sind. „Aber das dritte Jahr könnte das spannendste werden.“ Dabei seien die Ertragsunterschiede eine Sache, das Wachstum der Beikräuter eine andere. Luftaufnahmen von Hans Tüllmann ließen jedoch vermuten, dass der Bestand auf der gestriegelten Fläche dünner ausfällt als auf der konventionell mit Pflanzenschutzmitteln behandelten Fläche. Teil der Rahmenbedingungen des Projekts war der einmalige Anbau von Mais während des Versuchszeitraums. In diesem Jahr pflanzte Jürgen Drewes
Getreide auf der ausgewählten Fläche, im nächsten Jahr folgt Mais und im dritten Jahr wächst in der normalen Fruchtfolge wieder Getreide auf dem Acker. Die Praxis soll überzeugen, so das Credo des Projekts. Allerdings sei nicht jedes Jahr gleich, man könne die ermittelten Werte nur übertragen und Erfahrungen sammeln, gab Ingo Stelljes-Subarew zu bedenken. In der Feldbearbeitung von Stelljes-Subarew wird vorne gehackt und hinten gestriegelt, um Keimlinge im Wachstum zu stören und den Kulturen die Möglichkeit zur vollen Entwicklung zu geben. Witterungsverhältnisse haben auf die mechanische Unkrautbekämpfung Einfluss, so hatte der Striegel aktuell bei Regenwetter nur wenig Chance. Für das erste Jahr hat Landwirt Jürgen Drewes noch keine Bedenken bezüglich der Erträge, denn die noch im Boden vorhandenen „Spätfolgen“ der Pflanzenschutzmittel halten die Beikräuter in Schach. Sorgen macht er sich aber über das zweite und dritte Jahr. Auf den Bioflächen in Timmersloh haben es Beikräuter durch die regelmäßige mechanische Unkrautvernichtung aufgegeben, sich zu etablieren, so die Erfahrung von Ingo Stelljes-Subarew. Durch häufige Schnitte wie beim Kleegras würden diese geschwächt.
Schon heute nutzt der Biolandwirt das Netzwerk unter Ökolandwirten zum Austausch. Im konventionellen Bereich ist solch ein Erfahrungsaustausch noch nicht an der Tagesordnung, wie Jürgen Drewes berichtete. Stelljes-Subarew und Drewes profitieren aber schon heute vom Erfahrungsaustausch über unterschiedliche Bewirtschaftungsformen. Aktuell probiert der Timmersloher Biolandwirt die Mulchsaat mit flacher Bodenbearbeitung aus.
In Anlehnung an das niedersächsische „FINKA“-Projekt des KÖN wurde das Projekt „Betriebspaare Bremen“ von der Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft aus Bremen und dem KÖN entwickelt. Die Landwirtschaftskammer Bremen informierte alle Bremer Landwirte, um sie zur Teilnahme zu bewegen. Bedingt durch die Flächengröße des Bundeslandes, der Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe und der landwirtschaftlich genutzten Fläche ergaben sich drei Betriebspaare. Es sei erklärtes politisches Ziel der amtierenden Regierung, die regionale Landwirtschaft zu erhalten und Pflanzenschutzmittel im Sinne von Natur- und Klimaschutz zu reduzieren, so Lena Förster, Referentin Senatorin Umwelt, Klima und Wissenschaft. Mithilfe des Projekts „Betriebspaare Bremen“ sollen landwirtschaftliche Betriebe unterstützt werden, Pflanzenschutzmittel einzusparen.
Jürgen Drewes erhält für die Teilnahme am Projekt eine Aufwands- und Ertragsausfallentschädigung, Ingo Stelljes-Subarew bekommt vergleichbar mit einem Lohn-unternehmer seine Feldarbeiten erstattet. Ziel ist es, dem Verbraucher die Funktion verschiedener Verfahren der Unkrautregulierung vor Augen zu führen, so Drewes. Unabhängig vom Projekt setze er immer schon so wenig Chemie wie möglich ein. Aufgrund der von ihm praktizierten Fruchtfolge habe er im Mais weniger Unkrautdruck und kommt mit einer Pflanzenschutzbehandlung aus. Auf einer von Stelljes-Subarew bewirtschafteten Biofläche in Timmersloh wird parallel eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gemacht, um den Ertrag im Ökobereich ermitteln zu können. Auf beiden Projektflächen werden alle Daten der Kulturführung von Bodenbearbeitung und Einsaat bis hin zu Ernte und Stoppelbearbeitung in die Berechnungen aufgenommen, um detailliert die Kosten auflisten und vergleichen zu können, so Projektmitarbeiter Tüllmann. Auf regelmäßig stattfindenden Beratertagen tauschen sich die Landwirte gemeinsam mit landwirtschaftlichen Beratern und dem Projektcoach zu den Themen Unkrautregulierung, Sortenwahl, Saatzeitpunkt oder auch Düngestrategien aus.
Während des alljährlichen Feldtages im Frühjahr 2024 würden allerspätestens erste Ergebnisse präsentiert, so Hans Tüllmann. Nach drei Jahren Versuchszeitraum könnten aber allenfalls Tendenzen festgestellt werden, auch das machte der Projektmit-arbeiter deutlich.

Text und Foto: Sabine von der Decken